OGH 12Os134/92

OGH12Os134/9218.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Februar 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Markel, Mag.Strieder und Dr.Mayrhofer als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Malesich als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Siegfried S***** wegen des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148, erster Fall, StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Siegfried S***** und die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 8. Oktober 1992, GZ 15 Vr 161/91-75, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, des Angeklagten Siegfried S***** und des Verteidigers Dr.Bereis zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der im Punkt I.1. bis 8. des Schuldspruches umschriebenen Straftaten sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird in diesem Umfang gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Siegfried S***** hat durch das ihm zu Punkt I. des Schuldspruches zur Last fallende Verhalten das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148, zweiter Fall, StGB begangen und wird hiefür sowie für das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB laut Punkt II. des Schuldspruches unter Anwendung der §§ 28 und 65 Abs. 2 StGB nach § 148, zweiter Strafsatz, StGB zu 1 1/2 (eineinhalb) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.

Die Staatsanwaltschaft wird im übrigen mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde ebenso wie mit ihrer Berufung und der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 22.Februar 1950 geborene österreichische Staatsbürger Siegfried S***** wurde des Verbrechens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148, erster Fall, StGB (I. des Schuldspruches) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB (II.) schuldig erkannt.

Ihm wird (zusammengefaßt wiedergegeben) angelastet, sich in insgesamt acht Fällen in der Zeit vom 25.Juli bis 22.September 1990 an verschiedenen Orten in Spanien anderen Personen gegenüber als Polizeihundeführer Manfred B***** aus Wels, teilweise unter Verwendung eines nachgemachten Polizeidienstausweises, teilweise eines Reisepasses des Manfred B*****, in dem er sein eigenes Lichtbild eingeklebt hatte, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, ausgegeben und diesen Personen durch das Versprechen der Rückzahlung innerhalb bestimmter Zeiträume insgesamt 42.000 Peseten, 250 DM und 5.000 österreichische Schilling betrügerisch herausgelockt zu haben (I./1.-8.).

Ferner liegt ihm zur Last, von Mitte 1989 bis Anfang Juli 1991 in Österreich, Deutschland und Spanien den für Manfred B***** ausgestellten Reisepaß (N 0705769 der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen), den er diesem weggenommen hatte, mit dem Vorsatz unterdrückt zu haben, zu verhindern, daß der Paß vom Berechtigten im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes und der Tatsache der Identität gebraucht werde (II.).

Rechtliche Beurteilung

Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft bekämpfen den Betrugsschuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde, wobei jener als Grund Z 9 lit. b, diese hingegen Z 10 und 11 des § 281 Abs. 1 StPO geltend machen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. b) des Angeklagten, in der er entschuldigenden Notstand nach § 10 Abs. 1 StGB mit der Begründung reklamiert, er habe sich durch die Betrugstaten gerade die Summe Geldes verschafft, die für das Überleben seiner zuckerkranken Freundin erforderlich gewesen, sei, entbehrt insoweit einer gesetzmäßigen Darstellung, als sie im Widerspruch zu der tatrichterlichen Konstatierung steht, er habe die Betrügereien deshalb verübt, um damit seinen Lebensunterhalt und den seiner damaligen Begleiterin zu finanzieren (S 149/II). Abgesehen davon kommt entschuldigender Notstand dann nicht in Betracht, wenn - wie hier, wo nichts darauf hindeutet, daß sich der Beschwerdeführer bemüht hätte, auf legale Weise Hilfe für seine Freundin zu erlangen - nicht einmal versucht wurde, auf eine rechtmäßige Art für die Befriedigung der vom Täter vorhersehbaren dringenden Bedürfnisse zu sorgen (13 Os 82/81; 210/83).

Auch für den von der Beschwerde hilfsweise geltend gemachten Irrtum im Sinn des § 10 Abs. 2, zweiter Satz, StGB mangelt es an einer tatsachenmäßigen Grundlage im angefochtenen Urteil. Im übrigen wird damit der Verantwortung des Angeklagten folgend ein strafrechtlich bedeutungsloser Irrtum darüber geltend gemacht, ob der vom Täter angenommene Entschuldigungsgrund von der Rechtsordnung anerkannt ist (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB3, Anm. 12 und ENr. 24 zu § 10).

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Hingegen ist die Beschwerde der Staatsanwaltschaft insoweit im Recht, als sie unter der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO die Subsumtion der konstatierten Betrugstaten unter die Strafbestimmung des § 148, zweiter Fall StGB anstrebt.

