OGH 13Os7/93

OGH13Os7/931.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef H* wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Kreisgericht Leoben vom 12.Oktober 1992, GZ 19 Vr 6/92‑53, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr.Fetz zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0130OS00007.9300000.0310.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am 21.September 1963 geborene Forstarbeiter Josef H* des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 5.Jänner 1992 in Gstatterboden seine Ehegattin Christine H* durch Ertränken in der Badewanne vorsätzlich getötet hat.

Die Geschworenen hatten die anklagekonform gestellte Hauptfrage nach Mord stimmenmehrheitlich (5 : 3) bejaht und die Eventualfrage nach Totschlag (§ 76 StGB) folgerichtig unbeantwortet gelassen. Weitere Fragen sind nicht gestellt worden.

 

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die in keinem Anfechtungspunkt begründet ist.

Unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer als Verletzung der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften über die Fragestellung an die Geschworenen das Unterbleiben einer Eventualfrage nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83, 86 StGB, die im Hinblick auf die Bestreitung eines Tötungsvorsatzes indiziert gewesen sei.

Gemäß dem § 314 Abs 1 StPO ist an die Geschworenen u.a. dann eine entsprechende Schuld‑ (Eventual‑)Frage zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht worden sind, nach denen ‑ wenn sie als erwiesen angenommen werden ‑ die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte. Das bloße Bestreiten des dem Angeklagten angelasteten Tötungsvorsatzes enthält für sich allein noch nicht die Behauptung, mit Verletzungsvorsatz gehandelt zu haben, und verpflichtet demnach den Schwurgerichtshof auch nicht zur Stellung einer Eventualfrage in Richtung der §§ 83, 86 StGB, sofern im übrigen Beweisverfahren nicht Umstände hervorgekommen sind, die eine solche Frage geboten erscheinen lassen (Mayerhofer‑Rieder StPO3 E 28 zu § 314; EvBl 1968/373).

Die Verantwortung des zunächst im Vorverfahren des Mordes geständigen (S 22 f, 92/I) Angeklagten in der Hauptverhandlung blieb in bezug auf die subjektive Tatseite widersprüchlich, weil er sich einerseits des Totschlages schuldig bekannte (S 60/II), andererseits aber einen Tötungsvorsatz in Abrede stellte (S 70/II). Allein in dieser zuletzt gewählten Einlassung kann aber ein vom Beschwerdeführer bei Tatausführung vorgelegenes, bloß auf Verletzung des Tatopfers gerichtetes Vorhaben nicht abgeleitet werden. Nach den Ergebnissen der Hauptverhandlung fehlt es demnach an einem Tatsachensubstrat, das zur Stellung der vermißten Eventualfrage hätte Anlaß geben können.

Unbegründet ist auch der die Eventualfrage nach Totschlag betreffende Vorwurf einer unvollständigen und unrichtigen Rechtsbelehrung im Sinne der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO. Die vom Beschwerdeführer zunächst vermißten Erläuterungen in der Rechtsbelehrung zum Tatbestand der schweren Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83, 86 StGB sind zu Recht unterblieben, weil die Rechtsbelehrung nur zu den tatsächlich gestellten Fragen zu erteilen (§ 321 Abs 2 StPO), vorliegend aber eine Fragestellung in diese Richtung ‑ wie dargetan zutreffend ‑ unterblieben ist (Mayerhofer‑Rieder a.a.O. E 20 zu § 345 Abs 1 Z 8 StPO).

Inwiefern die Rechtsbelehrung die Geschworenen über das gegenseitige Verhältnis der Hauptfrage nach dem § 75 StGB und der Eventualfrage nach dem § 76 StGB hätte beirren können, kann der Beschwerde nicht entnommen werden, zumal sich dieses angesichts der Kürze und Übersichtlichkeit des Fragenschemas unmißverständlich aus den Ausführungen in der Rechtsbelehrung (S 151/II) in Verbindung mit dem entsprechenden Hinweis im Fragenformular (S 117/II) ergibt.

Eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung erblickt der Beschwerdeführer in der seiner Auffassung nach sich nur auf allgemeine Hinweise beschränkenden Erläuterung des Tatbestandsmerkmales der allgemeinen Begreiflichkeit einer Gemütsbewegung. Soweit er mit diesem Einwand rügt, eine Bezugnahme in der Rechtsbelehrung auf das im konkreten Fall zu beurteilende Tatgeschehen sei unterblieben, ist ihm entgegenzuhalten, daß eine solche Bezugnahme nach der Prozeßordnung gar nicht vorgesehen ist. Denn es ist nicht Aufgabe der Rechtsbelehrung, sondern der vom Vorsitzenden mit den Geschworenen gemäß dem § 323 Abs 2 StPO abzuhaltenden, einer Anfechtung im Verfahren über eine Nichtigkeitsbeschwerde entzogenen Besprechung, bei Erörterung der einzelnen Fragen die darin aufgenommenen Gesetzesmerkmale der strafbaren Handlung auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurückzuführen, die für die Beantwortung der Fragen entscheidenden Tatsachen hervorzuheben und insoweit auch auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung hinzuweisen (Mayerhofer‑Rieder a.a.O. E 14 f, 18 zu § 345 Abs 1 Z 8 StPO). Im übrigen umfaßte die den Geschworenen zur Eventualfrage nach dem § 76 StGB erteilte Rechtsbelehrung (vgl S 151 ff/II) der herrschenden Lehre und Judikatur entsprechende und somit durchaus zutreffende Ausführungen zur allgemeinen Begreiflichkeit einer Gemütsbewegung im Sinne des § 76 StGB (vgl Leukauf‑Steininger Komm3 RN 11 ff; Kienapfel BT I3, Rz 14 ff jeweils zu § 76 StGB mit Judikaturnachweisen), ohne daß irgendein Anlaß zur mißverständlichen Auffassung über den Grad ihrer Heftigkeit und ihre Begreiflichkeit für den (in der Rechtsbelehrung dargestellten) "Menschen von durchschnittlicher Rechtstreue" (vgl JBl 1988, 330) als Maßstab bei Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmales erkennbar wäre. Die bemängelte Wendung läßt jedenfalls eine Deutung, daß die Tat und nicht die Gemütsbewegung allgemein verständlich sein müsse (ÖJZ‑LSK 1977/397), nicht zu. Den bezüglichen Beschwerdeausführungen zuwider bestand keine Notwendigkeit, diesen Erläuterungen eine weitere Klarstellung durch Bezugnahme auf Modalitäten der Tatausführung beizufügen.

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Inhalt der Niederschrift der Geschworenen aufzeigen will, daß diese bei ihrem Wahrspruch tatsächlich von einer unrichtigen Rechtsauffassung ausgegangen seien, übersieht er, daß die Niederschrift gemäß dem § 331 Abs 3 StPO nicht zum Wahrspruch gehört, ihr auch nicht die Funktion einer (anfechtbaren) Begründung des Wahrspruches im technischen Sinne zukommt und somit nicht auf die dort festgehaltenen Erwägungen, von denen sich die Geschworenen bei ihrem Wahrspruch leiten ließen, zur Darlegung eines Nichtigkeitsgrundes (hier der Z 8 des § 345 Abs 1 StPO) zurückgegriffen werden kann (vgl Mayerhofer‑Rieder a.a.O. E 11 f zu § 331 StPO). Für die Frage der Richtigkeit der Rechtsbelehrung ist schließlich die in der Beschwerde kritisierte Dauer der Beratung und Abstimmung der Geschworenen ohne Bedeutung (13 Os 64/86).

Nicht zielführend ist aber auch die Tatsachenrüge (Z 10 a), mit der der Angeklagte das Verdikt deshalb anzweifelt, weil ihm die Privilegierung des § 76 StGB nicht zugebilligt worden ist. Nach Prüfung der Akten und des Beschwerdevorbringens ergeben sich für den Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsache, daß der Angeklagte sich zur Tötung seiner Frau nicht in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung hat hinreißen lassen.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef H* war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht als erschwerend, daß der Angeklagte in einer für das Opfer grausamen und qualvollen Art gehandelt hat; als mildernd hielt es ihm seine Unbescholtenheit und einen hochgradigen Erregungszustand zur Tatzeit zugute, verwies in diesem Zusammenhang auf seine ungünstige Persönlichkeitsstruktur und bewertete schließlich seine Angaben insbesondere in der Voruntersuchung als wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung. Es verhängte über ihn nach dem § 75 StGB siebzehn Jahre Freiheitsstrafe.

Mit seiner gegen diesen Strafausspruch gerichteten Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe unter das gesetzliche Mindestmaß (§ 41 StGB) an.

Auch die Berufung ist unbegründet.

Der Berufungswerber vermag nämlich mit seinen Ausführungen weder Milderungsgründe aufzuzeigen, die das Geschworenengericht übersehen hätte, noch darzutun, daß Erschwerungsumstände zu Unrecht angenommen worden wären. Er wiederholt vielmehr im wesentlichen sein Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 10 a), indem er auf seine (vermeintlich) ausweglose Konfliktsituation hinweist und die Tötung seiner Ehefrau als spontane, auf eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung zurückzuführende Verzweiflungstat darstellt. Einen hochgradigen Erregungszustand zur Tatzeit hat ihm das Geschworenengericht allerdings ohnedies als mildernd zugebilligt, wenngleich diesem nach dem Wahrspruch die allgemeine Begreiflichkeit fehlte. Auch sonst hat das Geschworenengericht die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig aufgezählt, aber auch zutreffend gewürdigt. Der Angeklagte hat gegen seine wehrlose Ehefrau, die auf Hilfe von außen nicht hoffen durfte und ihn deshalb wiederholt um ihr Leben bat, auf besonders grausame Weise gehandelt und sie überdies längere Zeit in einen außergewöhnlichen Zustand qualvoller Todesangst versetzt. Diese Umstände stehen einer weiteren Herabsetzung der ohnedies unter dem Höchstmaß festgesetzten zeitlichen Freiheitsstrafe entgegen.

Die Pflicht zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.

 

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