OGH 10ObS73/93

OGH10ObS73/9327.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Fritz Stejskal (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Ingrid Schwarzinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Herbert G*****, vertreten durch Dr.Friedrich Oedl und Dr.Rudolf Forstenlechner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ersatzes der Unfallheilbehandlungskosten von 90.356,62 S infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Jänner 1993, GZ 13 Rs 99/92-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 30.Juli 1992, GZ 19 Cgs 97/91-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 18.9.1991 lehnte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß des Ereignisses, von dem er nach seiner Angabe am 29.11.1990 betroffen wurde, nach § 175 ASVG ab, weil kein unter Versicherungsschutz stehender Arbeitsunfall vorliege.

Die dagegen erhobene Klage richtet sich auf Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung der Spitalskosten von 11.019,10 sfr zum entsprechenden Wechselkurs in öS "infolge des Arbeitsunfalles vom 29.11.1990 sowie aller weiteren mit diesem Vorfall verbundenen Aufwendungen im Umfang des gegebenen Versicherungsschutzes" und stützt sich auf folgendes Vorbringen:

Der damals bei einem österreichischen Gütertransportunternehmen als Kraftfahrer beschäftigte Kläger habe sich mit einem LKW-Zug auf einer Fernfahrt von der Schweiz nach Salzburg befunden. Wegen des für Tirol geltenden Nachtfahrverbotes habe er die Fahrt in einer Vorarlberger Autobahn-Raststätte unterbrechen und dort übernachten müssen, wofür ihm ua ein pauschalierter Aufwandsersatz geleistet werde. Während dieser Fahrtunterbrechung habe er ein "Cordon Bleu" verzehrt und seither in verschiedenen Zeitperioden Stiche in der Magengegend verspürt. Er habe die Fahrt am nächsten Tag fortgesetzt. Am 29.11.1990 sei er während einer Fernfahrt in Bern während des Abladens bewußtlos zusammengebrochen und in das Bezirksspital in Sumiswald eingeliefert worden. Bei der sofort durchgeführten Operation habe sich eine Perforation im Bereich des Darmes infolge eines verschluckten Zahnstochers ergeben. Nach Entfernung dieses Fremdkörpers sei die weitere Behandlung im wesentlichen komplikationslos verlaufen. Die Spitalskosten von 11.019,10 sfr seien zunächst von seinem damaligen Arbeitgeber bezahlt worden, der aber ein Regreßverfahren beabsichtige, für das der Kläger eine Verjährungsverzichtserklärung habe abgehen müssen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Sie wendete ein, daß das angebliche Verschlucken eines Zahnstochers beim Verzehren eines Cordon bleu während einer "Essenspause" kein Arbeitsunfall sei. Weil die aufgelaufenen Krankenhauskosten bereits vom Dienstgeber beglichen wurden, seien dem Kläger wegen des Krankenhausaufenthaltes keine Kosten erwachsen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen fest, daß der Kläger, der damals bei einem oö Gütertransportunternehmen beschäftigt war und sich mit einem LKW-Zug auf einer Fernfahrt von der Schweiz nach Salzburg befand, diese Fahrt am 23.11.1990 wegen des in Tirol verordneten Nachtfahrverbotes in Voralberg unterbrechen mußte und in einer Autobahnraststätte übernachtete. Während dieser Fahrtunterbrechung verzehrte er ein Cordon bleu. Am 27.11.1990 verspürte er erstmals Magenbeschwerden, wollte deshalb zum Arzt gehen und ersuchte seinen Arbeitgeber telefonisch, einen Krankenschein bereitzustellen, der aber am 28.11.1990 noch nicht bereit lag. Der Kläger verschob daher den beabsichtigten Arztbesuch und brach noch am selben Tag zu einer Dienstfahrt in die Schweiz auf. Als er sich am 29.11.1990 in Bern befand, wurde ihm plötzlich schwarz vor den Augen und er brach zusammen. Auf Anweisung eines unverzüglich beigezogenen Arztes wurde er in das Bezirksspital in Sumiswald eingeliefert und sofort operiert. Dabei ergab sich eine Perforation im Bereich des Darmes infolge eines verschluckten Zahnstochers. Nach dessen Entfernung verlief die weitere Behandlung im wesentlichen komplikationslos. Die Kosten des stationären Krankenhausaufenthaltes bzw der Behandlung von 11.019,10 sfr trug der damalige Arbeitgeber des Klägers. Ein Regreßverfahren wurde noch nicht durchgeführt. Daß der Kläger den operativ entfernten Zahnstocher während seines Aufenthaltes in der Vorarlberger Autobahnraststätte und des Verzehrens des Cordon bleu (am 23.11.1990) verschluckte, konnte vom Erstgericht nicht festgestellt werden.

Daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesem Ereignis und der die Versicherung begründenden Beschäftigung nicht bewiesen sei, wirke sich gegen den Kläger aus, der diesbezüglich die Beweislast zu tragen habe.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung wegen Verfahrensmängeln sowie unrichtiger Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung, wobei er inhaltlich auch eine Rechtsrüge ausführte.

In der mündlichen Berufungsverhandlung stellte der Kläger klar, daß das Klagebegehren kein Feststellungsbegehren (für künftige Aufwendungen) enthalte. Er habe unter "Aufwendungen" die ihm entstandenen Rücktransportkosten aus der Schweiz nach Österreich von 2.000 S verstanden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

Es verneinte die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und erachtete die begehrte Feststellung, daß zwischen dem Krankenhausaufenthalt in der Schweiz und dem Verzehr des Cordon bleu während des Raststättenaufenthaltes am 23.11.1990 ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, für nicht entscheidungswesentlich, so daß auch eine allfällige unrichtige Beweiswürdigung unerheblich wäre. Das Berufungsgericht vertrat nämlich die Rechtsansicht, auch im Falle des Beweises eines solchen Zusammenhanges wäre § 175 Abs 2 Z 7 ASVG nicht anzuwenden, weil die Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht während der Arbeitszeit oder einer Arbeitspause, sondern nach der Arbeitszeit während der Ruhezeit erfolgt wäre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit den Anträgen, es wegen des zwar nicht benannten, aber ausgeführten Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder allenfalls ebenso wie das erstgerichtliche Urteil aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das nach § 46 Abs 1 Z 2 ASGG zulässige Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Seit der Änderung des § 175 Abs 2 Z 7 ASVG durch Art III Z 1 der 34. ASVGNov BGBl 1979/530 sind nicht nur Unfälle, die sich auf einem Weg von der und zurück zur Arbeits- oder Ausbildungsstätte ereignen, den der Versicherte zurücklegt, um während der Arbeitszeit, einschließlich der in der Arbeitszeit liegenden ... Arbeitspausen, in der Nähe der Arbeits- oder Ausbildungsstätte oder in seiner Wohnung lebenswichtige persönliche Bedürfnisse zu befriedigen, auch Arbeitsunfälle, sondern auch Unfälle bei dieser Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse, sofern sie in der Nähe der Arbeits- oder Ausbildungsstätte, jedoch außerhalb der Wohnung des Versicherten erfolgt.

