OGH 11Os61/93

OGH11Os61/934.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Mai 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter M***** wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14. Oktober 1992, GZ 12 b Vr 275/89-242, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen Freispruch vom Vorwurf des Verbrechens der betrügerischen Krida nach dem § 156 Abs 1 und 2 StGB enthält - wurde Peter M***** des Vergehens (richtig: der Vergehen) der fahrlässigen Krida nach dem § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien als Geschäftsführer der Firma L*****ges.m.b.H. als Schuldnerin mehrerer Gläubiger mit angemeldeten Forderungen von rund 103 Millionen S und einer Überschuldung von rund 50,8 Millionen S, gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Geschäftsführer Richard F***** und teilweise mit dem rechtskräftig verurteilten tatsächlichen Geschäftsführer Mag. Michael M*****,

a.) in der Zeit vom Oktober 1984 bis Oktober 1985 fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der genannten Gesellschaft herbeigeführt, indem er sowohl bei Lieferanten, als auch bei Banken unverhältnismäßig hohe Kredite benutzte, die Preisgestaltung lediglich auf den Umsatz ausrichtete, dabei den Ertrag vernachlässigte und eine gleichartige Vorgangsweise durch Richard F***** und Mag. Michael M***** duldete, Mängel der Buchhaltung und Lagerführung außer Acht ließ, die Überwachung der Verbindlichkeiten vernachlässigte und überdies große Entnahmen ohne rechtliche bzw wirtschaftliche Grundlagen tätigte, um seinen aufwendigen Lebensstil zu finanzieren und

b.) in der Zeit von Oktober 1985 bis zum 22. April 1986 in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder geschmälert, insbesondere dadurch, daß er auf die im Spruch des angefochtenen Urteils detailliert geschilderte Weise und im dort genannten Umfang neue Schulden einging und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht rechtzeitig beantragte.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit seiner auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die unberechtigt ist.

In seiner Verfahrensrüge (Z 4) erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages auf Einvernahme der Zeugen Dr. Dino K***** und Richard F***** in seinen Verteidigungsrechten verletzt. Dies jedoch aus mehreren Gründen zu Unrecht:

Für die Prüfung eines derartigen Zwischenerkenntnisses durch den Obersten Gerichtshof können zunächst nur die tatsächlichen Anführungen maßgeblich sein, die dem erkennenden Gericht bei Fällung dieses Zwischenerkenntnisses vorlagen (Mayerhofer-Rieder ENr 40 und 41 zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO). Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolles wurde der Antrag auf Einvernahme der Zeugen Dr. Dino K***** und Richard F***** zum Beweis dafür gestellt, "daß dem Angeklagten ausreichend Informationsgrundlagen zur Verfügung gestanden sind, daß er seinen Pflichten als Geschäftsführer nachgekommen ist und er erst am 28.3.1986 erkennen konnte, daß die L***** zahlungsunfähig ist" (121 in Band XXIII). Soweit dieses Beweisbegehren sich auf die dem Angeklagten zur Verfügung stehenden Informationsgrundlagen bezieht, verfiel es deswegen zu Recht der Abweisung, weil gerade die Tatsache, daß dem Angeklagten ausreichend Informationsgrundlagen zur Verfügung standen, vom erkennenden Gericht als unbestritten festgestellt wurde (US 26 unten; siehe dazu Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr. 63a). Soweit sich das Beweisbegehren auf die Frage der Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit bezieht, läuft es - worauf das Erstgericht bereits zutreffend hingewiesen hat - inhaltlich auf eine Überprüfung des Gutachtens des Sachverständigen Dkfm. Helmut N***** hinaus, ohne daß die gesetzlich determinierten Voraussetzungen (§§ 118 Abs 2, 125, 126 StPO) hiefür vorlägen. Im übrigen wurde im Beweisantrag nicht dargetan, weswegen die Aussagen der Zeugen Dr. Dino K***** und Richard F***** ein im Widerspruch zu diesem Gutachten stehendes Beweisergebnis erwarten ließen. Ein tauglicher Beweisantrag muß aber außer Beweisthema und Beweismittel auch angeben, inwieweit (sofern sich dies nicht schon aus der Sachlage ergibt) das bei Durchführung der beantragten Beweise nach Ansicht des Antragstellers zu erwartende Ergebnis der Beweisaufnahme für die Schuldfrage von Bedeutung ist und aus welchen Gründen erwartet werden kann, daß die Durchführung der beantragten Beweise auch tatsächlich das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde (Mayerhofer-Rieder, aaO, ENr. 19). Insoweit fehlt es für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs 1 Z 4 StPO an einer wesentlichen formellen Voraussetzung. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß die Beschwerdeschrift zwar ein "ganz erhebliches Abweichen" der Urteilsfeststellungen von dem angeführten Sachverständigengutachten behauptet, aber auch in diesem Zusammenhang jedwede Konkretisierung unterläßt, worin diese wesentlichen Abweichungen gelegen sein sollen; in den entscheidungswesentlichen Fragen des Eintritts und der Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit folgt das erkennende Gericht nämlich ohnedies diesem Gutachten. Schließlich hat das Schöffengericht auch zutreffend erkannt, daß die Frage, ob der Angeklagte seinen Pflichten als Geschäftsführer nachgekommen sei, als Rechtsfrage nicht durch Zeugenbeweis, sondern vom Gericht zu lösen ist. Durch die Ablehnung des bezughabenden Beweisantrages wurden daher Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt (SSt 22/53).

