European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0070OB00003.93.0303.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.303,50 (darin S 453,‑- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger schloß bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung "ohne Verkehrsbereich inklusive für Grundstücke und Miete" ab, der die ARB 1965/82, die ERB 1965/82 sowie die Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung zugrundelagen. Laut Punkt C I 2 der ERB wird auch der Ehegattin des Versicherungsnehmers Versicherungsschutz gewährt. Art.1 Abs.1 lit.a der ARB verspricht Versicherungsschutz bei der Geltendmachung und Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen gegen Dritte wegen eines erlittenen Personen‑, Sach‑ oder Vermögensschadens aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes. Nach den Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung (Allgemeiner Vertragsrechtsschutz) gewährt der Versicherer nach Art.1 darüber hinaus im Bereich des Privat‑Rechtsschutzes (ERB 1965 C/1) Rechtsschutz für die Kosten aus der gerichtlichen oder außergerichtlichen Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers betreffend bewegliche Sachen. Nach Art.2 der Sonderbedingungen bezieht sich dieser Versicherungsschutz nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Rechtes der Handelsgesellschaften, der Gesellschaften bürgerlichen Rechts, der Genossenschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften.
Der Erstkläger und seine Gattin, die Zweitklägerin, waren Mitglieder des Vereins Telefongemeinschaft G*", der seinen Mitgliedern zur raschen Erlangung von preisgünstigen Telefonanschlüssen verhelfen sollte. Nach dem Beitritt der Kläger zu diesem Verein kam es zu Unstimmigkeiten zwischen ihnen und dem Obmann. Die Telefongemeinschaft hat schließlich den Erstkläger unter dem Vorwurf, mit Beitragsvorschreibungen im Rückstand zu sein, auf die Bezahlung von S 6.919,20 geklagt. Die Kläger erhoben Gegenforderungen aus dem Titel des Schadenersatzes wegen Beschädigung ihrer Grundstücke. Die Klage wurde letztlich unter Anspruchsverzicht zurückgezogen. Mit Schreiben des Vereinsvorstandes vom 18.4.1991 wurden die Kläger von ihrem Ausschluß aus der Telefongemeinschaft verständigt, weil sie ihre finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft nicht erfüllt hätten. Dieses Schreiben ging ihnen am 22.4.1991 zu. Sie erhoben dagegen mit Schreiben vom 26.4.1991 Berufung an die Vollversammlung, erfuhren jedoch in der Folge von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich, daß die Vollversammlung der Telefongemeinschaft G* in ihrer Sitzung vom 16.4.1991 die Auflösung des Vereines beschlossen habe. Nach der Auflösung des Vereines wurde ein Betrag von rund S 60.000,‑- auf die Mitglieder verteilt, nicht jedoch auf die Kläger. § 15 der Vereinsstatuten lautet: "Die Telefongemeinschaft besteht grundsätzlich solange, bis die Telefonaufschließung innerhalb des Tätigkeitsgebietes des Vereins als abgeschlossen betrachtet werden kann. Unbeschadet dessen kann die ordentliche Vollversammlung oder eine eigens zu diesem Zweck einberufene außerordentliche Vollversammlung die freiwillige Auflösung des Vereins beschließen. Im Falle der freiwilligen Auflösung ist das Vereinsvermögen für gleichartige Zwecke zu verwenden."
Die Kläger begehren gegenüber der beklagten Partei Deckung für eine gegen den Verein Telefongemeinschaft G* einzubringende Feststellungsklage mit dem Begehren, daß der Beschluß der ordentlichen Vollversammlung vom 16.4.1991, mit dem der Verein aufgelöst wurde, rechtsunwirksam sei. Sie behaupteten, daß Vereinssachen vom Versicherungsschutz umfaßt seien und daß die gegenständliche Klage eingebracht werden müsse, um Schadenersatzansprüche gegen den Verein durchsetzen zu können.
Die beklagte Partei wendet ein, daß nur Schadenersatz, nicht aber Rechtsgestaltungsansprüche vom Versicherungsschutz umfaßt seien. Die begehrte Klagsführung sei auch nicht erforderlich, weil im Falle eines rechtswidrigen Verhaltens des Vereines sofort Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden könnten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das von den Klägern beabsichtigte Feststellungsbegehren sei gleich einer Stufenklage eine notwendige Vorstufe für das folgende Schadenersatzverfahren. Die Versicherungsbedingungen schlössen Klagen aus dem Bereich des Vereinsrechtes nicht aus. Der Verein habe, solange er noch über Vermögen verfüge, Rechtspersönlichkeit.
Das Berufungsgericht wies das Klagebegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,‑- übersteige und daß die Revision zulässig sei. Das Feststellungsbegehren der Kläger gegen den Verein stehe in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche, auch wenn man davon ausgehe, daß die Kläger ihre Schadenersatzansprüche konkretisiert hätten. Für die Durchsetzung des Begehrens sei die beklagte Partei auch nach den Sonderbedingungen nicht deckungspflichtig, weil es dem Anspruch der Kläger an der schuldrechtlichen Qualifikation mangle.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach dem Wortlaut des Begehrens, für das die Kläger die Gewährung von Rechtsschutzdeckung anstreben ‑ "es wird festgestellt, daß der Beschluß der ordentlichen Vollversammlung der Telefongemeinschaft G* vom 16.4.1991, mit welchem die Telefongemeinschaft G* aufgelöst wurde, rechtsunwirksam ist" ‑ kann zunächst keine Rede davon sein, daß die Kläger in jenem Verfahren Schadenersatzansprüche aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts geltend zu machen beabsichtigen. Da es das angestrebte Ziel der Kläger ist, nach Feststellung des aufrechten Bestandes des Vereins "Telefongemeinschaft G*" gegen ihren Ausschluß aus diesem Verein Berufung an dessen Vollversammlung einzubringen und in der Folge nicht näher umschriebene Schadenersatzansprüche gegen ihn geltend zu machen, könnte es sich bei dem beabsichtigten Rechtsstreit nur unter der Voraussetzung um eine (frühe) Vorstufe zu einem Verfahren im Sinne des Art.1 Abs.1 lit.a der ARB 1965 handeln, daß diese Schadenersatzansprüche ihre Grundlage in gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts hätten. Dies aber behaupten die Kläger nicht einmal.
Nach dem beschriebenen Begehren der Kläger soll der Rechtsschutz aber auch nicht im Sinne des Punktes V (Allgemeiner Vertrags‑Rechtsschutz) Art.1 der Sonderbedingungen für die Rechtsschutzversicherung ("Der Versicherer gewährt über den Versicherungsschutz des Art.1 Abs.1 lit.a der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 1965) hinaus im Bereich des Privatrechtsschutzes (ERB 1965 C/I) und des Berufs‑ und Betriebs‑Rechtsschutzes (ERB 1965 C/II) Rechtsschutz für die Kosten aus der gerichtlichen und/oder außergerichtlichen Verfolgung oder Abwehr von Ansprüchen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers betreffend bewegliche Sachen") gewährt werden.
Das körperschaftliche Rechtsverhältnis, insbesondere zwischen einem Verein und seinen Mitgliedern, ist ein Rechtsverhältnis eigener Art. Es handelt sich hier um auf gewisse Dauer berechnete Personenvereinigungen mit körperschaftlicher Verfassung, die im Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig sind. Die Mitgliedschaft entsteht ‑ außer durch Mitgründung ‑ durch Unterwerfung unter die Satzung in Form einer Beitrittserklärung und ‑ soweit satzungsmäßig vorgesehen ‑ deren Annahme durch die Körperschaft. Ob das Rechtsverhältnis zwischen der Körperschaft und dem einzelnen Mitglied auf einem schuldrechtlichen Vertrag beruht oder einem solchen zumindest gleichgeachtet werden kann, wird uneinheitlich beurteilt. In Rechtsprechung und Schrifttum steht hier die Vertragstheorie der Normentheorie gegenüber (vgl. Palandt/Heinrichs51, § 25 Anm.2b; im wesentlichen für Normentheorie: BGB RGRK12 Rz 5 zu § 25 des dBGB und Münchener Kommentar zum BGB2 Rz 10 zu § 25; dagegen: Hadding in Soergel, BGB12, Rz 17 zu § 25). Die Satzung einer Körperschaft ist zwar zunächst ein von den Gründern geschlossener Vertrag. Mit der Entstehung der Körperschaft erlangt sie aber ein unabhängiges rechtliches Eigenleben und wird zur objektivierten körperschaftlichen Verfassung. Wesentliche Gesetzesbestimmungen, die für schuldrechtliche Verträge gelten, können in einem körperschaftlichen Rechtsverhältnis nicht angewendet werden; es erscheint daher gerechtfertigt, Streitigkeiten zwischen Mitglied und Körperschaft aus dem Mitgliedschaftsverhältnis ‑ z.B. über die Gewährung von Vereinsleistungen oder über den Ausschluß wegen vereinsschädigenden Verhaltens ‑ nicht als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen zu werten (Harbauer, Rechtsschutzversicherung4, Rz 102 vor § 21). Dies gilt in gleicher Weise für die bgehrte Feststellung, der Beschluß der ordentlichen Vollversammlung des Vereins "Telefongemeinschaft G*", mit dem sich der Verein aufgelöst hat, sei rechtsunwirksam.
Dazu kommt, daß nach Punkt V ‑ Allgemeiner Vertragsrechtsschutz ‑ Art.1 der Sonderbedingungen ("...gewährt über den Versicherungsschutz des Art.1 Abs.1 lit.a der ARB 1965 hinaus im Bereich des Privatrechtsschutzes Rechtsschutz für die Kosten....") nicht ein jeglicher Anspruch aus schuldrechtlichen Verträgen, sondern nur die Durchsetzung von Ansprüchen des Versicherungsnehmers auf den an die Stelle der Erfüllung des Vertrages tretenden Schadenersatz zu decken ist (im Allgemeinen Schadenersatzrechtsschutz hingegen jener, der auf Deliktsrecht beruht oder im Fall der Vertragshaftung über das Vertragsinteresse hinausgeht) ‑ Fenyves, Ausgewählte Fragen des Allgemeinen Vertragsrechtsschutzes, 569 in FS für Rolf Ostheim zum 65.Geburtstag.
Deckung zur Durchsetzung eines derartigen Schadenersatzanspruches begehren die Kläger im vorliegenden Verfahren nicht. Auch die Revision der Kläger beschränkt sich darauf, das Vorliegen eines schuldrechtlichen Anspruches zu behaupten, ohne hiefür aber eine Begründung zu geben.
Mit Recht hat daher das Berufungsgericht das Deckungsbegehren der Kläger abgewiesen, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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