OGH 2Ob607/92

OGH2Ob607/9225.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Griß als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr.Gerhard Fink und Dr.Peter Bernhart, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Dr.Klaus F*****, vertreten durch Dr.Gert Paulsen und Dr.Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Feststellung (Streitwert S 50.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 2.Oktober 1992, GZ 1 R 378/92-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 1.Juni 1992, GZ 24 C 59/92k-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile erster und zweiter Instanz werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Gericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen, das auf die Kosten der Rechtsmittelverfahren gleich Verfahrenskosten erster Instanz Bedacht zu nehmen haben wird.

Text

Begründung

Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der "M*****" in K***** (in der Folge: M*****). Die M***** vermietete mit Mietvertrag vom 1.10.1955 den Eltern des Beklagten die im 2. Stock des Hauses K*****, gelegene Wohnung Nr. 11. Der Vater des Beklagten starb vor Jahren; seine Mutter am 9.1.1992. Der Beklagte hielt dem außergerichtlichen Räumungsbegehren der Klägerin entgegen, er sei "nach den zwingenden mietenrechtlichen Bestimmungen als eintrittsberechtigte Person anzusehen".

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß der Beklagte nicht in die Mietrechte nach der am 9.1.1992 verstorbenen Karla F***** betreffend die im Haus K*****, gelegene Wohnung Nr. 11, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Speis, Dienerzimmer, Vorzimmer, Badezimmer, Balkon, Holzlage und Dachbodenanteil eingetreten ist.

Im Mietvertrag sei ausdrücklich festgestellt worden, "daß der den Gegenstand dieser Vereinbarung bildende Mietgegenstand den Bestimmungen des Mietengesetzes nicht unterliegt". Der Beklagte sei als Arzt auf der Stolzalpe tätig; er wohne seit vielen Jahren nicht mehr in Klagenfurt. Der Beklagte habe kein dringendes Wohnbedürfnis; er habe auch bisher nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter gewohnt. Die Klägerin habe ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, daß der Beklagte nicht in die Mietrechte seiner am 9.1.1992 verstorbenen Mutter eingetreten sei (ON 1).

Das Ergebnis einer Räumungsklage müsse sich nicht mit dem einer negativen Feststellungsklage decken. Es könne sein, daß ein Kläger gegen die tatsächliche Benützung seines Objektes durch den Beklagten nichts einzuwenden habe (ON 3).

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen. Das Mietverhältnis unterliege den Kündigungsbestimmungen des Mietrechtsgesetzes. Es sei nach wie vor aufrecht; die Klägerin hätte die Verlassenschaft aufkündigen können. Die nunmehr begehrte Feststellung sei nicht geeignet, das Mietverhältnis zu beenden. Eine Aufkündigung habe für den Fall ihrer Rechtswirksamkeit die weitergehende Bereinigungswirkung.

Der Beklagte sei eintrittsberechtigt. Der Mittelpunkt seiner Lebensführung sei zum Zeitpunkt des Todes seiner Mutter in der streitgegenständlichen Wohnung gewesen. Der Beklagte habe daran ein dringendes Wohnbedürfnis (ON 2).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch bei einem Obsiegen im Feststellungsstreit müßte die Klägerin das Bestandverhältnis gegen den Nachlaß aufkündigen. Im Aufkündigungsverfahren wäre auch eine allfällige Eintrittsberechtigung des Beklagten zu klären. Die gerichtliche Aufkündigung habe daher die weitergehende Bereinigungswirkung.

Der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht nicht Folge. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Kündigung könne nicht gegen den Eintrittsberechtigten gerichtet werden. Die gerichtliche Aufkündigung gegen den Nachlaß habe die weitergehende Bereinigungswirkung. Die Klägerin habe nie behauptet, den Beklagten prekaristisch in der Wohnung belassen zu wollen. Sie wolle ihn vielmehr aus der Wohnung seiner Mutter entfernt sehen. Das könne ihr mit der vorliegenden Klage nicht gelingen.

