OGH 14Os49/93

OGH14Os49/9327.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 27.April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Zawilinski als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas K***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreis-(nunmehr Landes-)gericht Wiener Neustadt vom 16.Dezember 1992, GZ 12 b Vr 31/92-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Häusler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Thomas K***** der Verbrechen (I.) des Mordes nach § 75 StGB und (II.) des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 4.Jänner 1992 in Baden

(zu I.) Auguste H***** dadurch vorsätzlich getötet, daß er ihr zahlreiche Schläge mit einer Hacke gegen den Kopf versetzte;

(zu II.) durch die zu Punkt I geschilderte Tat, somit mit Gewalt gegen eine Person und unter Verwendung einer Waffe, der Auguste H***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich 1.700 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Die Geschwornen hatten die anklagekonform auf die beiden Verbrechen lautenden Hauptfragen stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage nach zur Tatzeit allenfalls gegebener Zurechnungsunfähigkeit (ebenso) stimmeneinhellig verneint. Die außerdem gestellte Eventualfrage (nach Diebstahl) blieb folgerichtig unbeantwortet.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Unter Geltendmachung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes (Z 4) rügt er die Unterlassung der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neuro-Psychiatrie, wobei er eine Verletzung der Vorschrift des § 439 Abs. 1 StPO behauptet, welche (ua) die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs. 2 StGB von der Beiziehung zumindest eines Sachverständigen abhängig macht. Hiebei übersieht er, daß die Regeln der §§ 118 Abs. 2 und 134 Abs. 1 StPO, wonach zwei Sachverständige nur ausnahmsweise beizuziehen sind, auch im Einweisungsverfahren uneingeschränkt gelten (siehe Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 429 ENr. 4, § 439 ENr. 3). Demnach ist ein zweiter Sachverständiger im Strafverfahren nur bei besonderer Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung oder bei Mangelhaftigkeit des bereits vorliegenden Gutachtens beizuziehen (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 118 ENr. 66, § 134 ENr. 52). Als schwierig in der Bedeutung des § 118 Abs. 2 StPO kann die Beobachtung oder Begutachtung aber in der Regel nur dann angesehen werden, wenn der Sachverständige die ihm vom Gericht vorgelegten Sachfragen entweder gar nicht oder doch nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermag, und sich die Möglichkeit einer Beantwortung durch andere Gutachter nicht von vornherein ausschließen läßt (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 118 ENr. 68). Der dem Verfahren beigezogene psychiatrische Sachverständige Univ.Doz.Dr.Prosenz hat jedoch die für die Beurteilung des Geistes- und Gemütszustandes des Angeklagten maßgeblichen Tatsachen sowohl einzeln als auch im Zusammenhang geprüft, keine Anhaltspunkte dafür gefunden, daß der Angeklagte zur Tatzeit den Gebrauch seiner Vernunft nicht besessen oder an einer Geistesstörung gelitten hätte und daher die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten (aus medizinischer Sicht) für gegeben erachtet (S 95/I, S 93/II). Für eine besondere Schwierigkeit der Beobachtung oder Begutachtung war im gegebenen Fall kein Anhaltspunkt vorhanden; eine Mangelhaftigkeit des Gutachtens wurde vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Es lag somit kein Anlaß für die Beiziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen vor. Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß die Nichterledigung des vor der Hauptverhandlung eingebrachten, auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gerichteten Beweisantrages des Angeklagten auch keine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 5 StPO zu begründen vermag, weil der Beschwerdeführer diesen Beweisantrag in der Hauptverhandlung nicht wiederholte (Mayerhofer-Rieder, aaO, § 281 Z 4 ENr. 1, § 345 Z 5 ENr. 29).