Hat doch der Angeklagte nach dem Urteilssachverhalt sämtliche gewerbsmäßig verübten betrügerischen Angriffe unter Verwendung falscher Urkunden vorgenommen, wobei seine auf Verschaffung einer fortlaufenden Einnahme durch wiederkehrende Begehung der Betrügereien gerichtete Absicht auch auf die Verwendung falscher Urkunden als Täuschungsmittel gerichtet war (S 146 ff, 151/II). Demgemäß wird ihm spruchmäßig auch angelastet, den Betrug gewerbsmäßig teilweise durch Verwendung eines von ihm nachgemachten polizeilichen Dienstausweises, teilweise durch Verwendung des Reisepasses des Manfred B*****, den er durch Einkleben seines eigenen Lichtbildes verfälscht hatte, begangen zu haben (S 142/II).

Das Urteil leidet somit im Punkt I. des Schuldspruchs an der geltend gemachten Nichtigkeit; da es jene Tatsachen hinlänglich feststellt, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen waren, konnte jedoch sogleich in der Sache selbst erkannt werden (§ 288 Abs. 2 Z 3 StPO).

Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung - die eine meritorische Behandlung der Strafzumessungsrüge (Z 11) der Staatsanwaltschaft entbehrlich macht - ist angesichts dessen, daß sich der Angeklagte nicht bloß vorübergehend im Ausland aufhielt (Leukauf-Steininger, Komm.3, § 64 RN 28), sondern bereits seit Juli 1988 seinen ständigen Aufenthalt in Spanien hatte und nur einmal Mitte 1989 für kurze Zeit nach Österreich kam (S 149/II), davon auszugehen, daß bezüglich der dem Angeklagten anzulastenden Betrugstaten Strafbarkeit nach § 65 Abs. 1 Z 1 (und nicht nach § 64 Abs. 1 Z 7) StGB gegeben ist, wobei nach dieser Gesetzesstelle österreichisches Recht sowohl bei der Subsumtion der Tat unter das Gesetz als auch bei der Strafbemessung zum Zuge kommt. Das Gericht muß allerdings gemäß § 65 Abs. 2 StGB die für die Auslandstat verwirkte Strafe so bestimmen, daß der Täter in der Gesamtauswirkung nicht ungünstiger gestellt als nach den Gesetzen des Tatortes. Konkurriert jedoch ein im Inland begangenes Delikt, das gemäß § 62 StGB grundsätzlich nach österreichischen Strafgesetzen zu bestrafen ist, wie im vorliegenden Fall das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, mit Auslandstaten, dann kann sich die aus § 65 Abs. 2 StGB ergebende Verpflichtung der günstigeren Stellung des Täters durch das Recht des Tatortes nur insoweit auswirken, als der Täter nicht im Inland eine gegenüber der ausländischen Strafdrohung für das Auslandsdelikt mit strengerer Strafe bedrohte Inlandstat begangen hat. Bei einer solchen Fallgestaltung wird die Beschränkung der Strafbefugnis für den uneingeschränkten Strafanspruch des Staates aus der im Inland begangenen strafbaren Handlung bis zur Obergrenze der dafür geltenden Strafdrohung aufgehoben (SSt. 53/1).

Die Betrugstaten des Angeklagten sind nach dem Tatortrecht nach Artikel 528 des spanischen Codigo Penal (CP) zu bestrafen. Im vorliegenden Fall wird das grundsätzlich gemäß Art. 69 CP bei Realkonkurrenz geltende Kumulationsprinzip (Mezger-Schönke-Jeschek, Das ausländische Strafrecht der Gegenwart, Band VI, S 399 f) durch die Regelung des Art. 69 bis CP für fortgesetzte Delikte durchbrochen, die bei der Ausführung eines vorbedachten Planes bei einer Mehrzahl von Handlungen und Tatopfern, Gleichartigkeit des verletzten Rechtsgutes infolge des zeitlichen Zusammenhanges die Bestrafung mit der für die schwerste strafbare Handlung festgesetzten Strafe vorsieht, wobei bei Vermögensdelikten die Strafe unter Berücksichtigung des Gesamtschadens verhängt wird. Art. 528 CP bedroht Betrugstaten bei Übersteigen einer Betrugssumme von 30.000 Peseten mit Freiheitsstrafe bis zu einer Obergrenze von sechs Monaten. Nur wenn zwei oder mehrere Umstände des Art. 529 CP zusammentreffen oder ein Umstand besonders qualifiziert wird, kommt der zweite Strafsatz des Art. 529 CP, Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einem Tag bis zu sechs Jahren, zur Anwendung. Von den strafsatzerhöhenden Umständen liegt nur der des Art. 529 Z 8 CP vor, weil der Betrug mehrere Geschädigte betraf. Dieser Umstand kann jedoch nach der Zahl der Geschädigten (acht Angriffe gegen sechs Einzelpersonen und zwei Ehepaare) nicht als besonders qualifiziert angesehen werden. Für die Betrugstaten des Angeklagten wäre also die österreichische Strafnorm für den § 148, zweiter Fall, StGB durch § 65 Abs. 2 StGB zunächst mit sechs Monaten Freiheitsstrafe begrenzt. Ein Zusammentreffen und infolgedessen eine Strafenkumulation mit anderen Auslandstaten, wie etwa der Nachmachung eines polizeilichen Dienstausweises, kann nicht erfolgen, weil diese dem Beschwerdeführer anklagemäßig nicht zur Last gelegt wurden (vgl. Anklageschrift ON 57).

