European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:0140OS00001.9300000.0216.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem auf dem ‑ einstimmigen ‑ Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Richard B* des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er am 18.Mai 1992 in Wien versucht, (dem Taxilenker) Antal B* mit Gewalt gegen seine Person unter Verwendung einer Waffe fremde bewegliche Sachen, nämlich ca. 3.000 S Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mit einem Stück Baurundstahl zweimal von hinten auf den Genannten einschlug und wiederholt rief: "Gib das Geld her !", wobei die Vollendung der Tat nur unterblieb, weil Antal B* sich zur Wehr setzte und die Alarmanlage einschaltete.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer ausschließlich auf die Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Eine Verletzung der Bestimmungen über die Fragestellung (§§ 312 ff StPO) erblickt die Beschwerde im Unterbleiben einer Zusatzfrage nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit. Die Rüge erweist sich als unbegründet.
Zusatzfragen im Sinn des § 313 StPO dürfen nur gestellt werden, wenn sie durch (in der Hauptverhandlung vorgebrachte) Tatsachen, welche auf das Vorliegen eines Strafausschließungs‑ oder Strafaufhebungsgrundes hinweisen, indiziert sind.
Eine allfällige Zurechnungsunfähigkeit des Täters ist daher im geschworenengerichtlichen Verfahren nur dann zum Gegenstand einer Zusatzfrage zu machen, wenn Verfahrensergebnisse Anlaß zu Zweifeln an der biologischen Schuldfähigkeit des Angeklagten, seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit im konkreten Fall, geben, wenn also im Beweisverfahren für das Vorliegen eines im § 11 StGB beschriebenen, die Dispositions‑ oder Diskretionsfähigkeit des Angeklagten ausschließenden Ausnahmezustandes konkrete (objektive) Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die, wenn sie als erwiesen angenommen werden, die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen.
An diesem Erfordernis mangelt es aber im vorliegenden Fall. Weder aus dem gerichtspsychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr.Spiel noch aus dem psychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr.Quatember ergeben sich hinsichtlich des Vorliegens eines solchen Ausnahmezustandes konkrete Hinweise; auch der Beschwerdeführer selbst berief sich nie auf eine seine Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit ausschließende volle Berauschung.
Der Beschwerdeführer war nach den Beweisergebnissen in der Lage, die Tatwaffe zweimal gegen sein Opfer zum Einsatz zu bringen und wiederholt vernehmlich nach Bargeld zu verlangen, das Fahrzeug nach Ertönen der Alarmanlage eiligst zu verlassen, sich des Tatwerkzeugs zu entledigen, über einen Zaun zu klettern und sich unter einem Kraftwagenanhänger zu verbergen; aus diesem Versteck konnte er bei seiner Entdeckung durch die unmittelbar darauf einschreitenden Sicherheitswachebeamten noch davonlaufen, wurde allerdings nach kurzer Flucht angehalten (siehe S 28, 31 f, 45, 183 f, 186 f, 188 f, 192 ff).
Aber auch aus seiner (in bezug auf die Suchtgiftbeeinträchtigung wechselnden) Verantwortung ergeben sich keine Hinweise für eine volle Berauschung:
Im Rahmen seiner Ersteinlassung vor dem Bezirkspolizeikommissariat Donaustadt am 18.Mai 1992 erwähnte der Beschwerdeführer einen der Tat vorangegangenen Drogenkonsum nicht; vielmehr konnte er die Ereignisse vor, während und nach der (von ihm abgeschwächt dargestellten) Tat unter Anführung konkreter Einzelheiten (darunter den Herkunftsort des später verwendeten Tatwerkzeuges, den Standplatz des Taxis, die Wahl der Fahrtroute, die Passantenfrequenz im Bereich der U‑Bahn‑Station Kaisermühlen sowie die Tathandlung selbst ‑ vgl. S 37) wiedergeben. Dies trifft auch auf sein Erinnerungsvermögen bei der ergänzenden Vernehmung am 19.Mai 1992 zu (S 47). Erst vor dem Untersuchungsrichter führte der Angeklagte ins Treffen, vor der Tat im Verlauf des Tages "ein Gramm Heroin, zwei Joint Haschisch und 27 Stück Rohypnol" eingenommen zu haben (S 50 f), konnte sich allerdings auch im Verlauf dieser Einvernahme an die zuvor bezeichneten näheren Umstände detailliert erinnern. In der Hauptverhandlung, wo sich der Angeklagte zwar als durch die Injizierung einer geringen Menge (Teil eines Gramms) Heroin in Verbindung mit der Einnahme von zehn Stück Rohypnol‑Tabletten beeinträchtigt bezeichnete (S 179 f, 182), war er ebenfalls ‑ wie auch im Rahmen seiner Exploration durch die beiden Sachverständigen (denen gegenüber er allerdings wieder eine mit seinem Tatverhalten und seinem Erinnerungsvermögen im Widerspruch stehende massive Suchtgiftbeeinflussung behauptete ‑ ON 15 und ON 23) ‑ imstande, die Details der relevanten Ereignisse konkret zu schildern (S 178 ff).
