Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
Der Übergabeauftrag vom 17.Oktober 1991, 7 K 235/91, wird aufgehoben; das Klagebegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Wohnung top.Nr. 1 im Haus W*****, geräumt von ihren Fahrnissen binnen 14 Tagen bei Exekution zu übergeben, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.962,56 (darin enthalten S 1.813,76 Umsatzsteuer und S 4.080 Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war auf Grund eines befristeten Mietverhältnisses in der Zeit vom Mai 1990 bis 31.1.1991 Mieter der Wohnung top.Nr. 30 im Haus W*****. Mit Vertrag vom 30.1.1991 mietete er die Wohnung top.Nr. 1 im selben Haus für die Dauer von 11 Monaten. Dieses Mietverhältnis sollte vereinbarungsgemäß am 31.12.1991 ohne Kündigung enden.
Die Klägerin beantragte am 2.10.1991 die Erlassung eines Übergabeauftrages und mit der am 13.1.1992 beim Erstgericht eingelangten Klage die Räumung des Bestandobjektes. Der Beklagte habe die vertragliche Verpflichtung übernommen, die Wohnung am 31.12.1991 geräumt zu übergeben. Dieser Verpflichtung sei er nicht nachgekommen. Die beiden mit dem Beklagten über verschiedene Bestandobjekte im selben Hause geschlossenen Mietverträge seien jeweils zulässig befristet gewesen.
Der Beklagte beantragt die Aufhebung des Übergabeauftrages und die Abweisung der Räumungsklage. Beide Mietverträge seien unzulässige Kettenverträge. In Wahrheit liege ein Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit vor.
Das Erstgericht erklärte den Übergabeauftrag vom 17.10.1991 für rechtswirksam und gab der Räumungsklage statt. Der für den Zeitraum von 11 Monaten nach Ablauf eines in zulässiger Weise befristeten Bestandverhältnisses über eine andere Wohnung im selben Hause geschlossene Bestandvertrag bilde mit dem bereits abgelaufenen Bestandverhältnis keine Einheit. Daher seien die beiden Mietzeiten auch nicht zusammenzurechnen.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es billigte die Auffassung des Erstgerichtes, daß voneinander unabhängige, jeweils selbständig zu beurteilende Bestandverhältnisse vorlägen. Zwar seien die Motive für den Abschluß eines weiteren befristeten Mietvertrages über eine andere Wohnung im selben Haus nicht ohne Belang, doch habe der dafür beweispflichtige Beklagte nicht behauptet, daß der zweite Mietvertrag in der Absicht geschlossen worden sei, die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG zu umgehen. Entgegen der vom Obersten Gerichtshof in 7 Ob 577/92 (= WoBl 1992, 226) vertretenen Ansicht reiche das Abschließen zweier aufeinanderfolgender befristeter Bestandverhältnisse durch dieselben Vertragsparteien über verschiedene Bestandobjekte im selben Haus ohne die Absicht, damit § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG zu umgehen, für die Annahme eines unzulässigen Kettenmietvertrages nicht aus. Ansonsten müßte ein solcher auch dann angenommen werden, wenn die davon betroffenen Bestandobjekte in verschiedenen Häusern oder gar in einem anderen Ort liegen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist berechtigt.
In der bereits vom Berufungsgericht angeführten Entscheidung WoBl 1992, 226 sprach der Oberste Gerichtshof in einem völlig gleichgelagerten Fall aus, daß Sinn und Zweck des § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG, wonach ein Hauptmietvertrag über eine Wohnung durch Zeitablauf aufgelöst wird, wenn dies schriftlich vereinbart worden ist und die ursprüngliche oder verlängerte Vertragsdauer ein Jahr nicht übersteigt, auch durch den Abschluß eines weiteren Mietvertrages mit dem Beklagten über eine andere Wohnung im selben Haus des Klägers vereitelt wird, sofern die gesamte Vertragsdauer über beide Wohnungen das höchstzulässige Ausmaß von einem Jahr übersteigt (so auch 1 Ob 643/92). Auch diese Auffassung ergibt sich aus dem Grundsatz, daß die Zeiten wirtschaftlich als Einheit zu betrachtender Verträge zusammenzurechnen sind; Kettenverträge sind daher nicht schlechthin unzulässig, sondern als Einheit zu sehen und lösen bei Überschreiten von Höchstfristen die entsprechenden Rechtsfolgen aus (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 7 zu § 29 MRG). Es ist unter Beachtung der Grenzen des Normzwecks zu entscheiden, ob und inwieweit ein gesetzliches Verbot auch für Rechtsgeschäfte gilt, die gegen das Verbot zwar nicht dem Buchstaben des Gesetzes nach verstoßen, im Ergebnis aber dessen Zweck vereiteln. Dabei genügt nach ständiger Rechtsprechung (SZ 63/50; WoBl 1989, 138; WoBl 1991, 255) eine objektive Gesetzesverletzung; auf eine spezielle - im Vorbringen des Beklagten enthaltene - Umgehungsabsicht der Parteien kommt es - zumindest dann, wenn der Zweck der umgangenen Norm präzise faßbar ist - nicht an. Eine Umgehung der Bestimmungen über die Zulässigkeit befristeter Bestandverhältnisse durch Kettenmietverträge muß - im Fall des Abschlusses mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender Verträge durch dieselben Vertragsparteien über verschiedene Bestandobjekte im selben Haus - immer dann angenommen werden, wenn - wie hier - kein objektiver Grund für den Wohnungstausch vorliegt (WoBl 1992, 226). Die Frage, ob ein solcher Grund darin liegen kann, daß derartige Bestandverträge Objekte in einem anderen Haus oder in einem anderen Ort betreffen, stellt sich im vorliegenden Fall nicht.
Ist aber ein Verstoß gegen § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG anzunehmen, dann ist das Mietverhältnis durch den Ablauf der im vorliegenden Vertrag bedungenen Dauer nicht aufgelöst sondern im Sinne des § 1114 ABGB stillschweigend erneuert worden. Eine vertragliche Verpflichtung des Beklagten, die Wohnung zu räumen und der Klägerin zu übergeben, besteht daher nicht. Somit war der Revision Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zusätzlich auf § 50 ZPO.
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