OGH 10ObS16/93

OGH10ObS16/9318.2.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Prohaska (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Taucher (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Erhard K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr.Gerhard Winterstein, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten, 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1, wegen S 9.158,63, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11.November 1992, GZ 33 Rs 132/92-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 10.Juni 1992, GZ 6 Cgs 52/92-5, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 6.Februar 1929 geborene Kläger bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten seit 1.11.1991 eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer von monatlich S 27.475,90 brutto. Mit Bescheid vom 31.1.1992 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers vom 17.1.1992 auf Auszahlung einer anteiligen Sonderzahlung zu der im Jahr 1991 gebührenden Alterspension ab.

Mit der rechtzeitigen Klage begehrt der Kläger von der Beklagten die Zahlung von S 9.158,63 (= 4/12tel des laufenden Pensionsbezuges) als aliquoten Anteil an Sonderzahlungen für 1991. Sonderzahlungen seien in allen Kollektivverträgen vorgesehen und heutzutage ein fester Bestandteil des Einkommens. Sinn und Zweck der Pension sei es, das nahtlose Übergehen von Zahlungen aus dem Aktivbezug in die Rente zu ermöglichen. Daher sei auch bei Sonderzahlungen ein solcher laufender Übergang vorzunehmen. Da § 105 ASVG keine ausdrückliche Regelung enthalte, daß auch zu anderen Zeitpunkten als im Mai oder Oktober ein Anspruch auf Sonderzahlungen bestehe, sei analog auf § 28 Abs. 2 PG (Pensionsgesetz) zurückzugreifen. Lehne man eine Analogie innerhalb der verschiedenen Pensionssysteme ab, so sei ein Vergleich der Pensionszahlungen mit dem Aktivbezug vorzunehmen. Man käme bei einer analogen Anwendung des § 16 AngG zum gleichen Ergebnis wie bei analoger Anwendung des PG. Jede andere Auslegung des § 105 ASVG würde gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen und daher verfassungswidrig sein.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Da der Kläger weder im Mai noch im Oktober 1991 eine Pension bezogen habe, bestehe im Jahr 1991 gemäß § 105 Abs. 1 ASVG kein Anspruch auf Sonderzahlungen zur Pension. Eine Auslegung des § 105 ASVG im Sinne einer Kulanzregelung sei unzulässig, weil gemäß § 81 ASVG die Mittel der Sozialversicherung nur für die gesetzlich vorgeschriebenen oder zulässigen Zwecke verwendet werden dürften. Aliquote Sonderzahlungen seien im ASVG nicht vorgesehen. Eine analoge Anwendung des PG sei nicht vertretbar, weil dieses nur die Pensionsansprüche der Bundesbeamten regle. Im ASVG bestehe auch keine dem § 16 AngG analoge Regelung, die eine aliquote Auszahlung von Sonderzahlungen entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit vorsehe. Die Regelung betreffend die Auszahlungsmodalitäten der Sonderzahlungen im ASVG sei auch verfassungskonform, weil sie für alle Pensionsberechtigten nach dem ASVG in gleicher Art und Weise anzuwenden sei und daher keine sachlich ungerechtfertigte Differenzierung vorgenommen werde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Im § 105 ASVG sei ausdrücklich die Auszahlung von Sonderzahlungen zu zwei Stichtagen vorgesehen, nämlich zu Pensionen, die in den Monaten Mai und Oktober bezogen werden. Der Umkehrschluß ergebe, daß eine Auszahlung zu anderen Zeiten und in anderer Höhe als im § 105 Abs. 1 und 3 ASVG bestimmt nicht zulässig sei. Die 14.ASVG-Novelle habe ab 1.1.1965 in der Pensionsversicherung die Pensionsbezüge in den Monaten Oktober und Mai als für die Feststellung des Anspruches und des Ausmaßes der Pensionssonderzahlung für maßgeblich erklärt. Hinsichtlich der Pensionssonderzahlungen bestehe daher keine Regelungslücke, sondern es sei eben eine Aliquotierung der Sonderzahlungen gesetzlich nicht vorgesehen. Das PG regle nur die Pensionsansprüche der Bundesbeamten, also einer Sondergruppe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in der Hauptsache (das Zinsenbegehren ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens). Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes und verwies darauf, daß die Regelung des ASVG über die Pensionssonderzahlungen alle Pensionsberechtigten nach diesem Gesetz in gleicher Art und Weise treffe, weshalb keine sachlich ungerechtfertigte Differenzierung bestehe. Anders als im Privatversicherungsrecht ziele das Sozialversicherungsrecht nicht auf eine individuelle objektive Äquivalenz von Beitragsleistungen und gebotener Sicherung ab, weil es vom Prinzip des sozialen Ausgleiches bestimmt sei. Das Berufungsgericht sehe sich zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof wegen Gleichheitswidrigkeit des § 105 Abs. 1 ASVG nicht veranlaßt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Zu Renten aus der Unfallversicherung und Pensionen aus der Pensionsversicherung, die in den Monaten Mai bzw Oktober bezogen werden, gebührt nach § 105 Abs. 1 ASVG je eine Sonderzahlung. Nach § 105 Abs. 3 ASVG gebührt die Sonderzahlung in der Höhe der für den Monat Mai bzw Oktober ausgezahlten Pension (Rente) einschließlich der Zuschüsse und der Ausgleichszulage. Die Sonderzahlungen sind zu im Monat Mai bzw Oktober laufenden Pensionen (Renten) in diesen Monaten, sonst zugleich mit der Aufnahme der laufenden Pensions-(Renten)zahlung flüssig zu machen (§ 105 Abs. 4 ASVG). Wie der Oberste Gerichtshof bereits dargelegt hat (SSV-NF 4/124 = SZ 63/170 mwN) gebührt nach dem klaren Wortlaut des § 105 Abs. 1 ASVG eine Sonderzahlung nur dann, wenn und insoweit in den Monaten Mai und Oktober ein Grundanspruch besteht. Die Sonderzahlungen stellen demnach keinen selbständigen Pensions(Renten)anspruch dar, sondern erhöhen die vorhandenen und gewährten Pensions(Renten)Leistungen in Form dieser Sonderzahlungen. Die Sonderzahlungen setzen daher den Bezug einer laufenden Leistung im Mai bzw Oktober voraus. Wenngleich es richtig ist, daß die Pensionssonderzahlungen den Zweck erfüllen, den Abfall vom Aktivitäts- zum Rentenbezug und die damit verbundene erhebliche Minderung des Lebensstandards zu mildern (vgl AB zum Rentenbemessungsgesetz, BGBl 1954/151, 536 BlgNR 7.GP), hat sich der Gesetzgeber für das Stichtags- und nicht für das Anwartschaftsprinzip entschieden. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits zitierten Entscheidung (SSV-NF 4/124 = SZ 63/170) auch ausgesprochen, daß eine etwa im § 28 PG und in arbeitsrechtlichen Bestimmungen (zB § 16 AngG) vorgesehene Aliquotierung der Sonderzahlungen im Bereich des ASVG nicht vorgesehen ist und die Sonderzahlungen nur zu Renten- und Pensionen gebühren, die in den Monaten Mai und Oktober bezogen werden; das heißt es kommt nur darauf an, daß in den betreffenden Monaten eine Pension gezahlt wurde. Der Oberste Gerichtshof hat insbesondere darauf verwiesen, daß das Risiko, in welchem Monat die Ruhendstellung des Hilflosenzuschusses (§ 105 a Abs. 3 ASVG) eintrete, für alle Bezieher von Hilflosenzuschüssen gleich sei; der Gesetzgeber differenziere nicht nach unsachlichen Kriterien, weshalb verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne einer Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht bestünden.