Diese Entscheidung bekämpft die Klägerin mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Die Revisionswerberin beantragt, das angefochtene Urteil und jenes der ersten Instanz aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung (§ 228 ZPO) besteht, wenn keine anderen oder nur wesentlich unökonomischere Mittel zur Abwehr der Rechtsbeeinträchtigung zur Verfügung stehen ("Subsidiarität der Feststellungsklage"). Dabei ist stets zu untersuchen, welches von mehreren zur Verfügung stehenden Abhilfemitteln bezüglich desselben Anspruchs die weitergehende Bereinigungswirkung hat; diesem gebührt der Vorzug (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 1101).

Die Vorinstanzen waren übereinstimmend der Ansicht, die Klägerin könne durch eine Aufkündigung der Verlassenschaft mehr erreichen als durch die Feststellung der mangelnden Eintrittsberechtigung des Beklagten. Dem hält die Revisionswerberin entgegen, daß der Eintrittsberechtigte aufgrund seiner Sonderrechtsnachfolge vor den Wirkungen einer gegen den Nachlaß für wirksam erklärten Kündigung geschützt sei. Gegen den Beklagten stehe der Klägerin keine Leistungs- oder Rechtsgestaltungsklage zu.

Es ist herrschende Rechtsprechung, daß ein Eintrittsberechtigter das Bestehen seines Mietrechtes trotz rechtskräftig gegen die Verlassenschaft ausgesprochener Kündigung mit Klage nach § 37 EO geltend machen kann (JBl 1970, 94 = RZ 1969, 135 = MietSlg 20.749; SZ 19/88; SZ 18/33; siehe auch EvBl 1990/95). In einigen Entscheidungen wird ausgesprochen, daß dies jedenfalls dann gilt, wenn der Eintrittsberechtigte am Kündigungsverfahren nicht beteiligt war, ohne daß die Klageberechtigung nach § 37 EO auf diesen Fall eingeschränkt würde (EvBl 1959/279; EvBl 1955/48 = JBl 1955, 124 = ImmZ 1955, 74 = MietSlg 4.039). Die vom Revisionsgegner offenbar als gegenteilig zitierten Entscheidungen MietSlg 23.708, 21.878, 18.721, 16.703 befassen sich im wesentlichen damit, wie das durch eine verbindliche Zusage des Vermieters erlangte selbständige Mietrecht geltend zu machen ist; auf die hier relevante Frage, ob die Aufkündigung gegen die Verlassenschaft auch gegen den Eintrittsberechtigten wirkt, gehen sie nicht ein.

Das Bestandverhältnis kann, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, nur gegenüber der Verlassenschaft aufgekündigt werden. Die Aufkündigung ist somit nicht geeignet, das Rechtsverhältnis zwischen dem Vermieter und dem Eintrittsberechtigten zu klären. Tritt der Eintrittsberechtigte dem Kündigungsverfahren als Nebenintervenient bei, so ist er nur einfacher, nicht streitgenössischer Nebenintervenient (SZ 18/33; siehe auch EvBl 1990/95 zum anders gelagerten Fall des geschiedenen Ehegatten).

Die Klägerin hätte daher auch dann, wenn sie das Bestandverhältnis gegenüber der Verlassenschaft gerichtlich aufgekündigt und in diesem Rechtsstreit obsiegt hätte, gegebenenfalls einen weiteren Rechtsstreit gegen den Beklagten führen müssen.

Bezogen auf das - hier allein relevante - Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem seine Eintrittsberechtigung behauptenden Beklagten kommt der Feststellungsklage die weitergehende Bereinigungswirkung zu. Sie beendet einen für beide Teile nachteiligen Schwebezustand und bringt ein Ergebnis, das dem einer allenfalls möglichen Leistungsklage, einer Räumungsklage wegen titelloser Benützung, nicht gleich ist. Daß die Klägerin nicht ausdrücklich behauptet hat, den Beklagten prekaristisch in der Wohnung belassen zu wollen, kann nicht dazu führen, sie auf die Räumungsklage zu verweisen. Ihr Feststellungsbegehren ist auch dann sinnvoll, wenn es ihr derzeit nicht darum geht, die Wohnung geräumt zu erhalten. Müßte sie eine Räumungsklage einbringen, so zwänge man sie, ein Ziel anzustreben, das sie möglicherweise gar nicht im Auge gehabt hat (siehe MietSlg 38.768).

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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