Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger hat auch Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung für seine Ehegattin, ua auf unentbehrlichen Zahnersatz. Nachdem eine Wahlärztin für seine Ehegattin (im April 1991) eine fünfstellige Oberkiefer- und eine achtstellige Unterkiefer-Metallgerüstzahnprothese sowie eine Klammerzahnkrone angefertigt hatte, reichte der Kläger bei der Beklagten die saldierte Honorarrechnung der Wahlärztin über 28.262,40 S zur Kostenerstattung ein. Die Gesamtkosten der in Rechnung gestellten Leistungen beliefen sich nach der für Vertragszahnbehandler geltenden Honorarordnung auf insgesamt 20.862 S. Die Beklagte erstattete dem Kläger (im April 1991) 10.431 S + 20 % Umsatzsteuer (2.086,20 S).
Mit Bescheid vom 23.7.1991 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers, ihm 20 % Umsatzsteuer von 20.862 S, also weitere 2.086,20 S, zu erstatten, unter Hinweis auf § 42 ihrer Satzung ab. Danach werde bei der Gewährung von Kostenzuschüssen oder von Kostenersätzen die dem Anspruchsberechtigten angelastete Umsatzsteuer von der Beklagten (nur) soweit übernommen, als ihr das Recht auf Vorsteuerabzug nach § 12 Abs 8 Umsatzsteuergesetz 1972 (UStG) zustehe.
Das Erstgericht wies die auf 2.086,20 S samt gesetzlichen Zinsen ab Klageeinbringung (5.8.1991) gerichtete Klage ab, weil der Beklagte nach § 12 Abs 8 UStG das Recht auf Vorsteuerabzug nur hinsichtlich der tatsächlich erstatteten 10.431 S zustehe.
Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge.
Der Kläger erblickte in dem von ihm getragenen Teil der wahlärztlichen Rechnung zu Unrecht eine Kostenbeteiligung (Zuzahlung) iS des § 110 Abs 1 Z 4 ASVG, wonach Kostenbeteiligungen (Zuzahlungen), die von den Versicherten bei Inanspruchnahme der nach diesem Bundesgesetz gebührenden Leistungen zu tragen seien, - unbeschadet des § 6 UStG - von der Entrichtung der bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben ... befreit seien. Die Parenthese weise ua darauf hin, daß die Steuerbefreiung für Umsätze von Sozialversicherungsträgern an die Versicherten und ihre mitversicherten Angehörigen bereits im § 6 Z 6 UStG verfügt sei. Der Klammerausdruck "Zuzahlungen" sei offenbar eine nähere Umschreibung dessen, was der Gesetzgeber unter "Kostenbeteiligung" verstanden wissen wolle. Sonst wäre der Klammerausdruck entbehrlich. Unter "Zuzahlungen" könnte nur die Kostenbeteiligung des Versicherten an Zahlungen verstanden werden, die der Sozialversicherungsträger in Erfüllung eigener Vertragspflichten vornehme, weil er dem Versicherten in Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Pflichten keine Geld-, sondern eine Sachleistung erbringe. Der vorliegende Fall habe aber keine Kostenbeteiligung durch Zuzahlung, sondern eine Selbstzahlung des Klägers unter Inanspruchnahme von Zuschüssen zum Gegenstand, auf die § 110 Abs 1 Z 4 ASVG nicht anzuwenden sei. Dem Gesetzgeber des ASVG könne nur unterstellt werden, daß er Abgabenbefreiungen für Leistungen der Sozialversicherungsträger oder das darauf entfallende Entgelt verfüge, nicht aber für Leistungen und Entgeltforderungen anderer Personen, wie etwa von Ärzten, die mit Sozialversicherungsträgern in keinem Vertragsverhältnis stünden.
