OGH 9ObA79/93

OGH9ObA79/9328.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayer und Franz Niemitz in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** P*****, Schlosser, ***** vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Karl Claus, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen 111.799,09 S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Jänner 1993, GZ 32 Ra 139/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. September 1992, GZ 17 Cga 25/92-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.131,60 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war im Unternehmen der Beklagten vom 16.8.1986 bis 14.8.1991 als Schlosser beschäftigt. Am 14.8.1991 erhielt der Kläger den Auftrag, einen Pflug umzubauen, da dieser für eine Verkaufsausstellung am Freitag, dem 16.8.1991 (- Donnerstag, der 15.8. war Feiertag -) benötigt wurde. Zur Fertigstellung dieser dringenden Terminarbeit wäre über die Normalarbeitszeit bis 16 Uhr hinaus etwa eine Überstunde erforderlich gewesen. Als sich der Vertreter des Geschäftsführers, der zugleich Betriebsleiter ist, um etwa 15 Uhr 30 nach dem Stand der Arbeit erkundigte, erklärte der Kläger, den Pflug nicht fertigstellen zu können, da er nicht bereit sei, eine Überstunde zu leisten. Der Betriebsleiter erwiderte darauf, daß seinen Anordnungen unbedingt Folge zu leisten sei. Auf diese strikte Anordnung antwortete der Kläger, daß der Betriebsleiter "kein Chef, sondern ein Armleuchter und Rotzbub" sei. In diese Auseinandersetzung mischte sich auch ein Arbeitskollege des Klägers ein, der erklärte, daß der Betriebsleiter auch von ihm hören könne, daß er ein "Armleuchter" und ein "Rotzbub" sei. Der Betriebsleiter sprach daraufhin die Enlassung beider Arbeiter aus, verließ die Halle und begab sich ins Büro. Der Kläger folgte ihm und wiederholte im Büro vor den Angestellten neuerlich die Beschimpfung.

Der Kläger begehrt die Zahlung von 111.799,09 S an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Abfertigung. Er sei zu Unrecht entlassen worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Entlassung sei zu Recht erfolgt, weil der Entlassungsgrund des § 82 lit g GewO 1859 erfüllt sei.

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers ab. Die Beschimpfung des Betriebsleiters durch den Kläger rechtfertige die Entlassung. Wenn der Kläger aus privaten Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, Überstunden zu leisten, wäre es an ihm gelegen, dies dem Betriebsleiter in gehöriger Form mitzuteilen. Die vom Kläger auch vor anderen Dienstnehmern ausgesprochenen Beleidigungen ließen eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit zwischen den Parteien unwahrscheinlich erscheinen. Für den Arbeitgeber müsse unter diesen Umständen die objektiv gerechtfertigte Befürchtung bestehen, daß seine Interessen und Belange durch den Kläger gefährdet seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es erachtete die gegen die Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen vorgebrachten Ausführungen nicht für berechtigt, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und trat dessen rechtlicher Beurteilung im wesentlichen bei. Die vom Kläger verwendeten Ausdrücke seien grobe Schimpfworte. Eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger sei der Beklagten nicht zumutbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidug dahin abzuändern, daß seiner Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund des § 503 Z 3 ZPO liegt nur vor, wenn Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, also auf einem bei der Darstellung der Beweisergebnisse unterlaufenen Irrtum beruhren. Eine Aktenwidrigkeit liegt sohin nur bei einem Widerspruch zwischen den Prozeßakten und tatsächlichen Urteilsvoraussetzungen vor, sofern dieser Widerspruch wesentlich und aus den Akten ersichtlich und behebbar ist (SSV-NF 5/33 uva).

Hier hat sich das Berufungsgericht mit der Beweisrüge des Klägers auseinandergesetzt, hat sie unter Berücksichtigung der Beweisergebnisse nicht für berechtigt erachtet und ausdrücklich ausgesprochen, daß es den erstgerichtlichen Feststellungen beitrete. Daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang vom Akteninhalt abgewichen wäre, wird auch in der Revision nicht behauptet. Wohl stellte das Berufungsgericht im Rahmen der Beweisrüge verschiedene Erwägungen an, die Umstände betreffen, die über die Feststellungen des Erstgerichtes hinausgehen. Dem kommt jedoch keine Bedeutung zu, zumal es nicht entscheidungswesentlich ist, wann dem Kläger die Arbeit aufgetragen wurde und ob es ihm bei entsprechendem Einsatz möglich gewesen wäre, die Arbeit noch vor 16 Uhr zu beenden. Es erübrigt sich daher, auf die Ausführungen zum Revisiongrund der Aktenwidrigkeit, die nur diese Erwägungen des Berufungsgerichtes bekämpfen, einzugehen.

Auch die Rechtsrüge ist nicht berechtigt.

Wohl kann es an der - eine Voraussetzung für eine gerechtfertigte Entlassung bildenden - Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber dann fehlen, wenn eine grobe Ehrenbeleidigung im Sinne des § 82 lit g 1.Tatbestand GewO 1859 nur infolge gerechtfertigter Entrüstung des betreffenden Arbeitnehmers über ein unmittelbar vorausgegangenes Verhalten des Beleidigten in einer den Umständen nach entschuldbaren oder wenigstens verständlichen Weise erfolgt (4 Ob 79/84).

Ein solcher Fall liegt aber hier nicht vor. Der Kläger hat den Betriebsleiter der Beklagten grob und in herabwürdigender Weise beschimpft. Selbst wenn dem Kläger die Arbeit so knapp vor Arbeitsschluß aufgetragen wurde, daß sie in der regulären Arbeitszeit nicht mehr beendet werden konnte und der Betriebsleiter die Fertigstellung in barscher Form urgierte - dafür, daß er in diesem Zusammenhang Beschimpfungen oder Beleidigungen geäußert hätte, besteht kein Anhaltspunkt - könnte keine Rede davon sein, daß der Kläger in einer Weise provoziert worden wäre, die ein derart ausfälliges Verhalten entschuldigen könnte. Wie sehr die unqualifizierten Beschimpfungen durch den Kläger unter den gegebenen Umständen geeignet waren, den Betriebsleiter herabzusetzen und seine Autorität zu untergraben, zeigt die Tatsache, daß sich unmittelbar darauf ein Mitbediensteter des Klägers, der die Auseinandersetzung mitverfolgt hatte, dazu hinreißen ließ, den Betriebsleiter ebenfalls zu beschimpfen, obwohl er von der Sache nicht betroffen war.

Unter diesen Umständen war der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht mehr zumutbar. Diese Frage wäre auch dann nicht anders zu beurteilen, wenn der Kläger ausgezeichnete Arbeitsleistungen erbracht hätte und sich bis dahin ähnliche Vorfälle nicht hätte zuschulden kommen lassen, so daß es dazu keiner Feststellungen bedurfte. Die Entlassung ist daher zu Recht erfolgt, so daß dem Begehren des Klägers keine Berechtigung zukommt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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