OGH 13Os2/93

OGH13Os2/9310.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Andreas S* und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130, erster Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Peter S* und Brigitta I* sowie über die Berufung des Angeklagten Andreas S* (auch "wegen Schuld") gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3.Juni 1992, GZ 6 b Vr 610/92‑64, ferner über die damit verbundenen Beschwerden (§ 494 a Abs. 4 StPO) der drei Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, und der Verteidiger Dr.Villgrattner, Dr.Schmidt und Mag.Scheed, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00002.9300000.0310.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Peter S* und Brigitta I* werden verworfen.

Die Berufung des Angeklagten Andreas S* "wegen Schuld" wird zurückgewiesen.

Der Berufung der Angeklagten Brigitta I* wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Den Berufungen der Angeklagten Andreas S* und Peter S* sowie den Beschwerden aller Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Peter S* und Brigitta I* zu A I und II des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z 4 und 130, erster Fall, StGB, Andreas S* zu A II des Verbrechens des gewerbsmäßigen Diebstahls nach den §§ 127, 130, erster Fall, StGB schuldig erkannt.

Darnach haben in Wien gewerbsmäßig im einverständlichen Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) fremde bewegliche Sachen in einem teils 25.000 S übersteigenden Gesamtwert anderen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I. Peter S* und Brigitta I* am 16.Jänner 1992 der Liane F* (Schmuckdiskont Kiro‑Gold) eine Vollgoldkette im Wert von 23.230 S,

II. Andreas S*, Peter S* und Brigitta I* am 17.Jänner 1992

a) der Elisabeth B* (Juwelier R*) ein Goldarmband im Wert von 1.500 S, ein Garibaldiarmband im Wert von 2.500 S und eine Hohlpanzerhalskette im Wert von ca 5.000 S, sowie

b) dem Juwelier Olaf P* eine Goldkette Catena im Wert von 9.600 S.

 

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen der Zweitangeklagte Peter S* und die Drittangeklagte Brigitta I* mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden. Die vom Erstangeklagten Andreas S* angemeldete, aber nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde wurde bereits mit rechtskräftigem Beschluß des Vorsitzenden vom 27.November 1992 (ON 86) zurückgewiesen. Die schriftlich ausgeführte Schuldberufung dieses Angeklagten war zurückzuweisen, weil in den Strafprozeßgesetzen ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile nicht vorgesehen ist.

Während der Zweitangeklagte Peter S* seine Nichtigkeitsbeschwerde auf die Z 5, 5 a und 9 lit a (richtig: lit b) des § 281 Abs. 1 StPO gründet, stützt die Drittangeklagte Brigitta I* ihre Nichtigkeitsbeschwerde nominell auf die Z 5, "9", "9 a" und "10 f", der Sache nach allerdings ausschließlich auf die Z 5, des § 281 Abs. 1 StPO.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter S*:

Als Urteilsunvollständigkeit (Z 5) macht dieser Beschwerdeführer geltend, das Erstgericht habe seine Verantwortung, er und seine Lebensgefährtin, die Drittangeklagte, hätten am 16.Jänner 1992 das Juweliergeschäft der Liane F* lediglich deshalb aufgesucht, um eine Kette reservieren zu lassen, deshalb für unglaubwürdig befunden, weil nicht anzunehmen sei, daß die beschäftigungslose und von geringfügiger Arbeitslosenunterstützung lebende Drittangeklagte ihm ein derart wertvolles Geschenk machen wollte; dabei habe das Schöffengericht aber die Verantwortung des Zweitangeklagten übergangen, daß er Brigitta I* damals auch einen Teil seines Monatslohnes überlassen habe. Überdies habe das Erstgericht nicht begründet, weshalb dieses Vorbringen des Beschwerdeführers nicht stichhaltig sei.

Mit dieser Verantwortung des Zweitangeklagten mußte sich das Schöffengericht allerdings nicht auseinandersetzen, denn das festgestellte Verlassen des Juweliergeschäftes durch den Beschwerdeführer und die Drittangeklagte, wobei sie die Kette ohne Bezahlung mitnahmen, unter dem Vorwand, einen Scheck aus dem Auto zu holen, läßt in denkmöglicher Weise die Annahme eines Handelns der beiden Tatbeteiligten mit Diebstahlsvorsatz im Faktum I zu, ohne daß es darauf ankäme, ob die Drittangeklagte über ausreichende Barmittel zur Bezahlung der Kette verfügte; der Beschwerdeeinwand betrifft demnach keine entscheidende Tatsache und bedurfte deshalb im Urteil keiner Erwähnung.

Nach eingehender Prüfung der in der Beweisrüge (Z 5 a) erhobenen Einwände anhand der Akten ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen in Ansehung der subjektiven Tatseite. Der Sache nach unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen insgesamt nur den im schöffengerichtlichen Verfahren nach wie vor unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahme aufkommen lassen.

