OGH 9ObA50/93

OGH9ObA50/9314.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Friedrich Stefan und Helga Kaindl in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** St*****, Pensionist, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Wien 9, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wegen 7.040,95 S brutto sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 46.272,34 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18.November 1992, GZ 7 Ra 93/92-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4.Juni 1992, GZ 35 Cga 88/92-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.623,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 603,84 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt; seit 1.12.1990 bezieht er die Berufsunfähigkeitspension. Am 1.10.1987 erreichte er die 18. (höchste) Bezugsstufe in seiner Dienstklasse E III des Gehaltsschemas der DO.A; er war zumindest seit dem Jahr 1986 bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis mit "gut" beschrieben. Gemäß § 45 DO.A hätte er bei weiterer Dienstleistung am 1.10.1991 die Dienstalterszulage in der Höhe der Gehaltsdifferenz zwischen den Bezugsstufen 1 und 2 seiner Dienstklasse erreicht, wenn die Gesamtbeurteilung seiner Dienstbeschreibung auf "gut" gelautet hätte. Gemäß § 87 Abs 1 Z 1 der DO.A ist der letzte volle monatliche Dienstbezug gemäß § 35 Abs 2 Z 1 DO.A inklusive der in Z 4 bis 10 dieser Bestimmung genannten Zulagen als Bemessungsgrundlage der nach § 81 DO.A gebührenden Pension heranzuziehen. Als ständiger Bezug ist in § 35 Abs 2 Z 6 DO.A auch die Dienstalterszulage (§ 45 DO.A) genannt. Wenn der Angestellte bei weiterer Dienstleistung innerhalb eines Jahres Anspruch auf Zeitvorrückung gehabt hätte, ist nach § 87 Abs 2 DO.A die Bemessungsgrundlage für die Pension unter Zugrundelegung jener Bezüge zu errechnen, die durch diese Zeitvorrückung erreicht worden wären.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 7.040,95 S brutto. Die Dienstalterszulage, die er innerhalb eines Jahres nach seiner Pensionierung erreicht hätte, komme einer 19. Bezugsstufe gleich, weshalb § 87 Abs 2 DO.A analog anzuwenden und die Dienstalterszulage in die Bemessungsgrundlage seiner Zusatzpension einzubeziehen sei. Hieraus ergebe sich für den Zeitraum von Dezember 1991 bis einschließlich Juni 1992 eine Differenz zu den tatsächlich erbrachten Pensionszahlungen in der Höhe des Klagebegehrens.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Dienstalterszulage sei nicht mit einem Biennalsprung gleichzusetzen; sie könne in die Pensionsbemessungsgrundlage nur dann einbezogen werden, wenn sie noch während der Dienstzeit als Zulage zum Aktivbezug ausgezahlt worden sei. Mit der Begründung, daß die Vorfrage der Ruhegenußfähigkeit der Dienstalterszulage über den Rechtsstreit hinaus auch für die künftigen Pensionsansprüche des Klägers von Bedeutung sei, stellte die Beklagte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß die Dienstalterszulage nicht in die Pensionsbemessungsgrundlage des Klägers einzurechnen sei.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt und wies den Zwischenantrag auf Feststellung mit Beschluß ab. Die Dienstalterszulage sei sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Voraussetzungen (Zeitablauf) als auch nach ihren Auswirkungen (Einstufung in eine fiktive, nächsthöhere Bezugsstufe) einer normalen Zeitvorrückung gleichzusetzen. Sie sei daher bei Vorliegen der Voraussetzung des § 87 Abs 2 DO.A in die Pensionsbemessungsgrundlage einzubeziehen.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab und erkannte im Sinne des Zwischenantrages auf Feststellung der Beklagten.

Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 50.000 S übersteigt. Die Dienstalterszulage könne nicht in analoger Anwendung des § 87 Abs 2 DO.A als Zeitvorrückung gewertet werden. Dies ergebe sich schon daraus, daß es sich dabei nicht um eine Gehaltsstufe, sondern um eine Leistung handle, die ausdrücklich als Zulage bezeichnet sei und die auch systematisch in die Zulagenregelungen des § 45 DO.A eingeordnet sei. Der Unterschied komme auch darin zum Ausdruck, daß der Anspruch auf Dienstalterszulage eine vierjährige auf "gut" lautende Dienstbeschreibung zur Voraussetzung habe, wogegen die Zeitvorrückung in den Gehaltsstufen bei nur auf "entsprechend" lautender Dienstbeschreibung automatisch erfolge. Auch die Erläuterungen des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sprächen gegen den Prozeßstandpunkt des Klägers; dort werde darauf hingewiesen, daß die Dienstalterszulage nach dem Willen der damaligen Verhandlungspartner nur dann in die Pensionsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, wenn sie zum Aktivbezug gewährt werde. Mit der Einführung der Dienstalterszulage in der DO.A sei offensichtlich eine Angleichung an das Pensionsrecht der öffentlich Bediensteten beabsichtigt gewesen. In § 5 Abs 3 PG werde aber ausdrücklich angeordnet, daß die Dienstalterszulage dann in die Pensionsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, wenn mindestens die Hälfte der für ihr Erreichen geforderten Zeit zurückgelegt wurde. Eine entsprechende Bestimmung fehle jedoch in der DO.A. Auch daraus sei abzuleiten, daß die Dienstalterszulage nach der DO.A nur dann in die Pensionsbemessungsgrundlage einzubeziehen sei, wenn sie schon während der Aktivzeit angefallen sei. Damit sei dem Begehren des Klägers der Boden entzogen. Der Zwischenantrag auf Feststellung, der zulässig sei, über den aber das Erstgericht unzutreffend mit Beschluß entschieden habe, erweise sich damit als berechtigt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt werde, daß der (Zwischen-) Feststellungsantrag der Beklagten mit Urteil abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung (Arb 10.451; wN bei Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht3 II 145 FN 174) handelt es sich bei der DO.A um einen Kollektivvertrag. Jene Bestimmungen eines Kolletivvertrages, die normative Wirkung haben, sind nach ständiger Praxis nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten, auszulegen. Im wesentlichen heißt dies, daß die an Hand der §§ 6 und 7 ABGB entwickelten methodologischen Regeln anzuwenden sind (Floretta-Spielbüchler-Strasser aaO 145 mwN). Zutreffend wendet sich daher die Revision dagegen, daß das Berufungsgericht zur Interpretation der fraglichen Regelung ein Rundschreiben des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger herangezogen hat. Die einseitige Deutung des Inhaltes des Kollektivvertrages durch den Hauptverband und auch eine allfällige, in den Regelungen nicht zum Ausdruck kommende Absicht der Normgeber können nach den erwähnten Auslegungsgrundsätzen kein Kriterium für die Auslegung bilden.

