Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde der am 8.Juni 1949 geborene Juan Carlos C*****, geb. B*****, der Verbrechen der Freiheitsentziehung nach dem § 99 Abs. 1 und Abs. 2, 2.Deliktsfall, StGB (Punkt I des Urteilssatzes) der Vergewaltigung nach dem § 201 Abs. 1 und Abs. 3, 2.Deliktsfall, StGB (Punkt II), des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143,
2. Deliktsfall, StGB (Punkt III), des Diebstahles nach den §§ 127, 129
Z 1 StGB (Punkt V), der schweren Nötigung nach den §§ 105 Abs. 1 und 106 Abs. 1 Z 1 und 2 StGB (Punkt VI) und des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB (Punkt IV) schuldig erkannt.
Darnach hat er
(zu I) in der Zeit vom 7.August bis 9.August 1989 in Gratkorn und anderen Orten Österreichs Ina P***** auf solche Weise, daß sie der Festgehaltenen besondere Qualen bereitete (Körperverletzung durch Stich mit einem Messer, mehrmalige Vergewaltigungen, Raub an ihr) die persönliche Freiheit entzogen;
(zu II) in der Zeit vom 7.August bis 9.August 1989 in verschiedenen Orten Kärntens Ina P***** durch gegen sie gerichtete Drohungen mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib und Leben, zur Duldung des Beischlafes in vier Angriffen und zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich eines Analverkehrs, genötigt, wobei die vergewaltigte Person durch die Taten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde;
(zu III) in der Zeit vom 7.August bis 9.August 1989 in verschiedenen Orten der Steiermark und Kärntens durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines langen Küchenmessers, Ina P***** fremde bewegliche Sachen, nämlich ca. 350 S Bargeld, eine Damenuhr, eine Blue Jeans und eine Autokarte, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern;
(zu IV) am 7.August 1989 auf der Autobahn zwischen Graz und der steirisch-kärntnerischen Grenze Ina P***** durch Versetzen eines Stiches mittels eines Messers in den rechten Oberschenkel am Körper verletzt;
(zu V) nachgenannte fremde bewegliche Sachen nachangeführten Personen durch Einbruch in Gebäude und Transportmittel mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
1) am 2.August 1989 in Graz dem Werner de G***** einen Seesack, einen Schlafsack, einen Salzstreuer, ein Feuerzeug sowie ein Brotmesser durch Einbruch in dessen Wochenendhaus und PKW,
2) vor dem 6.August 1989 in Graz der Erika G***** durch Einbruch in ihr Blockhaus einen Kassettenrecorder, zwei Küchenmesser, einen Spiegel, mehrere Packungen Zigaretten,
3) am 10.August 1989 in Klagenfurt dem Franz R***** ca. 2.500 S Bargeld, einen Pullover, ein Paar Socken, eine Unterhose, ein Unterleibchen, eine blaue Trainingshose, ein T-Shirt, einen Bademantel, eine Brieftasche, eine Brille, einen Kugelschreiber, eine Badetasche, ein Fahrrad, Zigaretten, Eß- und Trinkwaren unbekannten Wertes durch Einbruch in sein Wohnhaus,
4) am 12.August 1989 in Klagenfurt der Christa P***** durch Einbruch in deren Haus eine Jacke sowie Eßwaren unbekannten Wertes,
5) am 12.August 1989 in St.Johann in Kärnten einem unbekannten Geschädigten durch Eindringen in ein Gasthaus mehrere Packungen Fruchtsaft, eine Blue Jeans und einen Pullover,
wobei der Wert der meisten Gegenstände unbekannt ist und der Gesamtwert des gestohlenen Gutes 25.000 S nicht übersteigt,
(zu VI) in der Zeit vom 7.August bis 9.August 1989 in Gratkorn und anderen Orten Österreichs die Ina P*****, indem er sie unter Todesdrohungen mit einem Messer und unter Hinweis auf seine Gefährlichkeit aufforderte, ihn mit ihrem PKW nach Kärnten zu bringen und für ihn einkaufen zu gehen, mithin durch Drohungen mit dem Tod, zu den sich aus dem Wortlaut seiner Aufforderungen ergebenden Handlungen genötigt, wobei er Ina P***** durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzte.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, 6, 10 a und 13 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Nichtigkeitsgrund der Z 12 wurde zwar eingangs der Nichtigkeitsbeschwerde erwähnt, in der Folge aber nicht ausgeführt.
Zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 4 StPO:
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, daß "jene Beamten, die in der Hauptverhandlung vernommen wurden", von ihrer Verschwiegenheitspflicht durch ihre Vorgesetzten nicht entbunden worden sind (§ 151 Z 2 StPO). Den Aussagen der Gendarmeriebeamten Werner R***** (III S 102 f), Sieghard L***** (III S 103 f), Alfred A***** (III S 107 f), Robert F***** (III S 110 f) und Max E***** (III S 112 f) ist jedoch zu entnehmen, daß sich diese Zeugen nur auf ihre dienstlichen Wahrnehmungen bezogen haben. Damit ist ihre Aussage vor Gericht nichts anderes als die Erfüllung der ihnen von Dienstes wegen auferlegten Pflicht, sodaß dadurch das Amtsgeheimnis nicht verletzt werden konnte (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 151 ENr. 15 f).
Der weitere Einwand, die Frist des § 221 StPO sei nicht eingehalten worden, weil die Ladung zu der bereits für den 28.Juni 1991 anberaumten Hauptverhandlung erst am 20.Juni 1991 zugestellt wurde, ist schon deshalb nicht zielführend, weil der Angeklagte zu Beginn der Hauptverhandlung nach eingehender Belehrung auf diese achttägige Vorbereitungsfrist verzichtet hat (III S 65). Im übrigen wurde ihm auch auf seinen Wunsch in der Hauptverhandlung Gelegenheit gegeben, mit seinem Verteidiger Rücksprache zu halten (vgl. Hauptverhandlungsprotokoll vom 28.Juni 1991, III S 122/123). Damit ist unzweifelhaft erkennbar, daß die Verkürzung der Vorbereitungsfrist keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs. 3 StPO).
Der Beschwerdeführer hat in der Hauptverhandlung auch nicht behauptet, verhandlungsunfähig zu sein. Er gab vielmehr an, sich - wenn auch eingeschränkt - verhandlungsfähig zu fühlen (vgl. HV-Prot. S 66). Im Hinblick auf die von ihm behauptete Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes wurde er von dem im Gerichtssaal anwesenden Sachverständigen Dr.Albert Leonhard untersucht, der nur eine geringfügige, unbedeutende Schwellung des Halslymphknotens feststellte. Gegen dieses Untersuchungsergebnis wurden keine Einwendungen erhoben. Das Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde, der Angeklagte habe die volle Bedeutung seiner Verzichtserklärung nicht erfassen können, widerspricht der Aktenlage und ist somit unbegründet.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen kam es auch zu einer Vernehmung iS des § 220 Abs. 1 StPO (vgl. II ON 20).
Zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 5 StPO:
Einen Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung hat der Angeklagte nicht gestellt (vgl. den Beschluß des Erstgerichtes vom 30.Dezember 1992, III ON 95), sodaß die formellen Voraussetzungen zur Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes nicht vorliegen (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 281 Z 4 ENr. 1).
In der Hauptverhandlung (vgl. III/S 106) hat der Verteidiger des Angeklagten beantragt, "zum Beweise über den psychischen und physischen Zustand des Angeklagten zum Zeitpunkt des Ausbruchsversuches, während der Flucht und während der Zeit der ersten Einvernahme durch die Polizei Graz Aufnahme von Befund und Gutachten eines Sachverständigen aus dem Gebiet der Medizin auf Grund der Krankengeschichte, auf Grund der übereinstimmenden Aussagen des Angeklagten und der Zeugin Ina P***** über das mangelnde Schlafdefizit, über den Nachtmarsch und die mangelnde Verpflegung".
Dieser Antrag wurde vom Erstgericht abgewiesen (III S 123).
In der Nichtigkeitsbeschwerde wird darauf abgestellt, durch diesen Beweisantrag hätte der Nachweis erbracht werden können, "daß der Angeklagte psychisch schwach war und eine gewisse Müdigkeit vorhanden gewesen sein konnte" und daß er deshalb aus der Strafvollzugsanstalt geflohen sei, "weil die anstaltsärztliche Behandlung nicht ausreichte". Eine solche Zielsetzung der begehrten Beweisaufnahmen findet aber in der Formulierung des Beweisantrages keine Deckung (SSt. 41/71) .
Weitere Beweisaufnahmen wurden in der Hauptverhandlung nicht beantragt (vgl. III S 121 und 123), sodaß die formellen Voraussetzungen zur Geltendmachung der Nichterledigung der schriftlich gestellten Beweisanträge als Nichtigkeitsgrund fehlen.
