Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.355,26 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin S 4.225,88 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Verlegerin der Tageszeitung "täglich Alles". Die Erstbeklagte ist Verlegerin der "Neuen Kronen-Zeitung", die Drittbeklagte deren Medieninhaberin; der Fünfbeklagte ist Journalist und Verfasser des beanstandeten Artikels. Die Zweitbeklagte ist persönlich haftende Gesellschafterin der Erstbeklagten; die Viertbeklagte persönlich haftende Gesellschafterin der Drittbeklagten.
Das Titelblatt der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 12.3.1992 war wie folgt gestaltet:
Auf den Seiten 10 und 11 derselben Ausgabe fand sich der nachstehende Artikel:
Jack Unterweger ist nicht vom Fünftbeklagten interviewt worden. Der Fünftbeklagte erhielt Fotos und Interview von einem Redakteur des deutschen Medienunternehmens "Spiegel-TV" zur exklusiven Verwendung in Österreich gegen Zahlung eines Betrages von 2.500.- US-Dollar.
Die Klägerin begehrt zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung zu untersagen, Interviews in der "Neuen Kronen-Zeitung" anzukündigen und/oder zu veröffentlichen , wenn durch die Art der Ankündigung oder Veröffentlichung der irreführende und unrichtige Eindruck erweckt wird, es handle sich um ein von einem Reporter der "Neuen Kronen-Zeitung", zB Michael J*****, geführtes Interview für die "Neue Kronen-Zeitung", wenn das Interview in Wahrheit nicht von einem Reporter der "Neuen Kronen-Zeitung", insbesondere nicht von Michael J*****, geführt und nicht für die "Neue Kronen-Zeitung" gegeben, sondern von einem Dritten, zB dem "Spiegel-TV", gekauft wurde, insbesondere wenn die Ankündigung und/oder Veröffentlichung mit Bildern und/oder Texten wie beispielsweise "Interview mit Jack Unterweger im Gefängnis von Miami", "1 1/2-stündiges Interview mit dem Häfenpoeten", "Bildbericht im Blattinneren", "Michael J***** aus Miami", "Interview für die Krone mit Unterweger im Gefängnis; das, was Sie hier lesen, ist Jack Unterweger life", "vor exakt drei Tagen im Staatsgefängnis von Miami aufgezeichnet", "exklusiv für die Krone" erfolgt.
Durch die Veröffentlichungen auf der Titelseite und auf den Seiten 10 und 11 der "Neuen Kronen-Zeitung" vom 12.3.1992 werde der irreführende Eindruck erweckt, die "Neue Kronen-Zeitung" bringe ein Interview, das Jack Unterweger dem Krone-Reporter Michael J***** gegeben hat. Die sensationell aufgemachte wahrheitswidrige Vortäuschung eines Eigeninterviews erwecke beim potentiellen Leser und Zeitungskäufer den irreführenden Eindruck besonderer journalistischer Aktualität und Durchschlagskraft des Blattes; dadurch werde ein besonderer Kaufanreiz geschaffen. Die Beklagten hätten daher zu Wettbewerbszwecken gegen die guten Sitten im geschäftlichen Verkehr und gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften, insbesondere gegen §§ 1 und 2 UWG, verstoßen.
Die Beklagten beantragen, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Austausch von Interviews und die Veröffentlichung von Interviews in einem Medium, die nicht von einem Mitarbeiter dieses Mediums aufgenommen wurden, sei in Journalistenkreisen weltweit üblich. Dem durchschnittlichen Zeitungsleser sei es gleichgültig, wer die Recherchen durchgeführt hat, wenn die Informationen den Tatsachen entsprechen. Im Interview werde nicht behauptet, daß der Fünftbeklagte persönlich Jack Unterweger interviewt hätte oder daß er Hersteller der Fotos wäre. Die Wendung "exklusiv für die Krone" entspreche den Tatsachen, weil der Interviewer im Auftrag der "Neuen Kronen-Zeitung" gehandelt und mit dieser eine Exklusivitätsvereinbarung geschlossen habe.
Die "Neue Kronen-Zeitung" habe tatsächlich als einzige Zeitung Österreichs ein von Jack Unterweger im Gefängnis von Miami gegebenes Interview veröffentlicht; dadurch habe sie journalistische Aktualität und Durchschlagskraft bewiesen.
Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Dem Durchschnittsleser der "Neuen Kronen-Zeitung" sei an der neuesten Berichterstattung über Jack Unterweger gelegen; es sei ihm gleichgültig, wer die Fotos aufgenommen und das Interview geführt hat. Eine allenfalls unrichtige Vorstellung darüber sei nicht geeignet, den Kaufentschluß zu beeinflussen. Daß Interview und Fotos exklusiv in der "Neuen Kronen-Zeitung" veröffentlicht wurden, habe sich als wahr erwiesen.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Die Qualität einer Zeitung hänge im besonderen von der Qualität der für sie tätigen Journalisten ab. Auch ein durchschnittlicher Leser einer Tageszeitung erwarte von einem besonders qualifizierten Journalisten Interviews, die nicht nur über konkrete Sachverhalte informieren, sondern auch Hintergrundinformationen enthalten. Es mache daher auch für den Durchschnitsleser einen Unterschied, ob ein Journalist ein von ihm selbst geführtes Interview wiedergibt oder ob er ein Interview aus Tonbandmitschnitten rekonstruiert. Die beanstandete Veröffentlichung und vor allem auch die Behauptung "exklusiv für die Krone" erweckten den Eindruck, daß der Fünftbeklagte Jack Unterweger für die "Neue Kronen-Zeitung" interviewt habe. Diese unrichtige Vorstellung sei geeignet, den Kaufentschluß zu beeinflussen; es liege daher ein Verstoß gegen § 2 UWG vor.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß der Beschluß des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.
Die Revisionsrekursgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurück-, sonst aber als unbegründet abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Die Klägerin behauptet, daß es sich nach allen denkbaren Kriterien um einen krassen Fall von Lesertäuschung handle, der keiner höchstgerichtlichen Differenzierungen bedürfe. Dem ist zu entgegnen, daß damit die Leitfunktion des Höchstgerichtes in Wettbewerbssachen verkannt wird. Liegt doch in diesem Bereich eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auch dann vor, wenn es um die richtige Konkretisierung der in wettbewerbsrechtlichen Normen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe geht (ÖBl 1984, 104 uva).
Die Beklagten führen aus, daß der Kaufentschluß des durchschnittlichen Zeitungslesers wesentlich vom Inhalt der Nachrichten und nicht von der Person des Artikelverfassers beeinflußt werde. Das ergebe sich schon aus der Natur der "Neuen Kronen-Zeitung" als Nachrichtenquelle. Es sei praktisch undenkbar, daß ein an der Strafsache Jack Unterweger interessierter Zeitungsleser die "Neue Kronen-Zeitung" trotz eines Exklusivinterviews mit Jack Unterweger nicht kauft, nur weil ihm der Interviewer nicht ausreichend qualifiziert erscheint.
Das mag durchaus zutreffen, ändert aber nichts an der rechtlichen Beurteilung. Auch wenn es dem Zeitungskäufer am 12.3.1992 in erster Linie darum ging, zu erfahren, was Jack Unterweger in Miami gsagt hatte, und ihm unwichtig war, wem er es gesagt hatte, gewann der Zeitungsleser doch durch die Aufmachung des Berichtes einen Eindruck, der geeignet war, ihn auch in Hinkunft zum Kauf der "Neuen Kronen-Zeitung" zu veranlassen. Der durchschnittliche Zeitungsleser mußte glauben, daß es dem Fünftbeklagten auf Grund seines Geschicks und seiner guten Verbindungen gelungen war, Jack Unterweger selbst im Staatsgefängnis von Miami zu interviewen. Dieser Eindruck besonderer Professionalität und Durchschlagskraft ließ auch für die Zukunft Berichte erwarten, wie sie die Journalisten anderer Zeitungen möglicherweise nicht zustande bringen; er ist daher geeignet, den Kaufentschluß zu beeinflussen.
Der Eindruck, der Fünftbeklagte habe Jack Unterweger interviewt, wird durch die gesamte Aufmachung des Berichtes und vor allem auch durch den Untertitel "Interview für die Krone" erweckt. Von einem Interview "für" eine bestimmte Zeitung wird gesprochen, wenn dem Interviewten bewußt ist, daß das Interview in dieser Zeitung erscheinen wird. Jack Unterweger aber hat das Interview einem Journalisten des "Spiegel-TV" gegeben; er wußte nicht, daß dieser das Interview des Fünftbeklagten für die "Neue Kronen-Zeitung" weitergeben wurde.
Daß die Fotos den Vermerk "Foto: Reinhard Baran" tragen, vermag an dem durch die Aufmachung erweckten Eindruck nichts zu ändern. Wer Hersteller der Fotos ist, sagt nichts darüber aus, wer das Interview geführt hat. Auch wenn daher klagrestellt ist, daß die Fotos nicht vom Fünftbeklagten aufgenommen wurden, bleibt der Eindruck bestehen, der Fünftbeklagte habe Jack Unterweger interviewt. Dieser Eindruck entspricht nicht den Tatsachen; da er, wie bereits dargelegt, geeignet ist, den Kaufentschluß zu beeinflussen, hat das Rekursgericht zu Recht einen Verstoß gegen § 2 UWG angenommen.
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