Aus der RV zur genannten Nov 92 BlgNR 15.GP, 17 geht hervor, daß diese Änderung durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als damals letzter Instanz in Leistungsstreitsachen vom 7.3.1979 35 R 29/79 (SSV 19/28) veranlaßt wurde. Der damalige Versicherte wurde während des Mittagessens in einem Buffet, in dem nach einer Vereinbarung mit seinem Dienstgeber an dessen Dienstnehmer ein verbilligtes Mittagsmahl verabreicht wurde, durch die Explosion einer Handgranate getötet. Das Oberlandesgericht Wien sprach damals aus, daß für alle lebenswichtigen Verrichtungen grundsätzlich kein Unfallversicherungsschutz bestehe, daher auch nicht für die Einnahme von Mahlzeiten, die eine typische Tätigkeit im eigenen Interesse sei und eine auf ein betriebsfremdes Ziel gerichtete Unterbrechung der Betriebsarbeit mit sich bringe. Daran ändere auch nichts, daß die Mahlzeit auf Grund einer Vereinbarung zwischen dem Dienstgeber und dem Kantinenwirt verbilligt abgegeben wurde. Durch die Novellierung sollte der Versicherungsschutz auch auf die Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse als solche (also zB die Einnahme der Mahlzeit selbst) erweitert werden. Davon sollten nur Unfälle im eigenen häuslichen Bereich ausgeschlossen sein, weil dies den immanenten Grenzen einer berufs- bzw betriebsbezogenen Unfallverischerung widersprechen würde.

In SSV-NF 2/89 wurde das Schneiden der Kopfhaare eines Oberkellners dem eigenwirtschaftlichen Bereich zugerechnet, der ebenso wie der Weg zum Friseur nicht unter Unfallversicherungsschtz stehe. Der erkennende Senat grenzte von den in räumlichem, zeitlichem und ursächlichem Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit stehenden Tätigkeiten die dem privaten Bereich zuzuordnenden sogenannten eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten ab, bei denen kein Versicherungsschutz bestehe. Dazu gehörten vor allem die notwendigen und selbstverständlichen Dinge, denen jeder Mensch völlig unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen pflege. Diese Verrichtungen des täglichen Lebens blieben auch dann eigenwirtschaftliche Tätigkeiten und würden nicht Bestandteil der unter Versicherungsschutz stehenden Arbeit, wenn sie zugleich für die Erfüllung von Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis vielfach sogar unentbehrlich seien. Das Schneiden der Kopfhaare zähle im europäischen Kulturkreis zu den regelmäßigen Körperpflegehandlungen jedes Mannes, und zwar unabhängig von einer Berufstätigkeit.

In der Entscheidung SSV-NF 2/76, die einen Unfall betrifft, auf den § 175 Abs 2 Z 7 ASVG noch nicht anzuwenden war, führte der erkennende Senat aus, Essen und Trinken stellten zwar grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz stehende eigenwirtschaftliche Tätigkeiten dar. Kämen aber besondere, wesentlich durch die betriebliche Tätigkeit bedingte Umstände hinzu, werde der Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit noch nicht unterbrochen, denn die gesetzliche Unfallversicherung erstrecke sich auf alle Gefahren, denen der Versicherte infolge seiner Betriebstätigkeit ausgesetzt sei. Werde das schädigende Ereignis wesentlich durch die Zugehörigkeit zum Betrieb mitbedingt, hätten also betriebliche Einrichtungen bei der Entstehung des Unfalls wesentlich mitgewirkt und sei der Unfall daher wesentlich durch die Umstände an der Arbeitsstätte oder die Arbeitstätigkeit selbst verursacht worden, etwa weil diese unter erhöhtem Gefahrenrisiko durchgeführt worden sei und dieses erhöhte Risiko auch tatsächlich zum Unfall geführt habe, liege ein Arbeitsunfall vor. Führe eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit nach ihrer Art und Dauer bei natürlicher Betrachtungsweise nur zu einer geringfügigen Unterbrechung der versicherten Tätigkeit - der damalige Versicherte wollte während der Arbeit aus einer auf der Werkbank stehenden Flasche einen Schluck Bier trinken, doch befand sich in der Flasche giftiges Öl -, dann bleibe der innere Zusammenhang zwischen dieser und dem Unfallgeschehen aufrecht. Die vom Betriebsinhaber lange Jahre geduldete Verwendung der am Arbeitsplatz zurückgebliebenen leeren Getränkeflaschen für betriebliche Zwecke wie das Einfüllen giftiger Öle, ohne für eine ordnungsgemäße Beschriftung und Verwahrung zu sorgen, sei eine betriebsbedingte Gefahrenquelle gewesen, so daß die besondere Beschaffenheit der Unfallstelle auch wesentliche Bedingung des Unfalls gewesen sei.

