European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34517
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß hat keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit der Edeltraud S* stattgefunden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung:
Edeltraud S* befindet sich seit dem 3. April 1992 in dieser Sache (‑ siehe ON 39/I iVm ON 114/II - nur mehr) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO in Untersuchungshaft.
Am 10. Dezember 1992 erhob die Staatsanwaltschaft gegen sie (und ihren Ehegatten Wolfgang S*) Anklage (ON 159/IV) wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z 3 SGG (A I), des (unter erschwerenden Umständen begangenen) Finanzvergehens nach § 35 Abs. 1 (zu ergänzen: § 38 Abs. 1 lit. a) FinStrG (A II) und des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG (C).
Danach ist sie (zusammengefaßt wiedergegeben) verdächtig, in Wien und anderen Orten (zu A) in der Zeit von 1989 bis März 1992 als Mittäterin mit Wolfgang S* (zu I) gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen und das 25‑fache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge bei weitem übersteigenden Menge, nämlich mindestens 1.000 kg Cannabisharz, (zunächst) aus den Niederlanden aus‑ und nach Österreich eingeführt und (sodann) an drei namentlich genannte abgesondert verfolgte Personen zum Weitervertrieb überlassen zu haben; ferner (zu II) gewerbsmäßig zumindest 1.000 kg Cannabisharz geschmuggelt und (zu C) allein während eines noch festzustellenden Zeitraumes Haschisch wiederholt erworben und besessen zu haben.
Nachdem das Oberlandesgericht Wien mit dem (im ordentlichen Rechtsweg unanfechtbaren ‑ LSK 1982/97, 1985/107 ‑) Beschluß vom 30. Dezember 1992, AZ 24 Ns 1139, 1140/92 (ON 166/IV), verfügt hatte, daß die über Edeltraud S* verhängte Untersuchunghaft (in Abänderung des die Untersuchungshaft zunächst nur auf zehn Monate verlängernden Beschlusses vom 8. September 1992 ‑ ON 146/III), bis zu einem Jahr dauern darf, und die Anklage (infolge Verstreichens der Einspruchsfrist) rechtskräftig geworden war, wurde die Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht für den 1. April 1993 anberaumt (ON 167/IV).
Rechtliche Beurteilung
Gegen den vorbezeichneten (Haftverlängerungs‑) Beschluß vom 30. Dezember 1992 (ON 166/IV) richtet sich die fristgerecht beim Erstgericht eingebrachte Grundrechtsbeschwerde der Betroffenen, in welcher sie geltend macht, in ihrem Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt zu sein, "weil die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht, die Dauer der Haft unverhältnismäßig geworden ist und insbesondere die Haftgründe unrichtig beurteilt worden sind" (ON 168/IV).
Die Beschwerde ist jedoch in keinem Punkt im Recht.
Zunächst gründet sich der bekämpfte Beschluß ‑ entgegen der Beschwerdebehauptung ‑ lediglich in Ansehung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO auf den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. August 1992 (ON 138/III); bezüglich des (für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 1 StPO erforderlichen) dringenden Tatverdachtes (daß es nämlich auf Grund bestimmer Tatsachen in hohem Maß wahrscheinlich ist, daß die Angeklagte die ihr angesonnenen Straftaten begangen hat) stützt sich die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichtes vielmehr auf den Inhalt der (damals noch nicht rechtskräftigen) Anklageschrift (ON 159/IV). Deren ausführliche Begründung weist indes nicht nur auf die Aussage der abgesondert verfolgten Silvia K* (S 127‑145/I = S 411‑427/III) hin, sondern auch auf jene der Verena D* (S 32 ff/I = S 455 ff/III) und des Peter T* (S 491 ff/III), die ebenso wie Wolfgang S* gleichermaßen auch die Beschwerdeführerin durch ihre weitgehend unmittelbar gemachten Wahrnehmungen belasten. Darüber hinaus hat die Anklagebehörde alle im Rahmen der Voruntersuchung gesammelten Belastungsmomente und Indizien (zahlreiche, regelmäßige Fahrten nach Holland mit zwei durch Hohlräume präparierten Lieferfahrzeugen; Anmietung eines gegen Einbruchsdiebstahl versicherten Lagerraumes mit je zwei Stand‑ und Wandtresoren, in denen unter anderem mehrere Kilogramm Cannabisharz, Sparbücher, Bargeld und Devisen von über 1 Million S sowie Schmuck im Wert von rund 3,5 Millionen S und verschiedene Waren im Wert von ca. 800.000 S sichergestellt wurden, obwohl beide Angeklagten keiner geregelten Beschäftigung nachgingen, aber dennoch einen luxuriösen Lebenswandel führten; die Existenz eines straff organisierten Suchtgiftverteilerringes, dessen Mitglieder untereinander durch Personenrufgeräten mit Displayanzeige und Fernabrufgeräten verbunden waren) aktengetreu verwertet. Es trifft demnach nicht zu, daß hinsichtlich des dringenden Tatverdachtes (nur) auf die Angaben der Zeugin K* verwiesen wird.
