OGH 14Os21/93(14Os22/93)

OGH14Os21/93(14Os22/93)2.3.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.März 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof. Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kirschbichler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Otto Rudolf I***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.September 1992, GZ 6 b Vr 9533/91-58, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den gleichzeitig mit dem Urteil gefaßten Beschluß gemäß § 494 a StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und über die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Otto Rudolf I***** (A) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, (B/1) des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, (B/2) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB, (C) des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, (D) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB, (E) des Verbrechens des Beischlafes mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, (F) des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 erster Fall StGB, (G) des Vergehens des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 erster Fall StGB und (H) des Vergehens der Blutschande nach § 211 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien, Klosterneuburg und anderen Orten Österreichs

(zu A) am 27.August 1991 (seiner damaligen Ehegattin) Marianne I***** mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er der Genannten die an einem Riemen über die linke Schulter getragene Tasche, beinhaltend 1.520 S Bargeld und andere Gegenstände, entriß;

(zu B) Marianne I***** mit Gewalt und gefährlicher Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung

1. am 10.August 1991 genötigt, indem er zu ihr sagte, es werde die "Kleine" (gemeint: Elke I*****) entführt, wenn ihn Marianne I***** nicht nach Hause fahre, wobei er einen spitzen Gegenstand gegen ihren Rücken drückte,

2. am 27.Oktober 1991 - durch Drohung mit dem Tod - zu nötigen versucht, indem er sie mit beiden Händen an den Oberarmen packte und dabei zu ihr sagte: "Jetzt habe ich dich, jetzt bringe ich dich um, jetzt kommst heim und ich stech dich nieder" und sie sodann in ein nahestehendes Auto zu zerren trachtete, wobei Marianne I***** mit dem Kopf gegen den Türsteher des Kraftfahrzeuges prallte;

(zu C) Nachgenannte gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. Marianne I*****

a) Mitte Juli 1991 unmittelbar durch die Äußerung: "Jetzt bist dran, jetzt bring ich dich um, jetzt wirst büßen für das, daß du die Scheidung beantragt hast";

b) am 1. und 2.September 1991 "unmittelbar" (gemeint: mittelbar - vgl US 9), indem er zu Friederike H***** (der Mutter der Marianne I*****) sagte, daß er ein großes Messer gekauft habe und damit Marianne I***** von unten nach oben aufschlitzen und sie mitsamt den Kindern umbringen werde,

c) am 5.September 1991 dadurch, daß er zu seinem Sohn Otto I***** sagte, er werde die Mutter (Marianne I*****) umbringen;

2. Otto I***** (seinen am 8.August 1973 geborenen Sohn) Anfang September 1991 durch die wiederholte Äußerung: "Heut bist dran, um sechs Uhr stech ich dich ab";

(zu D) durch die zu B/2 dargestellte Tat, welche bei Marianne I***** eine Schädelprellung, oberflächliche Schürfwunden am Brustkorb links, eine schwere Prellung des rechten Daumens sowie einen Bruch der linken Kleinzehe, sohin eine an sich schwere Verletzung zur Folge hatte, Marianne I***** vorsätzlich am Körper verletzt;

(zu E) in den Jahren 1983 bis zum 9.November 1989 mit seiner am 10. November 1975 geborenen leiblichen Tochter Elke I*****, sohin einer unmündigen Person, in wiederholten Angriffen den außerehelichen Beischlaf unternommen;

(zu F) in der Zeit von 1983 bis zum 9.November 1989 seine zuvor genannte leibliche Tochter, sohin eine unmündige Person, durch Betasten an der Brust und am Geschlechtsteil sowie dadurch, daß er sein Glied von ihr betasten ließ, auf eine andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;

(zu G) in der Zeit von 1983 bis 1990 seine leibliche Tochter Elke I*****, sohin sein minderjähriges Kind, durch die unter Punkt E und F bezeichneten Handlungen, die auch über den 10.November 1989 hinaus andauerten, zur Unzucht mißbraucht, und

(zu H) in der Zeit von 1983 bis 1990 durch die zu E bezeichneten Tathandlungen und dadurch, daß er auch nach dem 10.November 1989 mit Elke I***** den Geschlechtsverkehr durchführte, mit einer Person, die in gerader Linie mit ihm verwandt ist, den Beischlaf vollzogen.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 3, 4, 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Einen Nichtigkeit begründenden Verstoß (Z 3) gegen die Bestimmung des § 260 Abs. 1 StPO erblickt der Beschwerdeführer zunächst darin, daß dem Urteil "nicht ein einziger der einen bestimmten Strafsatz bedingenden Tatumstände" zu entnehmen sei. Angesichts der jedenfalls ausreichenden Individualisierung sämtlicher Fakten im Urteilsspruch ist das (unsubstantiiert gebliebene) Beschwerdevorbringen einer sachbezogenen Erörterung ebensowenig zugänglich wie der (weitere) Hinweis, das Erstgericht habe sich (im Rahmen seiner Rechtsausführungen) nur "auf den festgestellten Sachverhalt" bezogen. Insoweit bringt der Beschwerdeführer weder den geltend gemachten noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Einen Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Ablehnung (S 417 iVm US 13) des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrages (S 400, 417) auf Einholung eines "psychiatrischen Gutachtens über die Zeugin Elke I***** zum Beweis dafür, daß ihr Aussagen von Vorstellungen bestimmt und nicht rational begründet sind".