In SSV-NF 4/65 wurde ausgeführt, daß dann wenn der Versicherte die versicherte Tätigkeit oder einen versicherten Weg durch eine private Verrichtung unterbreche, während der Unterbrechung - in der Regel - kein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung bestehe, es sei dann daß besondere betriebliche Umstände einen solchen Zusammenhang begründen. Auch während einer Dienstreise sei zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis rechtlich wesentlich zusammenhängen, und solchen Verrichtungen zu unterscheiden, die der privaten Sphäre des Reisenden angehören. Der Versicherungsschutz entfalle, wenn sich der Reisende rein persönlichen, für die Betriebstätigkeit nicht mehr wesentlichen Belangen widme.

Der erkennende Senat betonte allerdings in SSV-NF 6/39, die zu dem § 175 Abs 2 Z 7 ASVG entsprechenden § 90 Abs 2 Z 6 B-KUVG erging, bei Unfällen während einer Dienstreise werde ein innerer Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit auch außerhalb der eigentlichen dienstlichen Beschäftigung im allgemeinen eher anzunehmen sein als am Wohn- oder Betriebsort. Auf Dienstreisen ließen sich Dienst- und Freizeit oft nicht so leicht trennen wie im Dienstort. Es könne zwar nicht gesagt werden, daß der Versicherte während der gesamten Dauer einer Dienstreise Dienst (ieS) versehen würde. Er müsse sich jeodch wegen der Dienstreise, also aus dienstlichen Gründen, außerhalb seines Dienstortes aufhalten und könne daher meist auch die nicht von den eigentlichen Dienstverrichtungen beanspruchte Zeit nicht unter den sonst gewohnten Umständen, insbesondere in der Regel nicht in seinem üblichen Wohnort oder in seiner üblichen Wohnung verbringen. Der Dienstreisende sei daher regelmäßig genötigt, seine lebensnotwendigen Bedürfnisse unter anderen Umstände zu befriedigen als bei einer Dienstverrichtung im Dienstort. Er werde häufig nicht nur zu Mittagessen sondern auch zu anderen Mahlzeiten Gaststätten aufsuchen und in fremden Häusern übernachten müssen. Dies müsse auch bei der Anwendung der Bestimmungen über den Dienst(Arbeits)unfall, vor allem auch bei der Auslegung des (§ 175 Abs 2 Z 7 ASVG entsprechenden) § 90 Abs 2 Z 6 B-KUVG entsprechend berücksichtigt werden.

