OGH 15Os161/92

OGH15Os161/9214.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Jänner 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch, Dr.Hager und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Edgar H***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 19. Oktober 1992, GZ 26 Vr 1280/92-27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, sich der Verhandlung und Urteilsfällung zu unterziehen.

Text

Gründe:

Von der Staatsanwaltschaft Linz wurde gegen Edgar Fritz H***** Anklage wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB, des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB erhoben.

Als Vergewaltigung wird ihm zur Last gelegt, am 8.Juni 1992 in Traun dadurch, daß er Renate H***** an den Handgelenken und Knöcheln am Bett etwa 40 Minuten lang festband, an ihr einen Geschlechtsverkehr vollzog und durch sie einen Oralverkehr vornehmen ließ, eine Person mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafes und Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Das Schöffengericht fällte in der Hauptverhandlung vom 19.Oktober 1992 nach Vernehmung des Beschuldigten und der Zeugin Renate H***** sowie nach Abspielen eines Videofilmes, aus dem der Tathergang ersichtlich ist, ein Unzuständigkeitsurteil. Es gelangte zur Ansicht, daß angesichts der aus dem Film ersichtlichen Tatmodalitäten der Verdacht bestehe, das Opfer sei längere Zeit hindurch in einem qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt worden; demnach erfülle der festgestellte "Teilsachverhalt nicht mehr allein die angeklagte Qualifikation nach § 201 Abs 2 StGB, sondern auch die Erschwerungsmodalitäten nach Abs 3", die Tat "wäre unter § 201 Abs 3, 2. und 3.Fall StGB zu subsumieren, woran sich eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren knüpft" (US 4).

Der vom Angeklagten gegen dieses Urteil erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 6 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt in Ansehung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nach der Z 6 der zitierten Gesetzesstelle Berechtigung zu.

Von der Staatsanwaltschaft wurde die in Rede stehende Tat als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB beurteilt. Das Schöffengericht führte im bekämpften Urteil nicht aus, daß und aus welchen Verdachtsgründen die Tat allenfalls als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB gewertet werden könnte und stellte auch keine in diese Richtung deutenden Verdachtsumstände fest. Im Gegenteil: Es bezog sich in seinen Entscheidungsgründen darauf, daß sie "nicht mehr allein" dem § 201 Abs 2 StGB zu unterstellen sei, sondern auch die Deliktsqualifikation nach § 201 Abs 3 StGB erfülle.

Die Strafdrohung einer nach § 201 Abs 3 StGB qualifizierten sogenannten minderschweren Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB reicht von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe und fällt demnach auch bei Annahme der genannten Qualifikation in die Entscheidungskompetenz des Schöffengerichtes. Der vom Erstgericht herangezogene Strafsatz von fünf bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe gilt hingegen nur für eine nach § 201 Abs 3 StGB qualifizierte Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB; eine solche ist aber vorliegend nicht unter Anklage gestellt und wird auch vom Schöffengericht nach dem Inhalt seines Unzuständigkeitsurteils nicht angenommen.

Demnach hat das Erstgericht, wie der Angeklagte in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, zu Unrecht seine Unzuständigkeit ausgesprochen, weil es an einer Grundlage für die Annahme einer Kompetenz des Geschworenengerichtes fehlt.

Aus den aufgezeigten Erwägungen war daher das angefochtene Urteil zu kassieren und dem Erstgericht die Verhandlung und Urteilsfällung aufzutragen (§§ 285 e, 288 Abs 2 Z 2 StPO), ohne daß es noch erforderlich wäre, auf die weiteren Beschwerdeausführungen einzugehen, zu denen nur am Rande angemerkt sei, daß sie schon deshalb unbeachtlich bleiben müßten, weil Gründe der geltend gemachten Art (§ 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 10 StPO) nur ein in der Sache selbst ergehendes Urteil betreffen könnten (vgl Mayerhofer-Rieder StPO3 § 281 Z 6 E 2 und 7).

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