Aber auch die Mängelrüge (Z 5) ist unbegründet.

Der einleitende Einwand, das Erstgericht habe seine Feststellungen ausschließlich auf das Gutachten des Sachverständigen Dkfm. N***** gestützt, ist unrichtig. Die erkennenden Richter gründeten ihre Feststellungen außer auf das erwähnte Gutachten auch auf den Inhalt der Strafanzeigen, das Ergebnis der Erhebungen der Wirtschaftspolizei, die Aussagen der in der Hauptverhandlung unmittelbar gehörten Zeugen und den übrigen Akteninhalt (US 5). Zusätzlich stützten sie ihre Konstatierungen auf die Buchhaltung der Firma L***** und den Bericht des Ausgleichsverwalters Dr. A***** (US 11).

Die Behauptung, die Aussage des Zeugen Mag. Michael M***** sei nicht gewürdigt bzw übergangen worden, trifft ebenfalls nicht zu. Das Erstgericht hat die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen nicht nur nominell als Basis seiner Konstatierungen angeführt, sondern sich (unter anderem) auch mit den Depositionen des Zeugen Mag. Michael M***** (schon in der Gegendarstellung zum Bericht des Sachverständigen ON 213 und damit inhaltlich auch mit seiner in den entscheidungsrelevanten Punkten gleichlautenden Zeugenaussage während der Hauptverhandlung) auseinandergesetzt (US 23 unten) und unter Berücksichtigung aller Beweisergebnisse zur Auffassung gefunden, daß die leugnende Verantwortung des Angeklagten Peter M***** eine nicht überzeugende Schutzbehauptung sei, weswegen eine detailliertere Erörterung der auf der Basis des als unbedenklich beurteilten Gutachtens verworfenen Einlassungen ohne Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß dem § 270 Abs 2 Z 5 StPO unterbleiben konnte. Der formelle Begründungsmangel einer Unvollständigkeit haftet dem angefochtenen Urteil demnach nicht an.