Nach Müller, Judikaturtendenzen im Unfallversicherungsrecht in ZAS 1989, 145 wird die ungeschützte Privatsphäre vom Versicherten immer mit sich "herumgetragen", mag er sich auch im Dunstkreis seiner Berufstätigkeit bewegen (146). An sich private Tätigkeiten könnten dann unter Versicherungsschutz stehen, wenn in einem gewöhnlich der Privatsphäre dienenden Bereich die betriebliche Sphäre so stark auf das Verhalten des Versicherten einwirke, daß der Privatbereich letztlich in den Hintergrund trete, oder, wenn die Tätigkeit, die Anlaß des Unfalls ist, den "Zwecken des Betriebs unmittelbar oder mittelbar zu dienen bestimmt ist" (147). Während Müller in diesem Aufsatz die E SSV-NF 2/76 wenigstens hinsichtlich der die Verwirklichung einer Betriebsgefahr annehmenden Begründung zu billigen scheint, weil der damalige Versicherte anläßlich der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit des Biertrinkens Opfer einer in der betrieblichen Risikosphäre ihren Ausgangspunkt nehmenden Kausalkette geworden sei, weshalb die Unfallversicherung leistungspflichtig sei (150), folgt er dieser auch in ZAS 1990/11 S 100 veröffentlichten E im Kommentar (aaO 101) im Ergebnis nicht, weil er einen ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung bezweifelt. Wenngleich ein Verschulden des Versicherten für die Zurechnung ausscheide, so sei doch bei der Beurteilung der Kausalität zu prüfen, ob reale Umstände vorliegen, für die der Versicherte selbst einzutreten habe. In diesem Fall käme eine Zurechnung des Schadens an die Unfallversicherung nicht in Frage, selbst wenn gleichzeitig auch ein realer Umstand aus ihrer Risikosphäre vorläge. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Versicherten und seiner die Versicherung begründenden Beschäftigung sei nur gegeben, wenn das den Unfall herbeiführende Verhalten von der Absicht und dem Entschluß bestimmt sei, die Interessen des Betriebes zu fördern. Ein Grundsatz, im Zweifel zugunsten des Versicherten zu entscheiden, bestehe bei der Prüfung des Kausalzusammenhanges in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht. Im Entscheidungsfall seien reale Umstände vorgelegen, für die der Versicherte selbst einzutreten habe. Zunächst müsse er wissen, daß der Konsum eines alkoholischen Getränkes während der Arbeitszeit, noch dazu bei der Arbeit an einer Werkbank, eine Gefahrenquelle darstelle, und daß der Konsum von Bier keinesfalls die Interessen des Betriebes zu fördern geeignet sei. Dazu komme, daß jederzeit die Möglichkeit bestanden hätte, im Magazin entsprechende Ölkannen anzufordern, was jedoch aus Bequemlichkeit gar nicht versucht worden sei. Auch dies habe der Versicherte zu vertreten. Es hieße den Unfallversicherungsschutz überspannen, über derart schwerwiegende Umstände, die ausschließlich in der Risikosphäre des Versicherten gelegen seien, hinwegzusehen oder zu versuchen, sie als entschuldbar erscheinen zu lassen und auch dann von einem Arbeitsunfall zu sprechen, wenn das schädigende Ereignis durch die Zugehörigkeit zum Betrieb lediglich mitbedingt sei. Richtig sei, daß man dem Recht der Unfallversicherung nicht unterstellen könne, es wolle die Versicherten in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit behindern und den arbeitenden Menschen zwingen, während der gesamten Arbeitszeit, einer Maschine vergleichbar, sich ausschließlich auf die Arbeit auszurichten. Es gebe aber auch Grenzen, bei deren Überschreiten vom Versicherten verlangt werden müsse, auf sein gefahrenerhöhendes Verhalten zu verzichten, weil dieses ja letzten Endes zu Lasten der Versichertengemeinschaft ginge.

Dusak, Zur Wechselbeziehung von Schutzbereich und wesentlicher Bedingung in der Unfallversicherung in ZAS 1990, 45 (56) führt zutreffend aus, der Versicherungsschutz gegenüber einer Gefahr, die ausschließlich dem häuslichen Bereich des Versicherten entstamme und sich bei jeder ungeschützten Tätigkeit auch hätte verwirklichen können, könne nicht allein dadurch begründet werden, daß der Versicherte im Zeitpunkt ihres Eintrittes zufälligerweise eine betriebliche Tätigkeit verrichtet habe. Andernfalls würde dem Grundgedanken der Unfallversicherung zu wenig Rechnung getragen, daß der Versicherte von jenen Gefahren geschützt werden solle, die sich auf Grund seiner Erwerbstätigkeit bzw der Eingliederung in einen fremden Organisationsbereich ergeben. Entscheidend sei, ob für den Unfall ein betriebliches oder ein aus der eigenen Sphäre des Versicherten stammendes Risiko wesentlich ursächlich gewesen sei. Es komme also nicht darauf an, daß die Tätigkeit, bei der sich der Unfall unmittelbar ereignet habe, eine betriebliche gewesen sei, sondern vielmehr die Gefahr, die sich verwirklicht habe.