Im vorliegenden Fall ist jedoch zu beachten, daß dem Angeklagten aber das (auch) im Inland begangene Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB zur Last liegt (II.).

Bei diesem Delikt tritt keine Beschränkung der österreichischen Strafnorm ein. Dabei kommt auch die Strafschärfung bei Rückfall nach § 39 StGB zum Tragen (vgl. Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 18. November 1982, AZ 11 b Vr 827/82; §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 und 3 und 15; 15, 269 Abs. 1 StGB; unter anderem Provisionsbetrügereien unter Verwendung fingierter Aufträge, zwei Jahre Freiheitsstrafe, vollzogen bis 23.August 1985; sowie Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16.November 1987, AZ 31 Vr 1394/87, §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 und 3, 148; 107 Abs. 1 und 2; 136 Abs. 1 und 2; 15, 108 Abs. 1 und 2; 229 Abs. 1; 223 Abs. 2, 224; 125, 126 Abs. 2, Tatzeit zu Betrug mit gefälschten Schecks Mai 1987, zur Fälschung besonders geschützter Urkunden November 1986 und Mai 1987, zur Urkundenunterdrückung Mai 1987 und November 1986; teilweise Strafverbüßung bis zur Flucht am 25.Juli 1988; nunmehrige Tatzeit Mitte 1989). Die Strafmöglichkeit des § 148, zweiter Fall, StGB wird daher im vorliegenden Fall infolge § 65 Abs. 2 StGB bis zur Obergrenze der Strafschärfung bei Rückfall für die Inlandstat auf eineinhalb Jahre Freiheitsstrafe erhöht.

Im einzelnen waren bei der Strafneubemessung erschwerend die oftmalige Begehung der gleichartigen Betrugstaten, die nicht zur Gänze in der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit aufgehen, ihr Zusammenfallen mit dem Vergehen der Urkundenunterdrückung, der rasche Rückfall noch während des Strafvollzuges für auf derselben schädlichen Neigung beruhende Straftaten, daß der Angeklagte schon mehrfach wegen auf dieser schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt werden mußte sowie das Ausnützen der Hilfsbereitsbeschaft der Tatopfer, als mildernd ist der Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung zu berücksichtigen. Eine Notlage des Angeklagten kann sich hingegen infolge seiner Flucht aus dem Strafvollzug nicht als mildernd auswirken (Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr. 36 zu § 34).

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (wobei die Tatbegehung bei offenem Strafvollzug auch die Schuldkomponente beeinflußt) erscheint für alle in den Strafbemessungsvorgang einzubeziehende Taten eine Freiheitsstrafe im Gesamtausmaß von eineinhalb Jahren der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld unter Berücksichtigung des in der Strafdrohung für Inlandsbetrugstaten gleicher Art ausgedrückten Schuldanteils angemessen.

Mit den infolge der Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufungen waren der Angeklagte und die Anklagebehörde, diese auch mit dem unerledigt gebliebenen Teil ihrer Nichtigkeitsbeschwerde (Z 11), auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Anrechnung der Auslieferungshaft war aus der angefochtenen Entscheidung auszuschalten, weil diese tatsächlich bereits beim Vollzug der Strafe zum Urteil des Landesgerichtes Linz vom 16.November 1987, GZ 31 Vr 1394/87-106, angerechnet worden ist (siehe ON 7 in diesem Akt sowie im vorliegenden ON 77 a).

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten gesetzlichen Bestimmung.

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