OGH 11Os26/93

OGH11Os26/934.5.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Mai 1993 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Hager, Dr.Schindler und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Hautz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Lajos I***** wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs. 1, 38 Abs. 1 lit a und 13 FinStrG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 10. November 1992, GZ 8 Vr 811/92-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, teils auch gemäß § 290 Abs 1 StPO im gesamten Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung und der Verfallserkenntnisse) aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Der am 19.März 1967 geborene ungarische Staatsbürger Lajos I***** wurde der Vergehen (1.) des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Schmuggels nach den §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a und 13 FinStrG und (2.) des teils vollendeten, teils versuchten vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des österreichischen Tabakmonopols nach den §§ 44 Abs 1 lit c und 13 FinStrG schuldig erkannt. Demnach hat er bei Einreisen von Ungarn nach Österreich in Nickelsdorf und an anderen Grenzübergängen vorsätzlich (I) gewerbsmäßig eingangsabgagepflichtige Waren, nämlich nachangeführte Mengen von Filterzigaretten, unter Verletzung der im § 48 ZollG 1988 normierten Stellungspflicht (1.) am 9.Juli 1992 39 Stangen (= 7.800 Stück) Zigaretten verschiedener Marken dem Zollverfahren zu entziehen versucht; (2.) zwischen März 1992 und Juni 1992 in sieben Angriffen

61.800 Stück Zigaretten der Marke "Marlboro" und 7.000 Stück Zigaretten verschiedener Marken dem Zollverfahren entzogen; (II.) zu seinem Vorteil Monopolgegenstände (§ 17 Abs 4 FinStrG) einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot zuwider, (1.) anläßlich der zu I. 1. bezeichneten Tat einzuführen versucht; (2.) anläßlich der zu I. 2. bezeichneten Tat eingeführt.

Neben einer Geld-, Freiheits- und Wertersatzstrafe sprach das Erstgericht (ua) gemäß § 17 Abs 2 lit c Z 4 in Verbindung mit § 38 Abs 1 FinStrG den Verfall des bei den Schmuggelfahrten benützten PKWs "Ford Orion" mit dem amtlichen Kennzeichen BUP 842 des - gesondert (ua auch wegen Bestimmung des Lajos I***** zu den hier abgeurteilten Taten) verfolgten - Bela H***** aus.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 10 (gemeint: 9 lit a) und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Berufung.

Der (gegen die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung beim Schmuggel und das Verfallserkenntnis gemäß § 17 Abs 2 lit c Z 4 FinStrG gerichteten) Nichtigkeitsbeschwerde kommt teilweise Berechtigung zu.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider liegt allerdings die der Sache nach behauptete Unvollständigkeit des angefochtenen Urteils zur Frage der Gewerbsmäßigkeit des Schmuggels nicht vor. Der Angeklagte verantwortete sich nämlich in der Hauptverhandlung gar nicht dahin, die Schmuggelfahrten für Bela H***** gegen bloßen Ersatz der Spesen und des Verdienstentganges "als reinen Freundschaftsdienst" durchgeführt zu haben, er räumte vielmehr - im Kern konform mit seinen Angaben vor dem Zollamt Wien (14) und den tatrichterlichen Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit - abschließend ausdrücklich ein, pro Fahrt Gewinne zwischen 1.000 und 1.500 Forint erzielt zu haben (280). Da er sich damit inhaltlich von seinem vorübergehenden Bemühen, jedwede Einkünfte aus den ihm angelasteten Schmuggelfahrten in Abrede zu stellen, selbst distanzierte, kommt seiner Verantwortung in der Hauptverhandlung insgesamt kein Aussagewert zu, der den bekämpften erstgerichtlichen Annahmen zur Gewerbsmäßigkeit entscheidend widersprochen und deshalb einer Erörterung in den Urteilsgründen bedurft hätte.

Der Beschwerdeeinwand hinwieder, das Erstgericht habe ein Verbergen des Schmuggelgutes nur mit unzureichender Begründung angenommen, weil die im Motorraum verstauten Zigaretten bei Öffnen der Motorhaube ohnedies ohne jedes weitere Sichthindernis wahrnehmbar gewesen seien, setzt sich über die evident tatplangemäße Tätererwartung hinweg, daß der für Transportzwecke jedweder Art nicht gewidmete und weitestgehend ungeeignete Motorraum von der (im Regelfall auf andere Fahrzeugbereiche beschränkten) Einsicht durch Zollorgane ausgenommen und die Konterbande daher verbogen bleiben würde.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) erschöpft sich in einer partiellen Wiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge und vermag mit dem Hinweis auf die angebliche Geringfügigkeit der auf die einzelnen Schmuggelfahrten entfallenden Teilgewinne keine Becdenken - geschweige denn solche erheblichen Grades - gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Gewerbsmäßigkeit zugrunde gelegten Tatsachenfeststellungen zu erwecken.