Auch der aufgezeigte angebliche Widerspruch zwischen den Feststellungen zur subjektiven Tatseite im gegenständlich angefochtenen Urteil und jenem Urteil, das den gesondert verfolgten Mag. Michael M***** betrifft, stellt keinen Nichtigkeitsgrund iSd Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dar. Zum einen wäre eine solche Urteilsnichtigkeit nur dann gegeben, wenn der Ausspruch des Gerichtshofes über entscheidende Tatsachen in sich widersprüchlich wäre, nicht aber auch dann, wenn solche Widersprüche zwischen verschiedenen Urteilen bestünden (siehe dazu Mayerhofer-Rieder, aaO, E 104 zu § 281 Abs 1 Z 5), zum anderen wäre angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der Tatbestandsvarianten "in Kenntnis" oder "in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit" keine entscheidungsrelevante Tatsache angesprochen.

Im übrigen erschöpft sich die Mängelrüge in ihrem Bemühen, nach Art einer Schuldberufung zu anderen als von den erkennenden Richtern (auch) auf der Basis des eingeholten Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen zu gelangen, in einer unzulässigen Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung.

Die im Rahmen der Mängelrüge weiters aufgestellte Behauptung, die einzige (aktive) deliktstypische Kridahandlung, die dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht werde, sei jene, daß er zu hohe Privatentnahmen getätigt habe, ist unrichtig. Nach Urteilsspruch und -gründen gingen die erkennenden Richter vielmehr davon aus, daß der Angeklagte die Zahlungsunfähigkeit durch Aufnahme unverhältnismäßig hoher Kredite, durch lediglich umsatzorientierte Preisgestaltung und durch Vernachlässigung der Überwachung der Verbindlichkeiten und (dazu) durch zu hohe Privatentnahmen herbeigeführt hat. Da die übrigen - rechtlich gleichwertigen - Begehungsformen der fahrlässigen Krida im Ersturteil - auch von der Beschwerde unbestritten - mängelfrei begründet sind und eine gesonderte Anfechtung hinsichtlich einzelner Bankrotthandlungen unzulässig ist (JBl 1969, 400), bleibt die Kritik an der - im übrigen durch Hinweis auf die (durch Verlesung des wesentlichen Akteninhalts, 121 Bd XXIII, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gewordene) Aussage der Zeugin H***** im Vorverfahren (US 25) formal mängelfreie - Begründung für die (zusätzliche) Annahme zu hoher Privatentnahmen ohne Relevanz.

Die zwar nominell angeführte, in der Beschwerdeschrift nicht als solche ausgewiesene Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist wohl in den Ausführungen zu erblicken, die Auffassung des Erstgerichtes, die Bestellung zum Mitgeschäftsführer führe auch zur strafrechtlichen Haftung für das Fehlverhalten anderer, sei unzutreffend. Im vorliegenden Fall sei die dem Angeklagten vorgeworfene Unterlassung der Überwachung der Geschäftsführung anderer sowohl unter dem Gesichtspunkt der Kausalität als auch der objektiven Sorgfaltswidrigkeit, der objektiven Erfolgszurechnung und der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit nicht nachvollziehbar.

Mit diesen Ausführungen verläßt der Beschwerdeführer indes den Boden der erstinstanzlichen Konstatierungen, die ihm nicht das Fehlverhalten anderer zum Vorwurf machen, sondern eindeutig davon ausgehen, daß die Haftung des Angeklagten auf seine Position als Geschäftsführer und die ihm persönlich anzulastende objektive Sorgfaltswidrigkeit zurückzuführen ist (siehe dazu Leukauf-Steininger Komm3 § 161 RN 5 und 6). Erst innerhalb der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsführers wurde ihm überdies zur Last gelegt, sorgfaltswidrige Vorgangsweisen auch bei den Mitgeschäftsführern Richard F***** und Mag. Michael M***** hingenommen zu haben. Da die Rechtsrüge daher nicht vom gesamten Urteilssachverhalt, sondern von urteilsfremden Prämissen ausgeht, ist sie nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Die sohin teils offenbar unbegründete, teils nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach der Z 2, teilweise nach der Z 1 (iVm dem § 285a Z 2) des § 285d Abs 1 StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Über die Berufung des Angeklagten wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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