Die vom Revisionswerber gewünschte Analogie zu den Regelungen des § 28 Abs. 2 PG und § 16 AngG kommt nicht in Betracht, weil sie die Feststellung einer Rechtslücke, also einer planwidrigen Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts, gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung voraussetzen würde. Eine Lücke im Rechtssinn ist dann gegeben, wenn die Regelung eines Sachbereiches keine Bestimmung für eine Frage enthält, die im Zusammenhang mit dieser Regelung an sich geregelt werden müßte. Eine Lücke ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Die bloße Meinung des Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke noch nicht (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I9 24 mwN bei FN 54 und 55). Da die Frage der Auszahlung von Pensions(Renten)Sonderzahlungen im § 105 Abs. 1 ASVG eindeutig geregelt ist, besteht zu einer Lückenfüllung durch Analogie kein Anlaß.

Der Oberste Gerichtshof teilt auch nicht die vom Revisionswerber wiederholt vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 105 ASVG. Daß die Auszahlung der Pensionssonderzahlungen davon abhängt, ob in den Monaten Mai bzw Oktober Pensionen bezogen werden, entspricht der im Sozialversicherungsrecht allgemein zu beobachtenden Stichtagsregelung und begründet als solche keine Gleichheitswidrigkeit (vgl SSV-NF 6/58 zur Stichtagsregelung des § 223 Abs. 2 ASVG). Eine sachliche Rechtfertigung für diese Regelung kann nämlich durchaus in der damit verbundenen Vereinfachung der Verwaltung der Versicherungsträger erblickt werden (Teschner-Fürböck, ASVG MGA 44.ErgLfg 601 Anm 1 zu § 105).

Auch die Unterschiedlichkeit der Regelungen über Pensionssonderzahlungen im § 105 ASVG einerseits und im § 28 PG andererseits ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Nach der

ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg 11.665 =

ZAS 1988, 208/29 = JBl 1988, 442 mit Hinweis auf VfSlg 5241; kritisch

Rebhahn DRdA 1991, 218; siehe dazu SSV-NF 5/74) sind das Pensionsrecht der Beamten als Teil des öffentlichen Dienstrechtes (vgl § 1 PG) auf der einen und das Pensionsversicherungsrecht als Teil der gesetzlichen Sozialversicherung auf der anderen Seite tiefgreifend verschiedene Rechtsgebiete, sodaß sie unter dem Aspekt des Gleichheitssatzes nicht verglichen werden können.

Der Revisionswerber verweist schließlich darauf, daß auf der einen Seite Pensionsversicherungsbeiträge von aliquoten Sonderzahlungen (Aktivbezügen) geleistet werden müßten, auf der anderen Seite aber kein Anspruch auf Auszahlung von aliquoten Pensionssonderzahlungen bestehe, woraus ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken abzuleiten seien. Dem hat schon das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, daß das Pflichtversicherungsverhältnis nicht auf eine individuelle objektive Äquivalenz von Beitragsleistung und gebotener Sicherung abzielt, weil es vom Prinzip des sozialen Ausgleiches beherrscht ist (Krejci-Marhold in Tomandl, SV-System 5. ErgLfg 42). Da der Kläger eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer bezieht, kann auch keine Rede davon sein, daß Versicherungsbeiträge ohne jede Gegenleistung einbehalten wurden.

Der Oberste Gerichtshof sieht sich auch diesmal nicht veranlaßt, § 105 ASVG wegen verfassungsrechtlicher Bedenken beim Verfassungsgerichtshof anzufechten.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch - vor allem mit Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse des Klägers - nicht ersichtlich.

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