Ob allerdings die vorliegenden Verfahrensergebnisse auch ausreichend sind, die Beschwerdeführerin im Sinne der wider sie erhobenen Anklage zu überführen, darf vom Obersten Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nicht geprüft werden, sondern muß nach den das österreichische Strafverfahrensrecht beherrschenden Grundsätzen der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und freien richterlichen Beweiswürdigung ausschließlich dem angerufenen Schöffengericht überlassen bleiben.
Was nun den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs. 2 Z 3 lit. b StPO und dessen nach Lage des Falles mangelnde Substituierbarkeit durch gelindere Mittel gemäß § 180 Abs. 5 StPO anlangt, ist der Beschwerdeführerin zwar zuzugeben, daß im Haftverlängerungsbeschluß in der Tat nur schlichtweg auf "die durch das Oberlandesgericht Wien erfolgte Prüfung (ON 138/III)" Bezug genommen wird. Dieser Entscheidung (ON 138/III) sind aber neben der "Gewerbsmäßigkeit" und "gut organisierten Begehungsweise" noch weitere Prämissen zu entnehmen, nämlich der "lange Tatzeitraum" sowie ‑ im Sinne der Ausführungen des angefochtenen (Ratskammer‑) Beschlusses (ON 114/II) ‑ das "Fehlen eines ausreichenden, redlichen Einkommens", der "Verkehr in Suchtgiftkreisen" und der "Erwerb verschiedener Vermögenswerte aus dem Erlös des Suchtgifthandels", die ‑ in ihrem Zusammenhang gesehen ‑ schon für sich eine tragfähige Grundlage für die Annahme des zitierten Haftgrundes abzugeben vermögen.
Die aus der Gesamtheit dieser Kriterien ableitbare bereits verfestigte Neigung der (selbst regelmäßig Haschisch konsumierenden) Beschwerdeführerin zur Begehung insbesonders von Suchtgiftverbrechen läßt daher bei objektiver Beurteilung mit Grund befürchten, Edeltraud S* werde ohne Fortsetzung der Untersuchunghaft ‑ ungeachtet des gegen sie geführten Strafverfahrens ‑ in Freiheit neuerlich strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet sind wie die ihr nunmehr angelasteten gewerbsmäßigen (wiederholten) Straftaten.
Diese Gefahr wird noch dadurch verschärft, daß sich die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse, unter denen die der Angeklagten angelasteten Taten seinerzeit begangen worden sein sollen, durch die Aufdeckung ihrer Malversationen und ihre Inhaftierung ganz wesentlich zum Nachteil verändert haben (§ 180 Abs. 3 letzter Satz StPO).
Da mithin der Gerichtshof zweiter Instanz die gesetzlichen Voraussetzungen der Haft (dringenden Tatverdacht und Haftgrund) richtig beurteilt hat, angesichts der Schwere und evidenten Gefährlichkeit des unter Anklage gestellten (durch Jahre hindurch gewerbsmäßig verübten) Suchtgiftverbrechens (Aus‑ und Einfuhr sowie Inverkehrsetzen einer beachtlichen Menge von mindestens 1.000 kg Cannabisharz), dessen die Beschwerdeführerin als Mittäterin dringend verdächtig ist, die Aufrechterhaltung ihrer Untersuchungshaft ersichtlich nicht außer Verhältnis zum Zweck der Maßnahme steht und unter Berücksichtigung der seit 3. April 1992 andauernden Untersuchungshaft und des für den 1. April 1993 fixierten Hauptverhandlungstermins schließlich auch nicht davon gesprochen werden kann, daß die Dauer der Untersuchungshaft im Verhältnis zu der im Falle eines Schuldspruchs wegen § 12 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Z 3 SGG (Strafdrohung: Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren) möglicherweise zu erwartenden Strafe unverhältnismäßig geworden ist, hat durch den angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien keine Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit der Beschwerdeführerin stattgefunden (§ 2 Abs. 1 iVm § 7 GRBG) und war die Beschwerde sonach als unbegründet abzuweisen.
Demzufolge hatte gemäß § 8 GRBG ein Ausspruch über den Ersatz der Beschwerdekosten zu entfallen.
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