Es kann sohin ‑ und zwar auch unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung (entgegen dem Beschwerdevorbringen) nicht nur verlesenen (S 201), sondern wiederholten und teils mündlich ergänzten (S 189 ff) schriftlichen Ausführungen der genannten Sachverständigen, aus welchen der Angeklagte unter isolierter Betrachtung einzelner Passagen in bezug auf die Frage seiner, von den Sachverständigen aber ausdrücklich nicht in Zweifel gezogenen Zurechnungsfähigkeit zur Tatzeit für ihn günstigere Schlußfolgerungen abgeleitet wissen will - von einer zur Tatzeit vorgelegenen ungenügenden Orientierung in Zeit und Raum oder von einem völligen Erinnerungsverlust hinsichtlich des Tatablaufes (wie sie auch für einen durch Suchtmittel hervorgerufenen Vollrausch typisch sind) keine Rede sein (vgl. mwN Leukauf‑Steininger Komm.3 § 11 RN 28, § 287 RN 9; Foregger‑Serini StGB5 Erl. III zu § 287).
Auch aus den sonstigen Verfahrensergebnissen ‑ vor allem aus den Angaben des Tatopfers Antal B* (S 31 f, 45 f, 192 f) und der am Tatort intervenierenden Sicherheitswachebeamten H*, Br* und L* (S 183 ff, 186 f, 188 f) wie dem Inhalt der Anzeige (S 27 f) ‑ sind keine Indizien dafür zu entnehmen, daß Richard B* zum Tatzeitpunkt zurechnungsunfähig gewesen sein könnte.
Zur Stellung einer ‑ im Verfahren erster Instanz übrigens von keiner Seite beantragten (vgl. S 202) ‑ Zusatzfrage in Richtung des § 11 StGB bestand demnach kein Anlaß. Demzufolge war die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Geschworenengericht verurteilte den Angeklagten nach § 143 (erster Strafsatz) StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Auf diese Strafe wurde die Vorhaft vom 18.Mai 1992 - aufgrund der erst am 30.Oktober 1992 erfolgten Verständigung des Erstgerichtes von der Übernahme des Angeklagten in Strafhaft am 4.August 1992 zum Verfahren AZ 7 Vr 396/92 des Landesgerichtes Eisenstadt (vgl. ON 36 b und 37) infolge unverschuldeter Unkenntnis ‑ bis 14.Oktober 1992 angerechnet (US 5 iVm ON 35).
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht "das getrübte Vorleben" des Richard B* (gemeint: den Umstand, daß der Angeklagte schon wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten verurteilt worden ist - § 33 Z 2 StGB) und die leichte Verletzung (Schürfwunde im Bereich des rechten Schulterblattes) des Tatopfers als erschwerend, als mildernd hingegen die dem Angeklagten von den Sachverständigen attestierte herabgesetzte Hemmschwelle und den Umstand, daß es beim Versuch blieb.
Auch der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Strafreduktion anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.
Die als weiterer Milderungsgrund reklamierte verminderte Zurechnungsfähigkeit wurde vom Erstgericht ohnedies zugunsten des Berufungswerbers berücksichtigt. Andererseits bedürfen die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe insoweit einer Korrektur, als dem Angeklagten angesichts der bereits zehn Tage nach der oben bezeichneten Verurteilung durch das Landesgericht Eisenstadt (am 8.Mai 1992 wegen Einbruchsdiebstahls und dauernder Sachentziehung) erfolgten Begehung der gegenständlichen Raubtat auch der sehr rasche Rückfall als erschwerend anzulasten ist. Wird dies entsprechend gewertet sowie das belastete Vorleben des Angeklagten und die Erfolglosigkeit bisheriger Abstrafungen in Rechnung gestellt, so ist die vom Geschworenengericht verhängte Freiheitsstrafe (von sechs Jahren) auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes tatschuldangemessen und täterpersönlichkeitsgerecht.
Es mußte demnach auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben.
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