OGH 13Os11/93

OGH13Os11/9310.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Muharrem A***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Muharrem A***** und Hasan G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10.Dezember 1992, GZ 29 Vr 1418/92-117, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Muharrem A***** und Hasan G***** des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach den §§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben sie Anfang Oktober 1991 in Landeck im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit dem Vorsatz, sich oder andere durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Ömer K***** durch die Aufforderung, 50.000 S zu übergeben, ansonsten sie ihm die Ohren und die Nase abschneiden und ihm diese in den Mund stecken, sie mit Waffen wieder zum Verein "Österreicher-türkischer-islamischer Verein für Kultur und soziale Arbeit" kommen und den Verein in einer Stunde vernichten und ihn (K*****) töten würden, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod und einer auffallenden Verunstaltung, zu einer Handlung zu nötigen versucht, die ihn oder den angeführten Verein am Vermögen schädigen sollte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen die Angeklagten mit einer gemeinsam ausgeführten, auf die Gründe der Z 5, 5 a, 9 lit. a und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Das Erstgericht nahm auf Grund eines von der Interpol Wiesbaden übermittelten Personagrammes als erwiesen an, daß der Erstangeklagte A***** Mitglied der aktiven und militanten kurdischen Organisation PKK ist und seit dem Frühjahr 1987 auch als Ersatzkandidat des Zentralkomitees der PKK Europa fungiert (S 11). Im Hinblick auf die Angaben des Zweitangeklagten G***** im Asylverfahren ging das Erstgericht davon aus, daß dieser nicht nur seit dem Jahre 1977 fanatischer Sympathisant der PKK war, sondern im Jahre 1979 für diese Organisation auch Kurierdienste verrichtete (US 12).

Die beiden Angeklagten bekannten sich nicht schuldig.

Die Urteilsfeststellung, daß sie entgegen ihrer Verantwortung zur Tatzeit im Oktober 1991 das Lokal des Türkisch-islamischen Vereins in Landeck aufgesucht hatten, gründete das Erstgericht auf die Aussage der Zeugen Ömer K*****, Mehmet C***** und Recep C***** (US 18). Daß die Angeklagten bei diesem Besuch den Ömer K***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod und einer auffallenden Verunstaltung zur Herausgabe eines Geldbetrages zu nötigen versucht haben, hielten die Tatrichter durch die Aussage des Genannten für erwiesen (US 14-19).

Die Mängelrüge vermag demgegenüber keine Begründungsmängel der Entscheidung in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO aufzuzeigen.

Die Urteilsfeststellung, daß der Vorbeter und Prediger des Türkisch-islamischen Vereins, Recep C*****, im August 1991 von einer türkisch sprechenden Person im Verein in Landeck angerufen und aufgefordert wurde, den Ort zu verlassen (US 8/9), betrifft keine entscheidende Tatsache. Denn sie berührt nicht die den Gegenstand des Schuldspruches bildenden Tathandlungen und ist für den Verfahrensausgang bedeutungslos; daher waren alle damit zusammenhängenden, in der Rüge angeführten Umstände bei der Überprüfung des Urteils im Sinne der Z 5 nicht beachtlich (vgl. SSt. 45/27).

Was die in der Mängelrüge angeführten Verzögerungen bei den Erhebungen durch die Sicherheitsbehörden und insbes. bei der Identifikation der Angeklagten betrifft, so hat das Gericht diese Umstände insoferne in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen, als es darauf verwies, daß die in diesem Verfahren vernommenen Personen aus Angst für sich und ihre Angehörigen um absolute Vertraulichkeit ersuchten und unter allen Umständen vermeiden wollten, vor Gericht auszusagen (US 14), und daß auch versucht worden ist, die Zeugen zu beeinflussen (vgl. US 18 letzter Absatz, 19 und der dort angeführte Vorfall). Wenn die Rüge unter Hinweis insbesondere darauf, daß die Belastungszeugen ihre Aussagen nur zögernd ablegten, Auskunftspersonen vom Zeugen K***** erst relativ spät genannt wurden und daß bei der Anzeigeerstattung am 15.Jänner 1992 der Tatzeitpunkt zunächst mit November 1991 genannt worden ist, die Schlußfolgerung für begründet hält, daß es sich insgesamt um konstruierte und unrichtige Anschuldigungen, um ein Komplott gegen die Angeklagten unter Federführung K***** handle, so erschöpfen sich diese Ausführungen in einer versuchten Umwertung der Verfahrensergebnisse und damit einer unzulässigen Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Entgegen dem Vorbringen in der Mängelrüge hat sich das Erstgericht ausführlich mt der Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen K***** auseinandergesetzt (vgl. US 14 bis 19). Soweit die Mängelrüge unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit und unzureichenden Begründung den Beweiswert der Aussage dieses Zeugen bekämpft, verkennt sie grundsätzlich das Wesen der angerufenen Gesetzesstelle und der dort umschriebenen verschiedenen Arten von Begründungsmängeln einerseits und den Umfang der Begründungspflicht von Urteilen gemäß dem § 270 Abs. 2 Z 5 StPO andererseits. Denn es war insbesondere im Hinblick auf die zuletzt zitierte Bestimmung nicht notwendig, im Urteil zu allem Vorbringen der Angeklagten Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind. Es genügte vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil in gedrängter Form jene Gründe anführte, die ihn von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen K***** überzeugten (vgl. Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 281 Z 5 ENr. 7 ff). In diesem Sinne hat sich das Gericht mit allen entscheidungswesentlichen Umständen, ua auch mit den in der Rüge angeführten Kriterien befaßt, daß der Zeuge in der Hauptverhandlung nicht alle diese Drohungen von sich aus wiedergab (US 15), aus welchen Gründen die Anzeige nicht unmittelbar nach dem Vorfall erstattet wurde (US 16) und daß der Zeuge die Drohung, es würden ihm im Falle der Nichtzahlung die Ohren und die Nase abgeschnitten und in den Mund gesteckt werden, erstmals vor dem Untersuchungsrichter erwähnte (US 16/17). Im übrigen ergeht sich die Rüge in Spekulationen, so mit der Behauptung, K***** sei als "Konfident" tätig, es komme ihm als "Aga" bei seinen Landsleuten eine herausragende Stellung zu.

Nach eingehender Prüfung der in der Beweisrüge (Z 5 a) erhobenen Einwände gelangt der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß damit keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen dargetan werden. Der Sache nach unternimmt der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen insgesamt nur den im schöffengerichtlichen Verfahren (nach wie vor unzulässigen) Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung zustandegekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahme aufkommen lassen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) behauptet Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite, übergeht aber die Urteilsfeststellungen, daß die beiden Angeklagten im bewußten und gewollten Zusammenwirken beabsichtigten, den Zeugen K***** zu erpressen und daß beide den Genannten in der Weise bedrohten, daß für den Fall, daß er nicht bezahle, sie mit Waffen wiederkommen und den Verein in einer Stunde vernichten würden, ihm die Ohren und die Nase abgeschnitten und in den Mund gesteckt und er umgebracht würde und daß sie ferner beabsichtigten, durch diese Drohung den Zeugen K***** zur Übergabe von 50.000 S zu bewegen. Das Erstgerichts konstatierte weiters, daß die Angeklagten bedachten, daß sie im Falle der geforderten Zahlung K***** oder den Verein um diesen Betrag schädigen würden, sich aber innerlich damit abfanden und bezweckten, durch das Verhalten des K***** sich oder Dritten Vermögensvorteile zu verschaffen (US 9 f). Solcherart gelangt aber der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund - dessen Vorliegen auch bei der Behauptung von Feststellungsmängeln nur durch einen Vergleich des im Urteil tatsächlich als erwiesen angenommenen vollständigen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz dargetan werden kann - nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung (13 Os 136/90 ua).

Auf die Behauptung eines Fehlers in der Vorhaftanrechnung hinsichtlich des Angeklagten A*****, geltend gemacht unter der Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO, ist im Rahmen der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht einzugehen (vgl. Foregger-Serini-Kodek, StPO5 zu § 281 Abs. 1 Z 11 erster Fall StPO). Eine fehlerhafte Vorhaftberechnung ist gemäß dem § 400 Abs. 2 StPO vom Erstgericht mit Beschluß richtigzustellen. Gegebenenfalls kann das bezügliche Vorbringen gemäß dem § 283 Abs. 2 StPO als Berufungsausführung gewertet werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der genannten Gesetzesstelle iVm dem § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten fällt demnach in die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

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