Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugemittelt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ernst Engelbert M***** des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143, zweiter Fall, StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 16.Juni 1992 in Velden am Wörthersee im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit (dem gesondert verfolgten) Alois B***** als Mittäter dem Jure S***** dadurch, daß sie ihn unter Vorhalt eines "Butterfly-Messers" zur Herausgabe seines mitgeführten Geldes aufforderten, ihn anschließend zu Boden stießen, ihm das Messer am Hals ansetzten, ihn festhielten und ihm einen Fußtritt gegen den Oberkörper versetzten, sohin mit Gewalt gegen seine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB), unter Verwendung einer Waffe, fremde bewegliche Sachen, nämlich 750 DM, mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz abzunötigen versucht.
Die Geschworenen hatten die ihnen anklagekonform gestellte Hauptfrage 1 nach schwerem Raub stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage 2 nach zur Tatzeit allenfalls gegebener Zurechnungsunfähigkeit (§ 11 StGB) stimmeneinhellig verneint. Die für den Fall der Bejahung der Zusatzfrage gestellte Eventualfrage in Richtung des Vergehens nach § 287 Abs. 1 StGB blieb demzufolge unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 10 a des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Als Verfahrensmangel im Sinn des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes (Z 5) rügt der Beschwerdeführer die Abweisung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisanträge (S 327) auf zeugenschaftliche Einvernahme des Gendarmerieinspektors M***** (II) als Verfasser des im Akt auf Seite 117 erliegenden Aktenvermerkes vom 16.Juni 1992, auf "Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens, in welchem dieser Aktenvermerk berücksichtigt werden soll", sowie auf Beischaffung "der Blutanalyse des Landeskrankenhauses Villach".
Der Schwurgerichtshof lehnte die Beweisaufnahmen unter Hinweis auf den laut Auskunft des genannten Krankenhauses nicht (mehr) vorhandenen Blutuntersuchungsbefund (S 297) mit der (weiteren) Begründung ab, daß der von dem Gendarmeriebeamten M***** verfaßte Aktenvermerk in der Hauptverhandlung verlesen und vom gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr.Scrinzi bei Erstattung seines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens, dem Mängel im Sinn der §§ 125, 126 StPO nicht anhaften, ohnedies berücksichtigt worden sei (S 328).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen konnten die in Rede stehenden Beweisaufnahmen, wie der Schwurgerichtshof zutreffend erkannte, ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben. Der Sache nach zielte der Antrag auf "Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens" auf die Beiziehung eines zweiten gerichtspsychiatrischen Sachverständigen zu einem Beweisthema ab, zu dem bereits das sowohl schriftlich erstattete (ON 20) als auch in der Hauptverhandlung mündlich aufrecht erhaltene und ergänzte Gutachten (S 215 ff) des Sachverständigen Dr.Scrinzi vorlag. Ein zweiter Sachverständiger ist aber nur dann beizuziehen, wenn der Befund des bereits beigezogenen Sachverständigen dunkel, unbestimmt oder mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen im Widerspruch stehend ist, oder sich zeigt, daß dessen Gutachten Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen werden können, und wenn sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung dieses Sachverständigen beseitigen lassen (§§ 125, 126 StPO), oder wenn die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen wegen der Schwierigkeit der Begutachtung erforderlich ist (vgl. § 118 Abs. 2 StPO), wobei als schwierig eine Begutachtung in der Regel nur dann angesehen werden kann, wenn der beigezogene Sachverständige die ihm vom Gericht vorgelegten Sachfragen entweder gar nicht oder doch nicht mit Bestimmtheit zu beantworten vermochte (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr. 66 ff zu § 118). Die gutächtlichen Darlegungen des Sachverständigen Dr.Scrinzi - in denen er insbesondere auf Grund des vom Beschwerdeführer selbst wiederholt geschilderten Verhaltens, dessen exakter Erinnerung an die wesentlichen Details der Ereignisabläufe, des konsequenten Vorgehens vor und nach der Tat (vgl. S 30 ff, 127 ff, 243 f, 310 ff) und der sich in all dem manifestierenden Vernunfttätigkeit und realen Umweltbeziehung des Beschwerdeführers sowie seiner Fähigkeit zu Wahrnehmungen und daraus abgeleiteten Schlüssen zum Ergebnis kam, daß beim Beschwerdeführer zur Tatzeit eine die Diskretions- und/oder Dispositionsfähigkeit ausschließende Beeinträchtigung der Bewußtseins- und Willenstätigkeit nicht vorlag (vgl. insbesondere S 225, 325) - sind widerspruchsfrei und stehen auch mit den erhobenen Tatumständen im Einklang, weshalb es an den gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Beiziehung eines zweiten psychiatrischen Sachverständigen fehlt (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 133, 133 a zu § 281 Z 4). Der Sachverständige nahm in seinem Gutachten zu allen, auch zu den in dem Aktenvermerk S 117 enthaltenen Blutalkoholwerten des Angeklagten Stellung und ließ auch dessen Angaben über die vor der Tat konsumierte Alkoholmenge und die Einnahme von Medikamenten nicht außer acht, brachte jedoch unter Hinweis auf das der Begutachtung zugrunde gelegte Gesamtverhalten des Angeklagten, der selbst nie Erinnerungslücken behauptete, zum Ausdruck, daß auch weitere (Befund-)Unterlagen über die Wirkung des genossenen Alkohols in Verbindung mit eingenommenen Medikamenten (Benzodiazitinen) nach Lage des Falles eine Änderung seiner gutächtlichen Beurteilung nicht bewirken könnten.