Durch die vom Erstgericht abgelehnte Einholung eines psychiatrischen Gutachtens wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Denn die Untersuchung des Geisteszustandes von Zeugen setzt zum einen, soll sie nicht auf die unzulässige Aufnahme eines reinen Erkundungsbeweises hinauslaufen, konkret erhebliche Bedenken gegen deren allgemeine Wahrnehmungs- oder Wiedergabefähigkeit oder doch gegen ihre (vom Einzelfall unabhängige) Aussageehrlichkeit schlechthin voraus (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 ENr 41 ff zu § 150); sie ist zum anderen, weil sich die Zeugenpflicht nur auf das Erscheinen vor Gericht und auf das Ablegen des Zeugnisses erstreckt (§§ 150, 160 StPO), lediglich mit der Zustimmung des Zeugen gestattet (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 56 ff). Vorliegend haben, worauf das Erstgericht zutreffend hingewiesen hat (vgl abermals S 417 und US 13), wiederholte fachärztliche Untersuchungen der Elke I***** nur ein - ersichtlich auf die familiäre Situation zurückzuführendes - extrem depressives Zustandsbild, aber keinen Anhaltspunkt für einen geistigen Defekt ergeben (siehe insbesondere S 77, 81, 83, 295 ff). Umstände aber, die bloß gegen die Glaubwürdigkeit oder Verläßlichkeit von Zeugen im gegebenen Anlaßfall sprechen, unterliegen ausschließlich der Beweiswürdigung durch das Gericht (EvBl 1983/18 ua).

Zu dem in derselben Hauptverhandlung gestellten weiteren Beweisantrag auf "Beischaffung der Briefe, die Elke I***** an ihren Vater geschrieben hat" (S 417), ist die Anführung eines Beweisthemas unterblieben, sodaß es an einem auf seine Relevanz überprüfbaren Beweisantrag fehlt. Der Verfahrensrüge mangelt daher in diesem Punkt schon eine essentielle formelle Voraussetzung (Mayerhofer-Rieder aaO ENr 18 zu § 281 Z 4). Davon abgesehen ist den Erwägungen des Schöffengerichtes über den fehlenden Beweiswert dieser Briefe (US 13 f) beizupflichten.

Der die Raubtat (laut Punkt A des Urteilssatzes) betreffenden Mängelrüge (Z 5) genügt es zu erwidern, daß die einen Bereicherungsvorsatz in Abrede stellende Verantwortung des Beschwerdeführers und die Aussage des Tatzeugen H*****, wie auch der Umstand, daß der Angeklagte erst am 29.November 1991, sohin nach dem gerichtlichen Scheidungstermin vom 25.November 1991 vom Untersuchungsrichter zum Raubvorwurf vernommen wurde, von den Tatrichtern im Rahmen ihrer beweiswürdigenden Erwägungen ohnedies berücksichtigt wurden (US 11 ff). Von einer offenbar unzureichenden, das heißt mit den Denkgesetzen und forensischer Erfahrung nicht im Einklang stehenden bzw einer aktenwidrigen, also den Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig oder unvollständig wiedergebenden Urteilsbegründung kann daher keine Rede sein. Im Kern erschöpft sich das bezügliche Beschwerdevorbringen in einer unzulässigen Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung mit dem Ziel, der vom Schöffengericht abgelehnten (leugnenden) Verantwortung des Angeklagten doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Die zunächst gleichfalls gegen die Raubtat gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) wendet ein, dem Urteil mangle die für den Tatbestand nach § 142 Abs. 1 StGB erforderliche Feststellung, daß die Wegnahme der Handtasche durch Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben der Marianne I***** verbunden gewesen sei. Der Beschwerdeführer übergeht dabei jedoch die ausdrückliche Urteilsfeststellung (vgl US 3, 8), wonach ihm ausschließlich Gewalt als - rechtlich gleichwertiges - Begehungsmittel des Raubes angelastet wurde. Die Rechtsrüge gelangt daher solcherart nicht zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung.

Dies gilt gleichermaßen für den weiteren Beschwerdeeinwand (Z 9 lit a), die dem Angeklagten angelastete schwere Körperverletzung (laut Punkt D des Urteilssatzes) stehe nach den Urteilsfeststellungen mit dem Handtaschenraub nicht im Zusammenhang. Eine derartige, die Qualikation zum schweren Raub nach § 143 dritter Fall StGB bedingende Taterschwernis wird ihm nämlich im Urteil gar nicht angelastet.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) erschöpft sich in dem Satz: "Bezüglich der Tatbestände der §§ 207, 211 und 212 liegt auf Grund der Feststellungen eintätiges Zusammentreffen vor". Ausführungen, inwiefern hiedurch das Gesetz zum Nachteil des Beschwerdeführers rechtsirrig angewandt worden sein soll, fehlen zur Gänze, sodaß der geltende Nichtigkeitsgrund gleichfalls nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gelangt. Der Vollständigkeit halber sei jedoch in diesem Zusammenhang bemerkt, daß die Unterstellung des festgestellten Sachverhaltes rechtlich einwandfrei erfolgte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb gemäß § 285 d Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Berufung sowie über seine Beschwerde gegen den in sachlichem Zusammenhang mit dem Strafausspruch stehenden Widerrufsbeschluß fällt demnach in die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien (§§ 285 i, 494 a Abs. 5 StPO).

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