Mögen sich die Kollektivvertragsparteien bei den Bestimmungen über die Ruhegenußfähigkeit der Dienstalterszulage auch am Pensionsrecht der öffentlich Bediensteten orientiert haben, so haben sie doch im Kollektivvertrag eigenständige Regelungen geschaffen. Auch das Pensionsgesetz kann daher zur Auslegung des Kollektivvertrages nicht herangezogen werden.

Damit ist aber für den Kläger letztlich nichts gewonnen. In erster Linie ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrages der Wortsinn - auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen - und die sich aus dem Text ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu erforschen (WBl 1990, 214 = RZ 1990/89). § 40 DO.A, der die Überschrift "Einstufung in das Gehaltsschema, Vorrückung" trägt, bestimmt in seinem Abs 3: "Der Angestellte rückt, sofern nicht Abs 2 anzuwenden ist, nach Vollendung von je zwei Dienstjahren in die nächsthöhere Bezugsstufe seiner Gehaltsgruppe (Dienstklasse) vor (Zeitvorrückung)." Gemäß § 40 Abs 6 DO.A wird die Zeitvorrückung durch die Gesamtbeurteilung "nicht entsprechend" der Dienstbeschreibung ab dem der Rechtskraft dieser Dienstbeschreibung folgenden Zeitvorrückungstermin an um jenen Zeitraum aufgeschoben, für den die Gesamtbeurteilung auf "nicht entsprechend" lautet. § 40 DO.A enthält daher eine Definition des Begriffes "Zeitvorrückung", auf den bei Auslegung des § 87 Abs 2 DO.A zurückzugreifen ist. Hat der Normgeber einen Begriff inhaltlich umschrieben, so ist im Zweifel anzunehmen, daß er ihn auch an anderen Stellen der Norm in diesem Sinne gebraucht hat (vgl Arb 9129 = EvBl 1973/203). Den Normsetzern des Kollektivvertrages kann nicht unterstellt werden, daß sie den Begriff der Zeitvorrückung in der Ausnahmebestimmung des § 87 Abs 2 DO.A - nur dort werden in die Pensionsbemessungsgrundlage Leistungen einbezogen, die zur Zeit der aktiven Dienstleistung noch nicht angefallen sind - in einem weiteren Sinn verwendet haben, als in der Definition des § 40 Abs 3 DO.A.

Auch eine analoge Anwendung des § 87 Abs 2 DO.A auf die Dienstalterszulage ist nicht möglich. Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Norm ist eine Gesetzeslücke, also eine - gemessen am Maßstab der gesamten Rechtsordnung - planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechtes. In einem solchen Fall wird die für einen bestimmten Einzeltatbestand angeordnete Rechtsfolge auf einen dem Wortlaut nach nicht geregelten Sachverhalt erstreckt, weil nach der im Gesetz zum Ausdruck kommenden Wertung anzunehmen ist, daß der geregelte und der ungeregelte Fall in ihren maßgebenden Wertungen übereinstimmen (Koziol-Welser9 I 25 f). Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 87 Abs 2 DO.A auf die Dienstalterszulage liegen nicht vor. Es fehlen Anhaltspunkte dafür, daß es sich bei der Nichtaufnahme der Dienstalterszulage in § 87 Abs 2 DO.A um eine planwidrige Lücke handelt; beide Fälle stimmen in ihren maßgebenden Wertungen nicht überein. Zutreffend hat das Berufungsgericht die Unterschiede zwischen den Regelungen über die Zeitvorrückung und die Dienstalterszulage aufgezeigt. Die Zeitvorrückung erfolgt automatisch, sofern eine auf "entsprechend" lautende Dienstbeschreibung vorliegt; der Aufschub der Zeitvorrückung im Falle nicht wenigstens auf "entsprechend" lautender Dienstbeschreibung ist als Ausnahmetatbestand vom Grundsatz der automatischen Zeitvorrückung normiert. Dagegen handelt es sich bei der Dienstalterszulage um eine - auch systematisch zusammen mit den sonstigen Zulagen geregelte - Leistung, die eine vier Jahre hindurch zumindest auf "gut" lautende Dienstbeschreibung zur Voraussetzung hat. Anders als die Zeitvorrückung, die jedenfalls gebührt, sofern die erbrachte Dienstleistung die erforderliche Mindestqualität erreicht, ist die Dienstalterszulage als Bonifikation konstruiert, die in den letzten Jahren, für Dienste gewährt wird, die über diese Mindestqualifikation hinausgehen. Wenn auch in beiden Fällen der Ablauf eines bestimmten Zeitraumes für den Anspruch auf die Leistung erforderlich ist, unterscheiden sich die Leistungen in einem Maß, das die Annahme der Voraussetzungen für eine Analogie ausschließt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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