Wenn der Beschwerdeführer dagegen einwendet, die Blutanalyse sei das einzige objektive Beweismittel, welches einen sicheren Rückschluß auf seinen körperlichen und geistigen Zustand zum Tatzeitpunkt zulasse, so übersieht er, daß kein allgemeiner Erfahrungssatz besteht, wonach bei Vorliegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration Zurechnungsunfähigkeit gegeben sei (Leukauf-Steininger StGB3 § 11 RN 30, § 287 RN 9). Es kommt vielmehr stets auf die besonderen Umstände des konkreten Falles an, wobei außer dem Blutalkoholgehalt, dem lediglich Indizwirkung zukommt, auch noch weitere typische Kennzeichen einer vollen Berauschung, wie ungenaue Orientierung in Zeit und Raum, Sinnlosigkeit des Handelns, Erinnerungsverlust in bezug auf die Tatereignisse und auffallender Gegensatz des Tatverhaltens zum sonstigen Charakter des Täters, miteinzubeziehen sind.
Mit den vorstehenden Ausführungen über die hier nicht gegebenen Voraussetzungen, unter denen nach dem Gesetz das Gutachten eines weiteren Sachverständigen eingeholt werden kann, ist bereits klargestellt, weshalb der Angeklagte auch durch die Ablehnung seines Begehrens auf zeugenschaftliche Vernehmung des Gendarmeriebeamten M***** (II) und auf Beischaffung der (offensichtlich nicht mehr vorhandenen) "Blutanalyse" in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt wurde und die diesbezüglichen Anträge zu Recht der Ablehnung verfielen.
Als nicht berechtigt erweist sich auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), mit welcher unter Hinweis darauf, daß die Geschworenen in ihrer Niederschrift (§ 331 Abs. 3 StPO) zur Zusatzfrage 2 zum Ausdruck brachten, daß die Einnahme des Medikamentes Rohypnol beim Angeklagten nicht erwiesen sei, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch in bezug auf die Zurechnungsfähigkeit getroffenen Tatsachenfeststellungen geltend gemacht werden. Wiewohl die Niederschrift der Geschworenen bei Geltendmachung einer Tatsachenrüge (Z 10 a) zur Interpretation (des Wahrspruchs) herangezogen werden darf (Mayerhofer-Rieder aaO § 345 Abs. 1 Z 10 a), kommt es bei der Überprüfung einer Tatsachenrüge nicht auf die Stichhältigkeit der von den Geschworenen deklarierten Erwägungen, sondern ausschließlich darauf an, ob sich für den Obersten Gerichtshof selbst aus den damit relevierten Verfahrensergebnissen erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Verdikt zugrundeliegenden Beweiswürdigung ergeben. Gerade durch das zuvor bezeichnete gerichtspsychiatrische Sachverständigengutachten wurden jedoch den Geschworenen die zu einer verläßlichen Beurteilung der hier aktuellen Problematik geeigneten Verfahrensergebnisse an die Hand gegeben.
Der Beschwerdeführer vermag somit weder schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, noch auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die nach den Denkgesetzen oder nach allgemeiner menschlicher Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen der Geschworenen in entscheidungswesentlichen Fragen aufkommen lassen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285 d Abs. 1, 344 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Graz (§§ 285 i, 344 StPO).
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