Es versagt aber auch die Instruktionsrüge (Z 8), mit welcher der Beschwerdeführer die Unvollständigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung zur inneren Tatseite des Raubes geltend macht. Der Vorsitzende hat nämlich in dieser Rechtsbelehrung den Tatbestand des Raubes in gesonderten Ausführungen zur äußeren und zur inneren Tatseite ohnedies rechtsrichtig erklärt, wobei er auch darlegte, daß letztere einen Bereicherungsvorsatz erfordert. Damit hat er klargestellt, daß dieser für den Tatbestand des Raubes begriffsessentiell ist, sodaß es einer (vom Beschwerdeführer vermißten) gesonderten Belehrung, daß der Bereicherungsvorsatz zum Zeitpunkt der Setzung der Tathandlung vorgelegen sein muß, nicht bedurfte.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 75 StGB zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe. Überdies wurde gemäß § 21 Abs. 2 StGB seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht das Zusammentreffen zweier Verbrechen sowie die heimtückische und grausame Art der Begehung des Mordes als erschwerend, hingegen das teilweise Geständnis und den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte "eine schuldangemessene zeitliche Freiheitsstrafe" (ersichtlich gemeint deren Herabsetzung) an; die Anordnung der Anstaltsunterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB blieb unbekämpft.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Mit dem Hinweis auf das (bloß) "teilweise Geständnis" trug das Geschwornengericht dem Umstand Rechnung, daß der Angeklagte sein im Vorverfahren abgelegtes umfassendes Geständnis (vgl. S 19, 25, 37, 59 ff/I) in der Hauptverhandlung auf die Mordtat eingeschränkt hat (S 17 f, 52 f/II). Entgegen dem Berufungsvorbringen kann neben einem derartigen Geständnis der Beitrag zur Wahrheitsfindung nicht nochmals gesondert als mildernd zugute gehalten werden. Das besondere Umfeld der Tat, insbesondere die vom Angeklagten ins Treffen geführte völlige Ausweglosigkeit seiner Situation stellt keinen Milderungsgrund dar, weil nach dem Gutachten des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen beim Berufungswerber "tataktuell keine psychogen wirksame Drucksituation oder irgendeine Einengung" vorhanden war, die zu einer psychogenen Bewußtseinsstörung hätte führen müssen (S 93/II). Bei der in der Berufung erwähnten Diskrepanz zwischen den hier aktuellen Straftaten und dem bisherigen Lebenwandel des Angeklagten handelt es sich gleichfalls um keinen besonderen Milderungsgrund, sondern um die Bedingung, unter der dem Rechtsbrecher ein bisher ordentlicher Lebenwandel uneingeschränkt als Milderungsgrund zugute gehalten werden kann (14 Os 53/91).

Die nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr.Prosenz beim Angeklagten gegebene tiefgreifende Persönlichkeitsstörung mit großen Defekten im emotionellen und moralischen Bereich (vgl. ON 13, 16 in Bd. I, ON 27 und S 89 in Bd. II) blieb dem Berufungsvorbringen zuwider bei der Strafbemessung keineswegs unberücksichtigt (vgl. US 4). Der Unrechtsgehalt der dem Angeklagten zur Last liegenden Straftaten ist überaus groß und indiziert einen relativ hohen Verschuldensgrad. Gerade wegen der psychischen Abartigkeit des Angeklagten erkannte jedoch das Geschwornengericht (bloß) auf eine zeitliche Freiheitsstrafe. Dafür ordnete es im Hinblick auf die durch eine schwere Persönlichkeitsstörung verminderte Zurechnungsfähigkeit - aus der sich jedoch gleichzeitig auch eine erhöhte Gefährlichkeit des Angeklagten ergibt - anstelle des dem verminderten Verschulden entsprechend reduzierten Strafmaßes insoweit supplierend die vorbeugende Maßnahme nach § 21 Abs. 2 StGB an.

Zusammenfassend erweist sich sohin auf der Basis der vom Geschwornengericht im wesentlichen vollständig angeführten und auch zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründe die - bei einem Strafrahmen bis zu lebenslanger Freiheitsstrafe - ausgemessene zeitliche Freiheitsstrafe (von zwanzig Jahren) als nicht überhöht. Dem Strafherabsetzungsbegehren war demnach ein Erfolg zu versagen.

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