Mit der Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a) werden Feststellungsmängel dahin geltend gemacht, ob der Zweitangeklagte das Unrecht der Tat (ersichtlich in den Fakten II a und b) einzusehen in der Lage war, weil die Zeugin Elisabeth B* in der Hauptverhandlung am 3.Juni 1992 (S 357) auf die Frage, ob die Angeklagten auf sie einen alkoholisierten Eindruck gemacht hätten, mit: "Ja, irgendwie komisch" geantwortet hätte und weil der Beschwerdeführer in einem Schreiben an das Gericht ausgeführt hat, er wolle sich einer Therapie unterziehen und nie mehr mit Suchtgift in Berührung kommen (S 282).

Da die erwähnte Aussage der Zeugin B* lediglich auf eine Alkoholisierung, keinesfalls aber auf eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende Volltrunkenheit hinweist, auch das genannte Schreiben bloß Anhaltspunkte für einen vormaligen Suchtgiftkonsum, nicht aber für Zurechnungsunfähigkeit zur Tatzeit bietet und der Zweitangeklagte sich im gesamten Verfahren nie mit dem Vorhandensein von Schuldausschließungsgründen verantwortet hat, waren nach Lage des Falles Feststellungen dahin, ob der Beschwerdeführer zur Tatzeit in der Lage war, das Unrecht seiner Tat einzusehen, nicht geboten.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Brigitta I*:

Diese Beschwerdeführerin wendet sich ersichtlich bloß gegen die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung. Dem Sinne nach führt sie in ihrem Rechtsmittel aus, daß Bedarf an Geldmitteln, Einkommenslosigkeit und das Aufsuchen zahlreicher nächstgelegener Juweliergeschäfte keine taugliche Begründung für die Urteilsannahme seien, sie habe beabsichtigt, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dazu komme, daß Bedarf an Geldmitteln ein allgemeines, mit wenigen Ausnahmen jedermann betreffendes Phänomen sei, das schon aus diesem Grund nicht geeignet sein könne, die Annahme der Gewerbsmäßigkeit zu begründen. Die Einkommenslosigkeit der Drittangeklagten stehe im Widerspruch zur Feststellung (US 4), wonach die Genannte eine "Einkommenslosenunterstützung" (gemeint wohl: Arbeitslosenunterstützung ‑ vgl US 7) in der Höhe von 5.000 S netto monatlich beziehe. Letztlich betreffe das Aufsuchen zahlreicher nächstgelegener Juweliergeschäfte nicht die Frage der Gewerbsmäßigkeit. Die Argumentation des Erstgerichtes, die angeführten Umstände ließen den einzigen Schluß zu, daß die Drittangeklagte in der Absicht gehandelt habe, sich durch wiederkehrende Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, sei demnach eine Scheinbegründung. Die im Urteil angeführten Umstände ließen bei objektiver Betrachtungsweise eine Schlußfolgerung in jede Richtung zu, weshalb es unzulässig sei, diese Prämissen zu Lasten der Beschwerdeführerin zu deuten.

Damit wird der Sache nach aber lediglich ein Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO in bezug auf die von den Tatrichtern für erwiesen gehaltenen, die rechtliche Annahme einer Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung rechtfertigenden Sachverhaltskonstatierungen behauptet; dies indes zu Unrecht.

Eine verständige Interpretation der für das im Ersturteil konstatierte gewerbsmäßige Vorgehen angegebenen Gründe ergibt, daß dort unter "Einkommenslosigkeit" das Fehlen eines auf geregelter Arbeit beruhenden Einkommens gemeint ist, was auf den Erstangeklagten und die Drittangeklagte zutrifft. Daß die Beschwerdeführer Bedarf an Geldmittel hatten, ist nicht als allgemeine Floskel zu verstehen, denn das Erstgericht hat diesbezüglich ausgeführt, daß die Geldmittel der Beschaffung von Ersatzdrogen (verbo: "medikamentenabhängig" in US 13) für den Erstangeklagten und die Drittangeklagte dienen sollten. Dem Beschwerdevorbringen zuwider stellt das Aufsuchen zahlreicher (nächstgelegener) Juweliergeschäfte mit Diebstahlsvorsatz im Verein mit der festgestellten Einkommenslosigkeit und dem Bedarf an Geldmitteln zur Medikamentenbeschaffung eine durchaus denkmögliche Begründung für die Annahme dar, die Täter würden die Diebstähle in der Absicht begehen, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Daß die aufgezeigten Argumente auch andere, für die Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen zulassen, vermag daran nichts zu ändern (EvBl 1967, 48; RZ 1969/68).

Die unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerden waren daher zu verwerfen.