Die zur Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse zählende Nahrungsaufnahme ist im allgemeinen eine zumindest überwiegend dem privaten unversicherten Lebensbereich zuzurechnende Tätigkeit. Das Unternehmen ist zwar unmittelbar daran interessiert, daß die Freizeit auch zur Einnahme von Mahlzeiten verwendet wird, damit die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erhalten bleibt oder wiederhergestellt wird; dieses Interesse des Unternehmers reicht aber nicht aus, um einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Essenseinnahme und der versicherten Tätigkeit zu begründen. Ein solches Interesse besteht auch an zahlreichen anderen Verrichtungen, ohne die eine ordnungsgemäße Erfüllung der betrieblichen Aufgaben nicht möglich wäre, die aber trotzdem dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind. Die Nahrungsaufnahme kann aber unter besonderen Voraussetzungen den inneren Zusammenhang mit der nachfolgenden versicherten Tätigkeit begründen, zB wenn sie der Wiedererlangung oder der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit eines Kraftfahrers wesentlich dient, dessen Fahrtüchtigkeit sonst beeinträchtigt gewesen wäre, wenn die Nahrungsaufnahme aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen mußte und der Unfall darauf zurückzuführen ist, oder wenn der Versicherte infolge seiner Beschäftigung dursterregenden Einwirkungen ausgesetzt ist und das Trinken wesentlich bezweckt, seine Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen. Es kommt also darauf an, ob betriebliche Umstände über das normale Maß hinaus so stark sind, daß sie eine wesentliche Bedingung für die Essenseinnahme sind (Brackmann, Handbuch der SV II 72. Nachtrag 481c ff mwN).

Während einer Dienstreise ist der Unfallversicherungsschutz nicht schon deshalb ohne weiteres gegeben, weil sich der Arbeitnehmer in einer fremden Stadt aufhalten muß. Der Versicherungsschutz entfällt jedenfalls, wenn sich der Reisende rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr wesentlich beeinflußten Belangen widmet. So ist zB der Besuch einer Gaststätte nach Beendigung der Dienstgeschäfte grundsätzlich nicht mehr versicherte Tätigkeit, sofern nicht besondere Umstände den inneren Zusammenhang mit ihr begründen (Brackmann aaO 481v, w). Selbst wenn man im vorliegenden Fall davon ausginge, daß die durch die Operation des Klägers im Bezirksspital in Sumiswald am 29.11.1990 behobene Perforation im Bereich des Darmes dadurch verursacht wurde, daß der Kläger am 23.11.1990 in einer Autobahnraststätte beim Verzehren eines Cordon bleu einen Zahnstocher verschluckte, liegt nach der oben dargelegten Rechtslage keine durch einen Arbeitsunfall verursachte körperliche Schädigung vor, für die Leistungen der Unfallversicherung zu gewähren wären.

Es fehlen nämlich besondere betriebliche Umstände, unter denen die grundsätzlich eigenwirtschaftliche Tätigkeit dieser Nahrungsaufnahme unter Versicherungsschutz stehen würde. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt den Arbeitnehmer vor den Gefahren, denen er auf Grund der die Versicherung begründenden Beschäftigung ausgesetzt ist. Davon kann aber bei der nach Beendigung der Tagesarbeitszeit am 23.11.1990 während der anschließenden Ruhezeit in einer Autobahnraststätte, in der er auch übernachtete, eingenommenen Abendmahlzeit keine Rede sein. Die Ruhezeit soll dem Arbeitnehmer Gelegenheit geben, sich zu erholen und seine sonstigen privaten Interessen zu verfolgen. Sie liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nach Beendigung der Tagesarbeitszeit keine Arbeit iS des Arbeitszeitrechtes zu verrichten hat (Grillberger, AZG § 12 Rz 1f). Anders als bei der Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit (einschließlich der in dieser liegenden gesetzlichen, kollektivvertraglich oder betrieblich vereinbarten Arbeitspausen), die ua bei Kraftfahrern wesentlich der Wiedererlangung oder der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit dient und oft aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen muß, konnte sich der Kläger während der Ruhezeit ohne besonderen Zeitdruck seiner Abendmahlzeit widmen. Sollte er beim Verzehren des Cordon bleu einen Zahnstocher verschluckt haben, dann wäre dafür kein aus der betrieblichen Sphäre stammendes Risiko wesentlich ursächlich gewesen.

