OGH 14Os63/93

OGH14Os63/938.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.April 1993 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Zawilinski als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Eisenstadt zum AZ 15 E Vr 64/93 anhängigen Strafsache gegen Erik Carl Heinrich W***** und einen anderen wegen des Vergehens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB über die Grundrechtsbeschwerden des Erik Carl Heinrich W***** und des Sandor P***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11.März 1993, AZ 22 Bs 92/93 (= ON 43 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 11.März 1993, AZ 22 Bs 92/93, wurden Erik Carl Heinrich W***** und Sandor P***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Dieser Beschluß des Oberlandesgerichtes wird aufgehoben.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 16.000 S, zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer, auferlegt.

Text

Gründe:

Die beiden schwedischen Staatsangehörigen Erik Carl Heinrich W***** und Sandor P***** - letzterer besitzt auch die ungarische Staatsbürgerschaft - wurden am 25.Jänner 1993 auf Grund eines Haftbefehles des Landesgerichtes Eisenstadt festgenommen; seit dem 27. Jänner 1993 befinden sie sich aus den Haftgründen nach § 180 Abs. 2 Z 1 und 2 StPO in Untersuchungshaft.

Ihnen wird im Strafantrag vom 18.März 1993 angelastet, am 25.Jänner 1993 im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter in Nickelsdorf und anderen Orten Österreichs vorsätzlich eine Sache in einem 25.000 S übersteigenden Wert, die ein anderer durch Vergehen gegen fremdes Vermögen erlangt hat, nämlich den zwischen 21. und 22. Jänner 1993 in Stockholm zum Nachteil des Alf Stefan K***** veruntreuten PKW der Marke BMW 750 i AL mit dem schwedischen Kennzeichen ORT-014 im Wert von ca. 400.000 S, welchen sie in Stockholm von Paul Micael Johan N***** zum Zweck des Verhandelns in Ungarn übernahmen, an sich gebracht zu haben, um das Fahrzeug nach Budapest zu bringen und hiedurch das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 StGB begangen zu haben.

Bereits am 11.März 1993 hat das Oberlandesgericht den Beschwerden der beiden Beschuldigten gegen den ihre Enthaftung ablehnenden Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt vom 15.Februar 1993 (ON 33) nicht Folge gegeben und ausgesprochen, daß die Untersuchungshaft aus den bisherigen Haftgründen fortzusetzen sei.

Die von beiden Beschuldigten dagegen erhobenen - beim Obersten Gerichtshof am 5.April 1993 eingelangten - Grundrechtsbeschwerden bestreiten den dringenden Tatverdacht und das Vorliegen von Haftgründen.

Das Oberlandesgericht gründete den dringenden Tatverdacht darauf, daß die beiden Beschuldigten am 25.Jänner 1993 in Nickelsdorf bei der beabsichtigten Ausreise nach Ungarn für den von ihnen benützten Personenkraftwagen keine Fahrzeugdokumente vorweisen konnten, die Verkabelung unter dem Zündschloß des Fahrzeuges teilweise herausgerissen und nur notdürftig instandgesetzt war, und daß an der rechten Hintertür die Gummidichtung fehlte. In "diesen Manipulationen und den nicht vorhandenen Papieren" erblickte das Oberlandesgericht, mögen sich auch "allenfalls Schwierigkeiten bezüglich der rechtlichen Subsumtion der Tat abzeichnen", einen ausreichenden - in der Folge auch im Strafantrag Niederschlag findenden - Verdacht "in Richtung der Unterstützung eines anderen Täters (durch die beiden Beschuldigten), eine Sache zu verhandeln oder eine Sache, die ein anderer durch ein Verbrechen oder Vergehen gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, an sich zu bringen, zu verheimlichen oder zu verhandeln".

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerden sind im Ergebnis begründet.

Bei der Prüfung des dringenden Tatverdachtes muß es zwar für den - gesetzessystematisch jedweder Sachverhaltsermittlung enthobenen - Obersten Gerichtshof mit Rücksicht auf das aus seiner Position als höchste Instanz in Strafsachen resultierende Gewicht seiner Aussprüche eine wesentliche Maxime sein, jeglichen Anschein einer vorwegnehmenden Würdigung der die Verdachtsintensität tragenden Sachverhaltsprämissen zu vermeiden (vgl. 12 Os 19,20/93). Vorliegend wird jedoch bei der rechtlichen Beurteilung des den Beschuldigten im angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes (und im Strafantrag) angelasteten Verhaltens als Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB ein Sachverhalt unterstellt, der in den (bisherigen) Verfahrensergebnissen keine Deckung findet. Abgesehen davon, daß darnach keine konkreten Anhaltspunkte für ein auf die wirtschaftliche Verwertung des gegenständlichen Kraftfahrzeuges (in Ungarn) abzielendes Verhalten der Beschuldigten vorliegen, stellt die nach der Aktenlage primär denkbare (unbefugte) gebrauchsweise Überlassung des (zur Reparatur und Serviceleistung übernommenen) PKWs an die Beschwerdeführer durch den (mit W***** befreundeten) Werkstättenbesitzer Paul Micael Johan N***** schon mangels Handelns des Genannten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz, für dessen Annahme im Akt Hinweise fehlen, keine Veruntreuungshandlung (als hehlereibegründende Vortat) dar. Das (listige) Verhalten der dem Werkstättenbesitzer N***** eine Auslandsfahrt verschweigenden Beschuldigten (S 86 ff, 114, 241 f, 285) spricht (bloß) für eine vorübergehende Benützung (und gegen eine unrechtmäßige Zueignung) des Fahrzeuges, sodaß bei beiden Beschuldigten nach der Aktenlage - zumal keine Anhaltspunkte für die Annahme einer qualifizierten Begehungsweise vorliegen - lediglich ein dringender Tatverdacht in Richtung des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB besteht.

Die Verfolgung der Beschwerdeführer wegen dieses Vergehens als Dauerdelikt mit demzufolge auch im Inland gelegenen Tatort (Leukauf-Steininger Komm.3 § 136 RN 32, § 17 RN 19) fällt in die Zuständigkeit der österreichischen Strafgerichte (§ 62 StGB). Die bisherige Dauer der Untersuchungshaft steht aber zum Gewicht dieses den Beschwerdeführern - auf der Basis der tatsächlich vorliegenden Sachverhaltsprämissen - anzulastenden Deliktes angesichts der Strafdrohung des § 136 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen) schon außer Verhältnis.

Der in Beschwerde gezogene Beschluß hat demnach Erik Carl Heinrich W***** und Sandor P***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt (§ 2 Abs. 1 GRBG); er war mithin aufzuheben.

Da den Beschwerden stattgegeben wurde, sind die Gerichte verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen (§ 7 Abs. 2 GRBG). Allfällige noch formal aufrechte entgegenstehende Beschlüsse wären unbeachtlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich dem Grunde nach auf § 8 GRBG, der Höhe nach auf die Verordnung des Bundesministers für Justiz, BGBl. 35/93.

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