Nach § 36 Abs 5 der Satzung der Beklagten seien bei Gewährung von Leistungen des unentbehrlichen Zahnersatzes vom Versicherten (Angehörigen) Zuzahlungen zu leisten, deren Höhe im Anhang dieser Satzung festgelegt sei. Dieser Anhang I bestimme, daß die Kasse als ... unentbehrlichen Zahnersatz ... Metallgerüstprothesen ... und Vollmetallkronen an Klammerzähnen gewähre, zu deren Herstellungskosten der Versicherte (Angehörige) bei Neuanfertigung 50 % der mit den Vertragszahnbehandlern jeweils vereinbarten Tarifsätze zu leisten habe. Gemäß § 37 Abs 5 der Satzung werde die Kostenerstattung bei Inanspruchnahme von Wahlärzten ... in der Höhe des Betrages gewährt, die bei Inanspruchnahme des entsprechenden Vertragspartners der Kasse von dieser aufzuwenden gewesen wäre. Bei der Gewährung von Kostenzuschüssen und Kostenersätzen übernehme die Kasse nach § 42 ihrer Satzung auch die dem Anspruchsberechtigten angelastete Umsatzsteuer, soweit der Kasse das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs 8 UStG zustehe. Die übernommene Umsatzsteuer sei auf das in der maßgebenden Bestimmung festgesetzte Ausmaß der Leistung nicht anzurechnen. Nach der bezogenen steuerrechtlichen Bestimmung seien die Träger der Sozialversicherung zum Vorsteuerabzug auch dann berechtigt, wenn die Rechnung für eine von einem anderen Unternehmen erbrachte Leistung, die dem Versicherten auf Grund gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften als Sachleistung gewährt werden könnte, auf den Namen des Versicherten laute. Die in einer solchen Rechnung ausgewiesene Vorsteuer sei insoweit abziehbar, als sie auf den dem Rechnungsempfänger gewährten Kostenersatz entfalle. Deshalb habe die Beklagte die dem Kläger angelastete Umsatzsteuer nur soweit zu übernehmen, als sie auf den ihm gewährten Kostenersatz von 10.431 S entfalle. Die auf den nichterstatteten Teil der Honorarrechnung der Wahlärztin entfallende Umsatzsteuer habe der Kläger hingegen selbst zu tragen.
Die ungleiche Umsatzsteuerbelastung bei Inanspruchnahme von Vertrags- und Wahlärzten sei dadurch bedingt, daß die Rechnung des Wahlarztes auf den Versicherten laute, dem als Letztverbraucher kein Vorsteuerabzugsrecht zustehe. Die Rechnung des Vertragsarztes hingegen werde an den Träger der Sozialversicherung, also an einen Unternehmer iS des § 12 Abs 1 Z 1 UStG adressiert, der nach dieser Gesetzesstelle zum Vorsteuerabzug berechtigt sei und dessen eigene Leistungen an den Versicherten oder dessen Angehörigen gemäß § 6 Z 6 UStG von der Umsatzsteuer befreit seien. Daß der Vorteil der freien Arztwahl mit Steuernachteilen verbunden sei, sei nicht verfassungswidrig.
Auch das ASVG schreibe den Ausgleich solcher Nachteile nicht vor. Nach § 131 Abs 1 leg cit gebühre dem Anspruchsberechtigten, der weder die Vertragspartner noch die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen in Anspruch nehme, der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung (nur) in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Der Versicherungsträger dürfe daher bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes nicht weniger aufwenden als bei Inanspruchnahme eines Vertragsarztes. Wenn der Versicherungsträger die volle, in der auf ihn lautenden Rechnung des Vertragsarztes ausgewiesene Umsatzsteuer leiste, dürfe er nach § 12 Abs 1 Z 1 UStG die volle Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Ersetze er dem Versicherten die halbe Umsatzsteuer der auf diesen lautenden Rechnung des Wahlarztes, könne er sie (nach § 12 Abs 8 leg cit) im Wege des Vorsteuerabzuges wieder hereinbringen. In beiden Fällen sei die Umsatzsteuer (für den Versicherungsträger) nur ein Durchlaufposten, der keinen Mehr- oder Minderaufwand nach sich ziehe.
