European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34466
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Grundrechtsbeschwerde wird verweigert.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung:
Gegen Sava M* ist beim Landesgericht für Strafsachen Wien zum AZ 3 a Vr 4117/92 ein Strafverfahren wegen Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 2, 148 zweiter Fall StGB anhängig, in dem sie sich seit 18. April 1992 aus den Haftgründen der Flucht‑ und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 1 und Z 3 lit b StPO in Untersuchungshaft befindet. Die Hauptverhandlung am 2. September 1992 wurde zur Vernehmung eines Zeugen im Rechtshilfeweg in der Schweiz auf unbestimmte Zeit vertagt.
Mit Beschluß vom 4. März 1993, AZ 26 Bs 73/93 (= ON 87), gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde der Angeklagten gegen den ihre Enthaftungsanträge (ON 79 und 80) abweisenden Beschluß der Ratskammer vom 3. Februar 1993 (ON 81) nicht Folge.
Diese Beschwerdeentscheidung wurde dem ausgewiesenen Verteidiger der Wiedereinsetzungswerberin am 12. März 1993 (S 391) zugestellt. Mit undatiertem, am 30. März 1993 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte der Verteidiger ‑ unter gleichzeitiger Ausführung einer Grundrechtsbeschwerde ‑ die Erteilung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der vierzehntägigen Frist zu ihrer Einbringung. Der Antrag wurde im wesentlichen damit begründet, daß die gemäß § 4 Abs. 1 GRBG offenstehende Frist versehentlich "nicht kanzleimäßig eingetragen wurde", was "wohl auf die Umstellung im Zuge des überraschenden Ausscheidens zweier Herren zurückzuführen" sei; durch routinemäßige Nachschau im Akt am Nachmittag des 26. März 1993, also des letzten Tages der Frist, habe der Verteidiger zwar den (drohenden) Ablauf festgestellt, sei aber "infolge fortgesetzter Konferenzen erst lange nach Kanzleischluß um 20 Uhr" selbst nicht mehr in der Lage gewesen, die Beschwerde in das Textprogramm einzugeben.
Rechtliche Beurteilung
Das im Verfahren über Grundrechtsbeschwerden an sich zulässige ‑ § 10 GRBG ‑ Wiedereinsetzungsbegehren ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 364 Abs. 1 StPO hat die Bewilligung des vorliegenden Antrages unter anderem zur Voraussetzung, daß es dem Angeklagten durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Verteidigers Verschulden unmöglich gemacht wurde, die (versäumte) Frist einzuhalten. Davon kann aber nach den Umständen dieses Falles nicht gesprochen werden.
Auf Grund des Antragsvorbringens steht nämlich fest, daß in der Kanzlei des Verteidigers personelle Veränderungen stattfanden, ohne daß ihnen durch entsprechende, den Fristenvormerk betreffende kanzleitechnische Anordnungen Rechnung getragen worden wäre.
Diese dem Verteidiger zur Last fallende mangelhafte Organisation des Fristenvormerkes, die eine verläßliche Überprüfung von (Rechtsmittel‑)Fristen (zumindest partiell) ausschloß und die Möglichkeit eines Versehens der verfahrensgegenständlichen Art geradezu förderte, ist ‑ auch in Anbetracht der unter Umständen schwerwiegenden Folgen - als Vernachlässigung der pflichtgemäßen Sorgfalt und damit als Verschulden des Verteidigers (an der Fristversäumung) zu beurteilen. Dafür hat aber die Angeklagte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einzustehen.
Im übrigen wäre es Aufgabe des Verteidigers gewesen, in Anbetracht des (erst) drohenden Fristablaufes für eine (noch mögliche) fristgerechte Verfassung und Abfertigung der Grundrechtsbeschwerde (durch Verlegung von Terminen, allenfalls auch durch Substitution) Sorge zu tragen. Für die Annahme, es sei ihm ein solches Vorgehen nicht möglich gewesen, bietet das Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages keinen zureichenden Anhaltspunkt. Die dazu geltend gemachten Gründe stellen sich somit nicht als unabwendbare Umstände dar, die es dem Vertreter der Angeklagten unmöglich gemacht hätten, die Frist des § 4 Abs. 1 GRBG einzuhalten, weshalb dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch aus dieser Erwägung ein Erfolg versagt bleiben mußte.
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