Keinen Verfahrensmangel im Sinne der Z 4 des § 281 Abs. 1 StPO zeigt der Angeklagte auf, wenn er sich dagegen wendet, daß seinem Einspruch gegen die Anklageschrift vom Oberlandesgericht Graz nicht Folge gegeben worden ist.
Wenn der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund weiters rügt, daß die Zeugin Ina P***** während der Hauptverhandlung zur Sache überhaupt nicht vernommen worden sei, übersieht er, daß nach dem Inhalt des Protokolls (vgl. S 100 ff) der genannten Zeugin ihre Angaben vor der Gendarmerie sowie vor dem Untersuchungsrichter vorgehalten worden sind, sie diese Angaben aufrechterhalten hat und daß nach dem § 271 Abs. 3 StPO über die Protokollführung der Aussagen der Zeugen nur dann Erwähnung geschieht, wenn diese Abweichungen, Veränderungen oder Zusätze gegenüber den in den Akten niedergelegten Angaben enthalten. Im übrigen wurde auch dem Angeklagten Gelegenheit gegeben, zu dieser Aussage Stellung zu nehmen (vgl. III S 101 f).
Zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 6 StPO:
Die Beschwerde behauptet, die Hauptfrage I nach dem § 99 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Deliktsfall, StGB sei nicht ausreichend konkretisiert worden, weil aus dieser nicht hervorgehe, in welcher Weise der Beschwerdeführer der Ina P***** die Freiheit entzogen habe. "Bei entsprechender Ergänzung der Frage wäre den Geschworenen bewußt geworden, daß Ina P***** zwar unter Druck stand, diese psychische Belastung aber nicht ... jenen Grad erreichte, der als besonders qualvoll qualifiziert werden" könne.
Die Rüge entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Der Nachweis der Verletzung einer Vorschrift über die Fragestellung (§§ 312 bis 317 StPO) und damit die gesetzmäßige Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes setzt einen Vergleich des den Geschworenen tatsächlich vorgelegten Fragenschemas mit dem vom Beschwerdeführer für richtig gehaltenen voraus (12 Os 99/84, 10 Os 45/78). Die Beschwerde remonstriert im Ergebnis nur gegen den Wortlaut der gesetzmäßig (gemäß dem Anklagevorwurf) gestellten Hauptfrage, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, einen Fehler in der Fragestellung darzutun. Sie bekämpft mit den oben wiedergegebenen Ausführungen lediglich die vom Erstgericht "zur deutlichen Bezeichnung der Tat" (§ 312 Abs. 1 StPO) - über die Angabe der gesetzlichen Deliktsmerkmale hinaus - angeführten konkreten Tatumstände, durch welche die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat nach ihrer Begehungsart individualisiert wurde.
Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund auch eine sogenannte uneigentliche Zusatzfrage vermißt, durch die geklärt hätte werden sollen, ob er sich in Panik befunden habe und damit im Hinblick auf seine psychischen Zustände seine Hemmschwelle herabgesetzt gewesen sei, bringt er damit der Sache nach bloß Umstände vor, die im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, während Gegenstand einer solchen uneigentlichen Zusatzfrage nur Tatelemente sein können, welche - bei ihrem Vorliegen - die Anwendung eines anderen Strafgesetzes bedingen würden (vgl. Mayerhofer-Rieder § 316 ENr. 1).
Als unbegründet erweist sich auch die Rüge des Beschwerdeführers zum
Nichtigkeitsgrund der Z 10 a des § 345 Abs. 1 StPO.
Die Beschwerde vermag weder unter Außerachtlassung der Verpflichtung des Gerichtes zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustande gekommene Mängel der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch an Hand der Akten Verfahrensergebnisse darzutun, die nach den Denkgesetzen oder nach der allgemeinen Lebenserfahrung schwerwiegende Zweifel in der Bedeutung erheblicher Bedenken an der Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidungswesentlichen Tatsachen aufkommen lassen. Unter dem
Nichtigkeitsgrund der Z 13 des § 345 Abs. 1 StPO
macht der Angeklagte geltend, daß das Erstgericht bei der Strafbemessung zu Unrecht die Bestimmung des § 39 StGB angewendet habe. Auch dieses Vorbringen ist sachlich nur als Berufungsausführung zu werten, weil die Anwendung (oder Nichtanwendung) des § 39 StGB allein mit Berufung zu bekämpfen und das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde in diesem Zusammenhang nur bei der - hier nicht behaupteten - Überschreitung der durch diese Bestimmung ermöglichten Strafschärfung zulässig ist (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 281 Z 11, ENr. 27).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet nach den §§ 344, 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß den §§ 344, 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.
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