Daß andere Versicherungsträger, für die andere Gesetze und Satzungen gelten würden, Wege fänden, um eine ungleiche Umsatzsteuerbelastung bei Inanspruchnahme von Vertrags- und Wahlärzten zu vermeiden, sei nicht entscheidungswesentlich, weshalb es keines diesbezüglichen Beweisverfahrens bedurft hätte.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die nicht beantwortete Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder allenfalls die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision wurde vom Berufungsgericht mit Recht als nach § 46 Abs 1 Z 1 ASGG zulässig erklärt, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts abhängt, der mangels einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Wahrung der Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht berechtigt.
§ 110 Abs 1 Z 4 ASVG, nach dem von der Entrichtung der
bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben ... - unbeschadet des § 6 UStG 1972 ... - Kostenbeteiligungen (Zuzahlungen) befreit sind,
die von den Versicherten bei der Inanspruchnahme der nach diesem Bundesgesetz gebührenden Leistungen zu tragen sind, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers nicht wesentlich.
Da die mitversicherte Ehegattin des anspruchsberechtigten Klägers für den unentbehrlichen Zahnersatz weder die Vertragspartner noch die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des beklagten Versicherungsträgers zur Erbringung dieser Sachleistungen in Anspruch genomen hat, gebührt dem Kläger nach dem im § 153 Abs 2 ASVG bezogenen § 131 Abs 1 leg cit der Ersatz der Kosten der anderweitigen Behandlung durch einen Wahlarzt in der Höhe des Betrages, bei der Inanspruchnahme der entsprechenden Vertragspartner der Beklagten von dieser aufzuwenden gewesen wäre.
Nach § 153 Abs 2 ASVG kann der unentbehrliche Zahnersatz unter Kostenbeteiligung des Versicherten gewährt werden. An Stelle der Sachleistung können auch Zuschüsse zu den Kosten eines Zahnersatzes geleistet werden. Das Nähere wird durch die Satzung des Versicherungsträgers bestimmt.
Nach § 37 Abs 5 der Satzung der Beklagten wird die Kostenerstattung bei Inanspruchnahme von Wahlärzten ... in der Höhe des Betrages gewährt, die bei Inanspruchnahme des entsprechenden Vertragspartners der Kasse von dieser aufzuwenden gewesen wäre.
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf § 36 Abs 5 erster und zweiter Satz und § 42 der Satzung der Beklagten und deren Anhang I und der einschlägigen Bestimmungen des UStG zutreffend ausgeführt, daß die Beklagte bei der Gewährung des Kostenersatzes die dem Anspruchsberechtigten angelastete Umsatzsteuer nur soweit zu übernehmen hatte, als ihr das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs 8 UStG zusteht, also nur im bereits geleisteten Ausmaß von 20 % von
10.431 S.
Schon nach § 6 Z 6 UStG idF des Art I Z 5 AbgabenänderungsG 1975 BGBl 636 sind von den unter § 1 Abs 1 Z 1 und 2 (UStG) fallenden Umsätzen die Umsätze der Träger der Sozialversicherung ... untereinander und an die Versicherten, die mitversicherten Familienangehörigen ... steuerfrei.
Diese aus sozialpolitischen Gründen geschaffene Befreiungsbestimmung, die das Recht auf Vornahme des Vorsteuerabzuges unberührt läßt (echte Befreiung), bezweckt eine möglichst vollkommene Entlastung der Sozialversicherungsträger von der Umsatzsteuer. Im Gegensatz zu § 4 Abs 1 Z 11 lit a UStG 1959 werden nach § 6 Z 6 UStG 1972 nicht die Umsätze von Unternehmern an die Sozialversicherungsträger befreit, sondern nur die Umsätze der Sozialversicherungsträger untereinander und an die Versicherten. Während Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken mit ihren Umsätzen in die Steuerpflicht einbezogen wurden, können die im § 6 Z 6 UStG genannten Versicherungsträger, deren Tätigkeit nach § 2 Abs 4 Z 1 leg cit als gewerbliche oder berufliche gilt, so daß sie als Unternehmer iS des Abs 1 dieser Gesetzesstelle behandelt werden, die ihnen gesondert in Rechung gestellten Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuer geltend machen (Kranich-Siegl-Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer Anm 48 zu § 6 Z 6).
