OGH 2Ob606/92

OGH2Ob606/9214.1.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ursula V*****, vertreten durch Dr.Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Irene P*****, und 2. Peter P*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Kunert, Rechtsanwalt in Stockerau, wegen Aufkündigung, infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 11. August 1992, GZ 5 R 153/92-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Stockerau vom 24.März 1992, GZ 2 C 77/92a-6, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Das Verfahren ist, soweit die klagende Partei ihr Begehren auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG stützt, unterbrochen."

Die Rekurskosten und die Kosten des Revisionsrekurses sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Die Klägerin kündigte den Beklagten das zwischen den Streitteilen bestehende Mietverhältnis hinsichtlich der Wohnung in ***** S*****gasse 9/7+8, aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 1 Z 1 und 3 MRG auf. Dagegen brachten die Beklagten in ihren Einwendungen unter anderem vor, der von der Klägerin geltend gemachte Hauptmietzins sei überhöht, es sei ein Antrag bei der Schlichtungsstelle der Stadt S***** eingebracht worden um festzustellen, daß die von der kündigenden Partei verlangten Hauptmietzinse unzulässig seien.

Das Erstgericht erklärte mit Beschluß vom 24.März 1992 den zwischen den Streitteilen anhängigen Rechtsstreit gemäß § 41 MRG bis zur Entscheidung des bei der Stadtgemeinde S*****, Schlichtungsstelle, anhängigen Verfahrens für unterbrochen. Es ging davon aus, daß das Verfahren bei der Schlichtungsstelle noch anhängig sei. Die Entscheidung des gegenständlichen Rechtsstreites hänge daher auch von einer Vorfrage ab, über die ein Verfahren nach § 37 MRG anhängig sei. An der gemäß § 41 MRG obligatorischen Unterbrechung ändere es nichts, daß auch der Anspruchsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 MRG geltend gemacht wurde, weil der Ausgang des Rechtsstreites sich derzeit nicht absehen lasse und eine nach Anspruchsgründen getrennte Entscheidung in der Hauptsache ausgeschlossen sei.

Das von den Beklagten angerufene Rekursgericht hob den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf; es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit über 50.000,-- S und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht vertrat die Rechtsansicht, der Unterbrechung des Verfahrens stehe die Geltendmachung eines von der Nichtbezahlung des Mietzinses unabhängigen Auflösungsgrundes (nachteiliger Gebrauch gemäß § 30 Abs 2 Z 3 MRG) entgegen. Bei bloß teilweiser Präjudizialität sei eine Unterbrechung des Prozesses unzulässig. Vielmehr werde das Erstgericht das Beweisverfahren gemäß § 189 ZPO vorerst auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG zu beschränken haben. Danach werde neuerdings darüber zu entscheiden sein, ob das Verfahren zu unterbrechen sei.

Der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses wurde damit begründet, daß die Entscheidung von einer grundsätzlichen Rechtsfrage abhänge, für die eine einheitliche bzw. eine oberstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Beschluß wieder herzustellen; hilfsweise wird beantragt, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß ausgesprochen werde, daß das Verfahren, soweit die aufkündigende Partei ihr Begehren auf die Geltendmachung des Kündigungsgrundes gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG stütze, unterbrochen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil eine Mißachtung des Gebotes des § 41 MRG bekämpfbar ist und eine Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO vorliegt. Der Rechtsmittelausschuß nach § 192 Abs 2 ZPO, der nur für prozeßleitende Verfügungen gilt, die in das Ermessen des Gerichtes gelegt sind, findet keine Anwendung (RZ 1987/33 = MietSlg XXXVIII/33). Das Rechtsmittel ist im Sinne seines Eventualantrages auch berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, daß jedenfalls hinsichtlich des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG der Rechtsstreit gemäß § 41 MRG zwingend zu unterbrechen sei. Da aber im Urteilsspruch eines Kündigungsverfahrens nicht über den Bestand einzelner Kündigungsgründe, sondern nur über die Rechtswirksamkeit der Kündigung zu entscheiden sei, sei die Kündigung als Ganzes anzusehen. Das gemäß § 37 MRG bei der Schlichtungsstelle anhängige Verfahren sei daher für den gesamten Kündigungsrechtsstreit präjudiziell.

Diese Ausführungen sind teilweise zutreffend.

Gemäß § 41 MRG ist das Verfahren über einen Rechtsstreit von Amts wegen zu unterbrechen, wenn die Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, über die ein Verfahren nach § 37 MRG bei Gericht oder der Gemeinde bereits anhängig ist. Im vorliegenden Fall hat nun die klagende Partei ein einheitliches Begehren gestellt, das sie allerdings auf verschiedene Sachverhaltsbehauptungen (Mietzinsrückstand und nachteiliger Gebrauch) gründete. Die klagende Partei hat sohin gemeinsam kumulierte Streitgegenstände geltend gemacht (siehe Fasching, LB2, Rz 1138). Während hinsichtlich des einen Streitgegenstandes (Mietzinsrückstand) § 41 MRG eine Unterbrechung des Verfahrens zwingend vorschreibt, sind hinsichtlich des anderen Streitgegenstandes (nachteiliger Gebrauch) die Voraussetzungen einer Unterbrechung des Verfahrens nicht gegeben. Der vorliegende Unterbrechungsgrund in Ansehung des einen der kumulativ geltend gemachten Klagsgründe kann weder im Sinne der Entscheidung des Erstgerichtes zur Unterbrechung des gesamten Rechtsstreites führen noch im Sinne der Entscheidung des Rekursgerichtes zur Gänze vernachlässigt werden. Geht man von dem der herrschenden Lehre entsprechenden Begriff eines zweigliedrigen Streitgegenstandes aus (Fasching, aaO, Rz 1163 ff), dann ist das Verfahren hinsichtlich des einen von der klagenden Partei geltend gemachten Klagsgrundes (Kündigung wegen Mietzinsrückstandes gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG) zu unterbrechen. Soweit das Begehren der klagenden Partei aber auf den anderen Kündigungsgrund (nachteiliger Gebrauch gemäß § 30 Abs 2 Z 3 MRG) gestützt wird, hat eine Unterbrechung nicht zu erfolgen und ist der Rechtsstreit fortzusetzen (siehe SZ 60/151 mwN).

Der Vorbehalt der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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