Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Roman Wolf B***** in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Im Rahmen des oben bezeichneten (aus dem gegen Gerhard E***** und andere zu AZ 26 a Vr 313/92 geführten Verfahren ausgeschiedenen) Strafverfahrens wurde gegen den am 5.Mai 1968 geborenen, zuletzt arbeitslosen österreichischen Staatsbürger Roman Wolf B***** am 4. Februar 1992 die Voruntersuchung wegen des Verdachtes des Verbrechens nach dem § 3 g VerbotsG und anderer strafbarer Handlungen eingeleitet (und mittlerweile abgeschlossen).
Über Roman Wolf B*****, der am 3.Oktober 1992 festgenommen worden war (AS 122/I), wurde am 6.Oktober 1992 aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 und 3 lit a und b StPO die Untersuchungshaft verhängt (AS 72/I; ON 26). Seiner dagegen erhobenen Beschwerde gab die Ratskammer des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Beschluß vom 3.November 1992 keine Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft (nunmehr nur noch) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs. 1 und 2 Z 3 lit b StPO an (ON 35).
Am 29.Jänner 1993 hob die Ratskammer die Untersuchungshaft in Erledigung dreier Enthaftungsanträge des Beschuldigten wegen Wegfalles dieses Haftgrundes auf (ON 60). Das Oberlandesgericht Wien gab der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Wien mit Beschluß vom 15. Februar 1993 Folge und verfügte unter Bejahung des Haftgrundes nach der Z 3 lit b des § 180 Abs. 2 StPO die Fortsetzung der Untersuchungshaft (ON 64), die nach dem (bislang unbekämpft gebliebenen) Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 18.März 1993, AZ 22 Ns 7/93, bis zu 9 Monaten andauern darf.
Rechtliche Beurteilung
Durch den Beschluß vom 15.Februar 1993 erachtet sich der Beschuldigte in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt. In seiner fristgerecht eingebrachten Grundrechtsbeschwerde bestreitet er sowohl den dringenden Tatverdacht wie auch das Vorliegen des angezogenen Haftgrundes.
Er befindet sich mit seiner Beschwerde jedoch nicht im Recht.
In der mittlerweile fertiggestellten (nach der Aktenlage noch nicht rechtskräftigen) Anklageschrift vom 10.März 1993 (ON 80 des Vr-Aktes) legt die Staatsanwaltschaft Wien Roman Wolf B***** (zusammengefaßt wiedergegeben) zur Last, sich teils allein, teils in Gesellschaft mit anderen auf andere als in den §§ 3 a bis f VerbotsG bezeichneten Weise in nationalsozialistischem Sinne betätigt zu haben, und zwar
- am 3.Oktober 1992 (als Beitragstäter) durch Anbringen eines Hakenkreuzes sowie der Worte "Heil Hitler" auf einer Plakatwand, durch ostentativen "Hitlergruß" gegenüber Passanten und Mitführen von (nationalsozialistischem) Propagandamaterial in Verbreitungsabsicht (Punkt A/I der Anklageschrift),
- am 11.Jänner 1992 durch Vertreten nationalsozialistischen Gedankengutes in öffentlich geführten Diskussionen und Mitführen von nationalsozialistischem Propagandamaterial in Verbreitungsabsicht
(A/II),
- am 18.Juli 1992 dadurch, daß er in Gesellschaft zweier Mittäter in Favoriten drei dunkelhäutigen Afrikanern das Verweilen im Verkaufsraum einer Tankstelle verwehrte, sie dabei als "Untermenschengesindel" und damit in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpfte und sie unter den weiteren Beschimpfungen "Ihr Scheiß-Nigger, schleicht euch hinaus, hier dürfen nur Weiße herein" durch Versetzen von Stößen und durch Drohungen mit einem Klappmesser vom Tankstellenareal verdrängte, wobei er unter anderem einen Gürtel mit Koppelschloß mit der Aufschrift "Blut und Ehre" sowie der Abbildung eines Reichsadlers mit Hakenkreuz und einer Messingdienstmarke mit der Aufschrift "Geheime Staatspolizei, Nr RFS 604" und der Gravur eines Reichsadlers mit Hakenkreuz sichtbar trug
(A/III),
- in einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitraum bis zum 13. Februar 1992 durch Aufbewahrung einer größeren Anzahl von Flugzetteln, Informationsblättern und Broschüren unterschiedlichen, in der Anklageschrift näher beschriebenen und jeweils auf eine Wiederbetätigung in nationalsozialistischem Sinn hindeutenden Inhaltes in seiner Wohnung zum Zwecke künftiger Verbreitung (A/IV/1),
- zu einem vor dem 14.Mai 1992 gelegenen Zeitpunkt durch Verfassen und Verbreiten eines Flugblattes einschlägigen, in der Anklageschrift näher umschriebenen Inhaltes (A/IV/2),
- am 24.Juli 1992 durch die Verbreitung eines weiteren einschlägigen, von ihm verfaßten Flugblattes und durch Verbreitung der Broschüre "Was ist eigentlich Nationalsozialismus?" (A/IV/3);
- ferner im März 1992 durch Verfassen und Vertreiben des mit Reichsadler und Hakenkreuz versehenen Druckwerkes "Österreichischer Beobachter, 1.Folge, 12.Jahrgang", das sich als Kampfblatt der NSDAP in Österreich bezeichnet, öffentlich in einem Druckwerk zur Propagierung der nationalsozialistischen Ideologie, sohin zu nach dem § 3 VerbotsG verbotenen Handlungen aufgefordert, angeeifert oder zu verleiten versucht (B) und
- in einem nicht näher feststellbaren, bis zum 4.Oktober 1992 reichenden Zeitraum Waffen und Munition angesammelt und aufbewahrt zu haben, um sie als Kampfmittel für die VAPO (Volkstreue außerparlamentarische Opposition), und somit für eine Verbindung, deren Zweck es ist, durch Betätigung ihrer Mitglieder im nationalsozialistischen Sinn die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Republik Österreich zu untergraben, bereitgehalten zu haben (C).