Der Fall des Klägers unterscheidet sich wesentlich von dem von Brackmann aaO 481e erwähnten, bei Podzun, Der Unfallsachbearbeiter Rz 105 S 14 ausführlich zitierten der E des BSG Breith 58. Jg S 755. Damals verschluckte ein Arbeitnehmer beim Mittagessen in der Werkskantine ein Holzspießchen, das sich in einer Rindsroulade befand, um das Fleisch zusammenzuhalten. Dieser Arbeitnehmer war aber im Gegensatz zum nunmehrigen Kläger aus Gründen betrieblicher Art genötigt, sein Mittagessen hastig zu sich zu nehmen, so daß dieses mehr in einem Hinunterschlingen der ihm vorgesetzten Mahlzeit bestand. Der jetzige Kläger war jedoch bei der Einnahme seines Abendessens in einer österreichischen Autobahnraststätte weder in Eile noch sonst durch betriebliche Vorgänge abgelenkt. Seine Situation unterschied sich in dem hier wesentlichen Belang kaum von der eines Arbeitnehmers, der nach Beendigung seiner Arbeit in einer Gaststätte seine Abendmahlzeit zu sich nimmt.

Die Ansicht des Revisionswerbers, daß unter den im § 175 Abs 2 Z 7 ASVG genannten "Arbeitspausen" nicht nur die "Ruhepausen" iS des AZG, sondern jener Zeitraum zu verstehen sei, der sowohl zuvor als auch danach von der eigentlichen Arbeit begrenzt sei und primär der Erholung und Entspannung diene, wäre dann unrichtig, wenn der Revisionswerber meinte, daß auch außerhalb der Arbeitszeit liegende Zeiten, insbesondere Ruhezeiten iS des § 12 AZG unter diesen Begriff fielen. Diese Auslegung stünde mit § 175 Abs 2 Z 7 ASVG, der ausdrücklich von während der Arbeitszeit einschließlich der in der Arbeitszeit liegenden ... Arbeitspausen zurückgelegten Wegen spricht, im Widerspruch.

Aus den genannten Gründen hat das Berufungsgericht die vom Kläger vermißte Feststellung, daß zwischen seinem Krankenhausaufenthalt in der Schweiz und dem Verzehr des Cordon bleu während des Raststättenaufenthaltes am 23.11.1990 ein ursächlicher Zusammenhang bestehe, ohne Rechtsirrtum nicht für entscheidungswesentlich erachtet.

Ob die im § 175 Abs 2 Z 7 ASVG gebrauchte Wendung "bei dieser Befriedigung der lebensnotwendigen Bedürfnisse" auch das Essen selbst umfaßt, kann im vorliegenden Fall unerörtert bleiben, weil es sich ohnehin um keinen Arbeitsunfall iS dieser Gesetzesstelle handelt.

Daher war der Revision nicht Folge zu geben.

Sollten die Ausführungen zur Entscheidung des Berufungsgerichtes im Kostenpunkt als diesbezügliche Anfechtung gemeint sein, wäre die Revision insoweit unzulässig. Die im Berufungsurteil enthaltene Kostenentscheidung kann auch in einer Sozialrechtssache nicht bekämpft werden (zuletzt SSV-NF 6/37 mwN).

Die Entscheidung über den Erstaz der Revisionskosten beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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