Die Befreiungsbestimmung des § 6 Z 6 UStG muß im Zusammenhang mit § 2 Abs 4 Z 1, § 12 Abs 3 letzter Satz und Abs 8 leg cit gesehen werden. Die im nach der erstbezogenen Bestimmung fingierten Unternehmerbereich bewirkten Umsätze sind nach Maßgabe des § 6 Z 6 umsatzsteuerfrei, wodurch jedoch nach § 12 Abs 3 letzter Satz kein Ausschluß vom Vorsteuerabzug eintritt. Auf diese Weise erhalten die Sozialversicherungsträger die in Rechnungen anderer Unternehmer an sie gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen im Wege des Vorsteuerabzuges erstattet. Dies geht nach Abs 8 der letztzit Bestimmung sogar soweit, daß die Berechnung zum Vorsteuerabzug auch dann besteht, wenn die Rechnung auf den Namen des Versicherten lautet, allerdings nur insoweit, als dem Rechnungsempfänger tatsächlich ein Kostenersatz gewährt wird (Kranich ua, Komm Anm 345 und 487 zu § 2, Anm 49 zu § 6 Z 6).
Als umsatzsteuerfreie Umsätze an die Versicherten bzw mitversicherten Familienangehörigen können nicht alle an den Versicherten bewirkten Leistungen angesehen werden, sondern nur jene, die an die Versicherten oder deren anspruchsberechtigte Angehörigen im Rahmen gesetzlicher oder satzungsmäßiger Vorschriften direkt erbracht werden (zB in Ambulatorien, eigenen Krankenanstalten oder sonstigen Einrichtungen der Sozialversicherungsträger) und auf die der Versicherte oder die mitversicherten Angehörigen auf Grund der sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen Anspruch haben. Der Umsatz muß sich also innerhalb des durch Gesetz oder Satzung bestimmten Leistungsrahmens bewegen. So ist zB der von einem Versicherten, der in der 2. Gebührenklasse einer dem Sozialversicherungsträger gehörenden Krankenanstalt behandelt wird, selbst zu tragende Differenzbetrag zwischen der allgemeinen und der
2. Gebührenklasse nicht steuerfrei (Kranich ua, Komm Anm 75 zu § 6 Z 6).
Die Träger der Sozialversicherung leisten vielfach nachträglich einen Kostenersatz an Versicherte für Leistungen, die üblicherweise als Sachleistungen für Rechnung des Trägers der Sozialversicherung bewirkt werden. Da in diesen Fällen Leistungsempfänger die Versicherten sind, auf deren Namen die Rechnungen lauten, sieht § 12 Abs 8 UStG vor, daß auch die in solchen Rechnungen ausgewiesenen Steuerbeträge vom Träger der Sozialversicherung als Vorsteuer abgezogen werden können. Der Träger kann die Vorsteuer jedoch nur insoweit abziehen, als sie auf den dem Rechnungsempfänger gewährten Kostenersatz entfällt. Die Erstattung auch jener Steuer, die vom Rechnungsempfänger selbst getragen werden muß, wäre sachlich nicht begründet (RV zum UStG 1972, 145 BlgNR 13. GP 35f; RV zum Abgabenänderungsgesetz 1980, 457 BlgNR 15. GP 27; Dorazil ua, Komm zum UStG 1972 11. Lfg FN 18 zu I/§ 12; [Kranich ua, Komm Anm 151 und 152 zu § 12]; VwGH 27.11.1978 Slg 5321 (F)).
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist daher richtig, weshalb der Revision nicht Folge zu geben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)