Im Ergebnis berechtigt hingegen ist die Beschwerde, soweit sie sich gegen das Verfallserkenntnis nach den §§ 17 Abs 2 lit c Z 4, 38 Abs 1 FinStrG richtet und dazu aus der Sicht des § 17 Abs 6 FinStrG wesentliche Feststellungsmängel hinsichtlich der für die Verhältnismäßigkeit des Verfalls entscheidenden Grundlagen geltend macht. Nach dieser Gesetzesbestimmung tritt nämlich an die Stelle des Verfalls nach Maßgabe des § 19 FinStrG die Strafe des Wertersatzes, wenn der Verfall (hier des bei der Tatausführung zuletzt als Beförderungsmittel eingesetzten PKWs Ford Orion) zur Bedeutung der Tat oder zu dem den Täter treffenden Vorwurf außer Verhältnis stünde. Wesentliche Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob der Verfall in der Bedeutung des § 17 Abs 6 FinStrG unverhältnismäßig ist, sind demnach einerseits die Bedeutung der Tat, andererseits der den Täter treffende Vorwurf.

Was das Verhältnis des Verfalls zur Bedeutung der Tat anlangt, so richtet es sich zum einen nach dem Wert des verfallsbedrohten Gegenstandes und zum anderen nach dem durch das Finanzvergehen bewirkten Schaden (dem strafbestimmenden Wertbetrag), im konkreten Fall sohin nach dem auf die geschmuggelten Zigaretten entfallenden Abgabenbetrag (§ 35 Abs 4 FinStrG). Im hier aktuellen Fall des § 17 Abs 2 lit c Z 4 FinStrG gab somit der Wert des bei der Tataufdeckung sichergestellten Personenkraftwagens im Tatzeitpunkt (§ 19 Abs 3 FinStrG) im Vergleich zu jenem strafbestimmenden Wertbetrag den Ausschlag, der insgesamt auf die mit diesem Fahrzeug transportierte Konterbande entfiel. Dazu haften dem angefochtenen Urteil gravierende Feststellungsmängel nicht nur zu der im Beschwerdevorbringen relevierten Quantifizierung jenes Teils der vom Schuldspruch erfaßten Konterbande, der mit dem - ohne jede Bewertungsgrundlage - für verfallen erklärten Fahrzeug transportiert worden war, sondern auch - wie sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde über den Rahmen der Urteilsanfechtung hinaus überzeugte - generell zu der Frage an, welche strafbestimmenden Wertbeträge das Erstgericht zu den einzelnen Schmuggelakten und damit zum Gesamtkomplex der abgeurteilten Finanzvergehen überhaupt als erwiesen annahm. Die entsprechenden, schon zur nachvollziehbaren Ermittlung der hier aktuellen Obergrenze der gesetzlichen Strafdrohung unentbehrlichen Konstatierungen sind nämlich dem Spruch des angefochtenen Urteils ebensowenig zu entnehmen wie den Urteilsgründen, weshalb nicht nur das bekämpfte Verfallserkenntnis, sondern der (vom inneren Sachzusammenhang gekennzeichnete) Strafausspruch insgesamt einer effizienten Kontrolle der Gesetzmäßigkeit der einzelnen Bemessungsvorgänge entzogen und damit zum Nachteil des Angeklagten mit dem gemäß § 290 Abs 1 StPO (auch) amtswegig aufzugreifenden Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 StPO behaftet ist. Dies gilt insbesondere auch für den (einer Darlegung des zugrunde liegenden Berechnungsvorganges entbehrenden) Ausspruch der "anteiligen" Wertersatzstrafe gemäß § 19 FinStrG.

Zu den im zweiten Rechtsgang neu zu prüfenden Verfallsvoraussetzungen nach § 17 Abs 2 Z 4 FinStrG ist der Vollständigkeit halber festzuhalten, daß der Motorraum (wie auch die Türverkleidung - S. 16) eines Personenkraftwagens zu jenen Stellen zählt , die für die Verwahrung von Transportgut üblicherweise nicht bestimmt sind.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5 a StPO stützt, war sie aus den dargelegten Erwägungen als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO). Im übrigen zeigte sich jedoch, daß das angefochtene Urteil nicht nur hinsichtlich des Verfallserkenntnisses gemäß den §§ 17 Abs 2 lit c Z 4, 38 Abs 1 FinStrG, sondern darüber hinaus mit den gesamten Strafausspruch erfassenden grundlegenden Feststellungsmängeln behaftet ist, weshalb in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils auch gemäß § 290 Abs 1 StPO der dem Gesetz nicht entsprechend fundierte Strafausspruch insgesamt aufzuheben und, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hatte, insoweit eine partielle Verfahrenserneuerung anzuordnen war.

Mit seiner hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte