European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00014.9300000.0302.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung und der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, welches auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthält, wurde (ua) Helmut L* des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§§ 15, 136 Abs. 1 und Abs. 2; 15, 135 Abs. 1; 229 Abs. 1) StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er sich am 21.Oktober 1991 in Wien durch den Genuß von mehreren Vierteln "Sturm" sowie die Einnahme des Medikamentes Nocinan, sohin durch den Genuß von Alkohol und den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels, in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als die Vergehen des versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach §§ 15, 136 Abs. 1 und Abs. 2 StGB, der versuchten dauernden Sachentziehung nach §§ 15, 135 Abs. 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zugerechnet würden, indem er im einverständlichen Zusammenwirken mit dem Angeklagten Werner D* und dem gesondert verfolgten Alfred L*
A./ Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch zu nehmen versuchte, wobei sich die Täter die Gewalt über die Fahrzeuge durch eine der im § 129 StGB geschilderten Handlungen zu verschaffen suchten, und zwar
1./ den LKW DAF mit dem polizeilichen Kennzeichen W 626 AZ der Firma G* Transport GesmbH, indem sie das Dreiecksfenster des Fahrzeuges gewaltsam aufschoben und zum Zweck der unbefugten Inbetriebnahme die Zündschloßverkleidung abmontierten;
2./ die PKW mit den polizeilichen Kennzeichen W 32294 C, W 79661 A und W 300.066, indem sie die Fahrzeuge mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel zu öffnen versuchten;
B./ Verfügungsberechtigte der Firma G* Transport GesmbH dadurch zu schädigen versucht, daß sie eine fremde bewegliche Sache, und zwar den Türschlüssel des LKW DAF, polizeiliches Kennzeichen W 626 AZ, durch Wegnahme aus dem Gewahrsam der Verfügungsberechtigten der Firma G* Transport GesmbH dauernd zu entziehen suchten;
C./ eine Urkunde, über die sie nicht verfügen durften, nämlich den Zulassungsschein des LKW DAF, polizeiliches Kennzeichen W 626 AZ, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte L* bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerde.
Mit der Mängelrüge (Z 5) behauptet er eine offenbar unzureichende Begründung der Urteilsfeststellungen, daß er gemeinsam mit Werner D* und Alfred L* beschloß, den LKW DAF ohne Einwilligung des Berechtigten in Betrieb zu nehmen, daß er Aufpasserdienste leistete, während Alfred L* mit Gewalt das verschlossene Dreiecksfenster der Fahrertüre aufschob, und Letztgenannter mit seiner zustimmenden Billigung den Zulassungsschein des Fahrzeuges sowie die Türschlüssel an sich nahm (S 343).
Das Wesen der freien Beweiswürdigung im Sinn des § 258 Abs. 2 StPO berechtigt die Tatrichter nicht nur, sondern verpflichtet sie sogar, Beweisergebnisse in ihrem Zusammenhang zu würdigen, durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ergänzen und ihre Überzeugung frei von jeder Beweisregel auf in diesen Prämissen wurzelnde denkrichtige Schlüsse zu stützen (siehe 11 Os 108/92; Mayerhofer‑Rieder, StPO3 ENr. 26 und 30 zu § 258). Demzufolge war das Erstgericht, wenn man auf die Urteilsbegründung in ihrer Gesamtheit und nicht nur auf die von der Beschwerde isoliert in Frage gestellten einzelnen Formulierungen in den Entscheidungsgründen abstellt, durchaus legitimiert, aus den Wahrnehmungen der Zeugin T* über die zu Punkt A./2./ des Schuldspruchs beschriebenen Tathandlungen und aus dem Umstand, daß bei Alfred L* die Fahrzeugschlüssel sowie der Zulassungsschein des LKW DAF vorgefunden wurden, den denkmöglichen Schluß auf die Tatbeteiligung des Beschwerdeführers an dem unmittelbar vorangegangenen, zu Punkt A./1./ des Schuldspruchs beschriebenen Versuch der unbefugten Inbetriebnahme des erwähnten LKW ‑ sowie auch auf seine Beteiligung an der versuchten dauernden Sachentziehung betreffend den Fahrzeugschlüssel und der Urkundenunterdrückung hinsichtlich des Zulassungsscheines (Punkt B./ und C./ des Schuldspruchs) ‑ zu ziehen. Wenn drei Täter ‑ wie festgestellt ‑ beim wiederholten Versuch, PKW nachzusperren, beobachtet werden und sodann bei einem von ihnen Gegenstände aus einem in unmittelbarer Nähe abgestellten, ebenfalls aufgebrochenen LKW gefunden werden, so ist der Schluß, daß alle drei sich in gleicher Weise auch an diesen LKW herangemacht haben, durchaus lebensnah.
Die Mängelrüge erweist sich daher als nicht begründet.
Mit der Tatsachenrüge (Z 5 a) wendet sich L* gleichfalls gegen die Feststellung seiner Täterschaft zu den Punkten A./1./, B./ und C./ des Schuldspruchs. Erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der diesen Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen vermag er aber nicht aufzuzeigen. Solche Bedenken sind den Akten auch nicht zu entnehmen. Der Umstand, daß auf Grund der Beweisergebnisse für den Beschwerdeführer auch günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können, ist nicht geeignet, jene erheblichen Bedenken darzutun, auf die der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund abstellt. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich vielmehr in der Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes nach Art einer Schuldberufung, die gegen Urteile von Kollegialgerichten nicht zulässig ist.
Im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) bringt der Beschwerdeführer vor, das Erstgericht habe Feststellungen darüber unterlassen, ob es überhaupt möglich gewesen wäre, die Türen der zu Punkt A./2./ des Schuldspruchs erwähnten Kraftfahrzeuge mittels des widerrechtlich erlangten Schlüssels zu dem in Rede stehenden LKW (der Marke DAF) zu öffnen. Solche Feststellungen hätten nämlich zum Ergebnis geführt, daß es sich insoweit um einen absolut untauglichen Versuch des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen handelte. Er übersieht jedoch dabei, daß ein Versuch nur dann im Sinn des § 15 Abs. 3 StGB absolut untauglich (und damit straflos) ist, wenn die Verwirklichung des Deliktstyps auf die vorgesehene Art auch bei einer generalisierenden Betrachtung, also unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich ist, somit unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann (siehe Leukauf‑Steininger, Komm.3, § 15 RN 30, und die dort zitierte Judikatur). Hingegen liegt ein bloß relativ untauglicher (und daher strafbarer) Versuch dann vor, wenn er bloß infolge der zufälligen Umstände des Einzelfalles gescheitert ist, das Mittel oder das Objekt also für die Herbeiführung des verpönten Erfolgs zwar in abstracto durchaus geeignet ist, die Herbeiführung in concreto aber nicht möglich war (Leukauf‑Steininger, aaO, RN 35). Im gegebenen Fall war das vom Täter verwendete Werkzeug, nämlich der zum LKW DAF passende Schlüssel, kein absolut untaugliches Mittel, weil er an sich (in abstracto) geeignet ist, an Kraftfahrzeugen angebrachte Schließvorrichtungen zu öffnen. Er erwies sich vielmehr bloß als relativ, nämlich in Beziehung auf die Schlösser der drei PKW, untauglich. Demnach hat das Schöffengericht rechtsrichtig einen strafbaren Versuch des Vergehens des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen angenommen.
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte Helmut L* nach § 287 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Unter einem wurde der Widerruf der dem Genannten zum AZ 9 c E Vr 4415/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht ausgesprochen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend, daß der Angeklagte in demselben Rauschzustand mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art verübte und Straftaten wiederholte, ferner vier einschlägige Vorstrafen und die "Begehung in offener Probezeit", als mildernd hingegen den Umstand, daß die Taten laut Punkt A und B des Urteilssatzes beim Versuch blieben, die Zustandebringung des LKW‑Schlüssels und des LKW‑Zulassungsscheines sowie die untergeordnete Tatbegehung (ersichtlich gemeint: Tatbeteiligung).
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren zumindest teilbedingte Nachsicht an.
Der Berufung kommt gleichfalls keine Berechtigung zu.
Entgegen der Meinung des Berufungswerbers kann eine als weiterer Milderungsgrund reklamierte Tatbegehung unter Umständen, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen (§ 34 Z 11 StGB), weder aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr.Groß (ON 47), noch aus der Aussage des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Facharztes für Psychiatrie und Neurologie Dr.Chiari abgeleitet werden. Die vom Schöffensenat herangezogene Tatbegehung während einer dem Angeklagten gesetzten Probezeit stellt zwar keinen eigenen Erschwerungsgrund dar (Leukauf‑Steininger aaO § 33 RN 8); die Tatsache des Rückfalls innerhalb der Probezeit ist jedoch bei der Gewichtung der persönlichen Schuld des Angeklagten entsprechend zu berücksichtigen (§ 32 Abs. 2 StGB).
Ausgehend von den sohin gegebenen Strafzumessungsgründen und unter entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß nicht als überhöht; zu dessen Reduzierung bestand demnach kein Anlaß.
Auch für die vom Angeklagten in der Berufung angestrebte Nachsicht zumindest eines Teiles der Strafe war kein Raum. Die aus den Vorstrafakten ersichtliche Neigung des Berufungswerbers zur Vermögens‑ und Suchtgiftdelinquenz läßt die Annahme, eine bedingte Nachsicht auch nur eines Teiles der Strafe werde genügen, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, nicht mehr zu.
Schließlich war auch der Widerruf der dem Angeklagten im Verfahren AZ 9 c E Vr 4415/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht (gemäß § 494 a Abs. 1 Z 4 StPO), wie das Schöffengericht zutreffend erkannte, aus den zuvor dargelegten Gründen zusätzlich zu seiner neuerlichen Verurteilung erforderlich, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten (§ 53 Abs. 1 StGB).
Seiner Beschwerde gegen den Widerruf mußte somit gleichfalls ein Erfolg versagt bleiben.
Es war daher insgesamt spruchgemäß zu erkennen.
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