Dem ist noch beizufügen, daß die auch beim Angeklagten Andreas S* angenommene rechtliche Qualifikation gewerbsmäßiger Begehungsweise nach dem § 130, erster Fall, StGB in den ihn betreffenden tatsächlichen Feststellungen durchaus ihre Deckung findet, weshalb zu einem von seinem Verteidiger im Gerichtstag insoweit angeregten Vorgehen nach dem § 290 Abs. 1 StPO kein Anlaß bestanden hat.

Das Schöffengericht verhängte über die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB Freiheitsstrafen, und zwar über Andreas S* und Peter S* in der Dauer von jeweils zwei Jahren, über Brigitta I* in der Dauer von zwanzig Monaten.

Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend bei Andreas S* sechs auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen und den raschen Rückfall, bei Peter S* drei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen und den raschen Rückfall sowie bei Brigitta I* eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafe und gleichfalls den raschen Rückfall, als mildernd hingegen bei allen Angeklagten die Sicherstellung der Diebsbeute und bei der Drittangeklagten darüber hinaus das bei ihr bestehende Psychosyndrom.

Gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO widerrief das Erstgericht die bedingte Strafnachsicht, die dem Angeklagten Andreas S* mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.November 1989, AZ 1 d EVr 8219/89‑Hv 5272/89, dem Peter S* mit den Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 6.Dezember 1990, AZ 12 d E Vr 3615/90‑Hv 2021/90, und vom 27.Mai 1991, AZ 6 b E Vr 11971/90‑Hv 1584/91, sowie der Brigitta I* mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.Mai 1991, AZ 6 b E Vr 11971/90‑Hv 1584/91, gewährt worden war.

Mit ihren Berufungen (wegen Strafe) begehren die drei Angeklagten die Herabsetzung der über sie verhängten Freiheitsstrafen; ihre Beschwerden gegen die gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO ergangenen Beschlüsse zielen auf ein Absehen vom Widerruf, allenfalls auf eine bloße Verlängerung der Probezeit ab.

Nur die Berufung der Angeklagten Brigitta I* ist begründet.

Mit Recht weist die Berufungswerberin darauf hin, daß sie in Ansehung ihrer Person ein vollständiges und reumütiges Geständnis abgelegt hat. Daß sie zugleich die beiden Mitangeklagten zu entlasten suchte, vermag ihr persönliches Schuldbekenntnis ‑ entgegen der Auffassung des Schöffensenates (US 15) ‑ nicht entscheidend zu entwerten. Es wird ihr dadurch nur der weitere Milderungsgrund genommen, daß sie auch zur Überführung ihrer Komplizen und damit über den sie allein betreffenden Sachverhalt hinausgehend wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hätte. Im übrigen gebietet auch die erheblich geringere Vorstrafenbelastung der Angeklagten Brigitta I* eine deutlichere Differenzierung gegenüber den über die Mitangeklagten verhängten Freiheitsstrafen, weshalb bei ihr mit einem Strafausmaß von 15 Monaten das Auslangen gefunden werden konnte. Dabei wurde auch im Sinne einer Gesamtregelung der Straffrage angemessen berücksichtigt (vgl 12 Os 165,166/88; Foregger‑Serini MTA7 Anm III zu § 494 a StPO), daß sie infolge des Widerrufes einer teilbedingten Strafnachsicht weitere 12 Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen haben wird.

Hingegen sind die Berufungen der Angeklagten Andreas S* und Peter S* unbegründet.

Das Erstgericht hat insoweit die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig aufgezählt und auch zutreffend bewertet. Keiner dieser beiden Berufungswerber vermag zusätzliche Milderungsgründe aufzuzeigen oder darzutun, daß Erschwerungsumstände zu Unrecht angenommen worden wären. Von einer ins Gewicht fallenden Verminderung der Zurechnungsfähigkeit kann beim Angeklagten Andreas S* angesichts der geschickten Tatausführung keine Rede sein. Die Zustandebringung der Beute wurde ohnedies berücksichtigt.

Dem Angeklagten Peter S* hinwieder wird keineswegs eine führende Tatbeteiligung angelastet. Daß bei raffinierten Trickdiebstählen weder von einer besonders verlockenden Gelegenheit zur Tat noch von Unbesonnenheit gesprochen werden kann, bedarf keiner besonderen Erörterung.

Die über die Angeklagten Andreas und Peter S* verhängten Freiheitsstrafen sind daher ‑ auch unter Berücksichtigung der zufolge der Widerrufsentscheidung zu verbüßenden früheren Strafen ‑ keineswegs überhöht.

Eben dieser Widerruf bedingter Strafnachsichten war aber bei allen drei Angeklagten wegen des jeweils raschen Rückfalls und des Gewichtes der ihnen nunmehr zur Last liegenden gewerbsmäßigen Diebstähle geboten, weil es des zusätzlichen Vollzuges der über sie früher verhängten und bloß auf Probe ausgesetzten Strafen bedarf, um sie von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB).

Es mußte daher auch den Beschwerden ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

 

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