Die Anklage unterstellt diese Verhaltensweisen den Tatbildern des § 3 g (Pkt A der Anklageschrift), des § 3 d (B) und des § 3 a Z 4 (C) Verbotsgesetz.
In Ansehung des dringenden Tatverdachtes genügt der Hinweis auf die in der Anklageschrift angeführten - aktenkundigen - Indizien. Die bei B***** vorgefundenen Propagandamaterialien, Flugzettel, Broschüren, Embleme und dergleichen, die durchwegs nationalsozialistisches Gedankengut repräsentieren, ferner die durch Zeugen bescheinigte Teilnahme an Diskussionen und Schmieraktionen, Sachbeweise, die auf B***** als Verfasser einschlägiger Informationsblätter hindeuten, dazu das durch die Verwendung eines von Gottfried K*****, dem "Bereichsleiter" der "VAPO" (Volkstreue außerparlamentarische Opposition) eröffneten Postfaches dokumentierte Naheverhältnis zu K*****, der anläßlich einer Hausdurchsuchung festgestellte Besitz von Waffen, Munition und Signalraketen sowie die Anführung seines Namens im Impressum eines einschlägigen Flugblattes vermögen den im § 180 Abs. 1 StPO verlangten höheren Grad von Wahrscheinlichkeit der Verübung der ihm angelasteten Taten (im Sinne eines Überwiegens der belastenden Momente gegenüber den entlastenden) durchaus zu begründen.
Was dagegen in der Grundrechtsbeschwerde ins Treffen geführt wird, erschöpft sich in einer bloßen Bestreitung des Tatvorwurfes und ist nicht geeignet, die Einschätzung des Tatverdachtes durch das Oberlandesgericht Wien als dringend zu entkräften. Ob die angeführten Indizien letztlich auch ausreichen werden, den Beschwerdeführer der ihm angelasteten Verbrechen zu überführen, kann vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht geprüft werden, sondern muß nach den das österreichische Strafrecht beherrschenden Grundsätzen der Unmittelbarkeit, Mündlichkeit und freien richterlichen Beweiswürdigung ausschließlich den Tatrichtern überlassen bleiben.
Aber auch der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs. 2 Z 3 lit b StPO wurde vom Oberlandesgericht zutreffend angenommen.
In der Tat nämlich legt die trotz der bereits am 4.Februar 1992 eingeleiteten Voruntersuchung andauernde Delinquenz (siehe Punkt A/I und III, B und C der Anklageschrift) des Beschuldigten die Annahme nahe, er werde auch in Hinkunft gleichartige Straftaten begehen, woran seine Äußerung gegenüber dem Untersuchungsrichter "Das Ganze habe ihn aus politischen Gründen interessiert, er habe jetzt eine andere Einstellung, wolle sich damit nicht mehr abgeben und nicht mehr beschäftigen, weil es außer Gefängnis nichts bringe" nichts zu ändern vermag. Kann doch aus einer solchen Erklärung allein, die, wie dem Oberlandesgericht zuzugeben ist, möglicherweise nur taktischen Überlegungen entsprungen ist, noch nicht begründetermaßen auf eine tatsächliche innere Abkehr, die eine Wiederholungsgefahr verneinen ließe, geschlossen werden.
Daß die mit den Prognosetaten verbundenen Folgen jedenfalls nicht bloß leichter Natur sein können, ergibt sich schon daraus, daß das durch die Tatbestände nach dem Verbotsgesetz geschützte Rechtsgut die im Jahre 1945 in Österreich wiedererrichtete demokratische, die Menschenrechte sichernde staatliche Ordnung, mithin der Rechtsstaat ist. Handlungsweisen, die - wovon nach der Verdachtslage auszugehen ist - letztlich darauf abzielen, den Rechtsstaat durch das Wiedererstehen des Nationalsozialismus zu gefährden, können daher schon mit Rücksicht auf das angegriffene Schutzobjekt nicht mehr als Handlungen mit bloß leichten Folgen angesehen werden. Ob sie auch schwere Folgen besorgen lassen, ist dagegen weitgehend auf der Grundlage der konkreten Fallkonstellation (der Anlaßtaten) zu beurteilen, steht jedoch hier (im Hinblick auf das Erfordernis der "nicht bloß leichten Folgen" der Z 3 lit b im Gegensatz zu den "schweren Folgen" der Z 3 lit a des § 180 Abs. 2 StPO) nicht zur Diskussion.
Im Zusammenhalt mit dem Vorwurf wiederholter Tatbegehung liegen demnach sämtliche Voraussetzungen für die Annahme des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach dem § 180 Abs. 2 Z 3 lit b StPO vor.
Da auch die Dauer der bisher erlittenen Untersuchungshaft im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe angesichts der Höhe der hier maßgeblichen gesetzlichen Strafdrohung auch unter Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht offenbar unangemessen erscheint (§ 193 Abs. 2 StPO), ist die Entscheidung des Oberlandesgerichtes auch unter diesem Aspekt nicht zu beanstanden.
Durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien wurde daher das Grundrecht des Beschwerdeführers auf persönliche Freiheit nicht verletzt (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG), weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.
Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.
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