Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Das Urteil des Erstgerichtes vom 2.9.1992 wurde dem Beklagtenvertreter unter der Anschrift ***** Wien, J*****straße *****, zugestellt und am 29.9.1992 von seiner Gattin übernommen. Mit der am 28.10.1992 zur Post gegebenen Berufung wurde dieses Urteil in seinem klagsstattgebenden Teil bekämpft. Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht diese Berufung mit der Begründung verworfen, daß die Rechtsmittelfrist bereits am 27.10.1992 geendet habe.
Gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ON 68), weiters erhob sie Rekurs gegen den ihre Berufung verwerfenden Beschluß des Berufungsgerichtes (ON 69).
In dem Rekurs wird geltend gemacht, daß der Beklagtenvertreter seit 1.3.1990 seine Kanzlei nach ***** Wien, S*****straße *****, verlegt habe; in ***** Wien, J*****straße ***** (der Zustellanschrift) befinde sich nur mehr seine Privatwohnung. Das Urteil des Erstgerichtes sei von seiner Gattin in der Annahme, es handle sich um ein privates Schriftstück, übernommen worden. Erst am 30.9.1992 sei die Entscheidung in die Kanzlei gelangt. Aufgrund der mangelhaften Zustellung des Ersturteiles sei die Berufungsfrist nicht in Gang gesetzt worden, die Heilung der mangelhaften Zustellung sei erst am 30.9.1992 erfolgt. Überdies sei bei der Berechnung der Berufungsfrist der Zustelltag (29.9.1992) nicht mitzurechnen.
Mit Beschluß vom 28.1.1993 (ON 71) bewilligte das Erstgericht der beklagten Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
Der Rekurs gegen den die Berufung verwerfenden Beschluß des Berufungsgerichtes ist unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Nach Lehre und Rechtsprechung ist Voraussetzung für die Zulässigkeit jedes Rechtsmittels eine Beschwer des Rechtsmittelwerbers. Die Beschwer ist das in höherer Instanz vorausgesetzte Rechtsschutzbedürfnis, sie muß noch im Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel fortbestehen (EvBl. 1971/152 mwN).
Da das Erstgericht nunmehr der Beklagten bereits die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist bewilligt hat, liegt ein Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten an der Entscheidung über ihren Rekurs nicht mehr vor, weshalb dieses Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen ist (Fasching, LB2, Rz 1689; SZ 38/93).
Gemäß § 150 ZPO wird das Erstgericht den Beschluß, mit dem die Wiedereinsetzung bewilligt wurde, dahin zu ergänzen haben, daß der die Berufung verwerfende Beschluß des Berufungsgerichtes aufgehoben wird (Fasching, II, 746).
Gemäß § 50 Abs.2 ZPO ist allerdings bei der Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Wegfall des Rechtsschutzinteresses nicht zu berücksichtigen, sodaß die Berechtigung des Rechtsmittels zu prüfen ist.
Als Abgabestelle, an der die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf, kommt gemäß § 4 ZustG die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum und die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers in Betracht. Diese Abgabestellen stehen in keiner Rangordnung. Diese Wahlmöglichkeit erfährt durch die Bestimmung des § 13 Abs.4 ZustG insoferne eine Einschränkung, als dann, wenn der Empfänger eine "zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person" ist, die Sendung in deren Kanzlei zuzustellen ist. Ist der Empfänger eine zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Person und schreitet er als solche ein, dann ist seine Kanzlei ausschließliche Abgabestelle (RdW 1991, 367).
Wie sich aus der vom Erstgericht über Auftrag des Rekursgerichtes durchgeführten Einvernahme des Beklagtenvertreters ergibt, befand sich zum Zeitpunkte der Zustellung des Ersturteiles an der Zustellanschrift ***** Wien, J*****straße *****, nur seine Privatwohnung. Das Urteil des Erstgerichtes ist dem Beklagtenvertreter, der sich in der Nacht vom 29. auf den 30.9.1992 nicht in Wien aufhielt, erst am 30.9.1992 zugekommen. Daraus folgt, daß die am 29.9.1992 erfolgte Zustellung des Ersturteiles nicht rechtswirksam war. Die Heilung des Zustellmangels erfolgte gemäß § 7 ZustG am 30.9.1992, an dem Tag, an dem das Schriftstück dem Beklagtenvertreter tatsächlich zugekommen ist. Daraus folgt, daß die am 28.10.1992 zur Post gegebene Berufung rechtzeitig war.
§ 8 ZustG, wonach eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen hat, findet nur auf die Partei selbst Anwendung, nicht auf den Parteienvertreter.
Gemäß §§ 50 Abs.2, 52 Abs.1 ZPO war sohin die Entscheidung über die Kosten des Rekurses der beklagten Partei der Endentscheidung vorzubehalten.
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