Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten erster Instanz zu behandeln.
Text
Begründung
Der am 24.März 1938 geborene Kläger, der überwiegend als angelernter Dreher tätig war, bezog ab 1.Jänner 1987 eine bis 31.Dezember 1987 befristete und ab 1.Jänner 1988 eine unbefristete Invaliditätspension von der beklagten Partei. Diese Pension wurde ihm mit dem angefochtenen Bescheid vom 22. (25.) Jänner 1990 mit Ablauf des Monates Februar 1990 entzogen (§ 99 ASVG).
Das Erstgericht wies das auf Weitergewährung der Invaliditätspension ab 1.März 1990 gerichtete Klagebegehren ab, weil im Gesundheitszustand des Klägers gegenüber dem Gewährungsgutachten eine wesentliche Besserung eingetreten sei und der Kläger mit den vorhandenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten zwar die bisher überwiegend ausgeübte Tätigkeit eines Drehers nicht mehr verrichten, wohl aber auf die Ersatztätigkeit eines Endproduktprüfers verwiesen werden könne. Die wesentliche Besserung des seit mehreren Jahren bestehenden Herzleidens des Klägers wurde darin erblickt, daß die Auswurf- und Pumpleistung des Herzens zugenommen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß der Kläger wegen wesentlich gebesserter Herzfunktion nun wieder in seinen Berufen oder gemäß § 255 Abs 1 und 2 ASVG in Verweisungstätigkeiten innerhalb seiner Berufsgruppe einsatzfähig sei. Das eventuelle Hinzutreten eines neuen Leidens sei kein Hindernis für die Entziehung der bisher gewährten Invaliditätspension.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist im Sinne ihres hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.
Der Kläger weist in seiner Rechtsrüge sinngemäß darauf hin, daß die Invaliditätspension nicht entzogen werden könnte, wenn die Leistungsvoraussetzungen für ihre Gewährung bei Erlassung des Bescheides vom 4.März 1988 von vornherein gefehlt hätten, weil dann keine "wesentliche" Änderung der Verhältnisse vorläge. Ob dies der Fall ist, kann nach den erstgerichtlichen und vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen nicht verläßlich beurteilt werden. Es kommt nicht darauf an, welche Tatsachen der Zuerkennung zugrundegelegt wurden, sondern es sind im Verfahren über die Entziehung unabhängig von dem im Zuerkennungsverfahren allenfalls getroffenen Feststellungen neuerlich Feststellungen über die für die Zuerkennung wesentlichen Tatsachen zu treffen. Geht es um die Entziehung einer Leistung aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit, so sind daher zunächst der körperliche und der geistige Zustand des Versicherten und sein Leistungskalkül für die Zeit der Zuerkennung der Leistung festzustellen (SSV-NF 5/5, ebenso 10 Ob S 332/91, 10 Ob S 20/92 = SSV-NF 6/17 - in Druck). Eine Feststellung des Leistungskalküls im Zeitpunkt der Zuerkennung fehlt im vorliegenden Fall überhaupt, weshalb nicht beurteilt werden kann, ob in der Arbeitsfähigkeit des Klägers seither eine Änderung eingetreten ist. Sollte sich das Leistungskalkül seit der Weitergewährung der befristeten Invaliditätspension nicht geändert haben, so stünde dies einer Entziehung der Leistung entgegen. Deshalb leiden die Urteile der Vorinstanzen an einem Feststellungsmangel, der die ausreichende rechtliche Beurteilung der Sache verhindert.
Hat sich durch eine Besserung des Gesundheitszustandes eine Änderung des seinerzeitigen Leistungskalküls in bezug auf die damaligen Leiden ergeben, die den Leistungswerber instandsetzen würde, nunmehr wieder einer geregelten Beschäftigung nachzugehen, so ist der Anspruch neu zu beurteilen und zu prüfen, ob ausgehend vom derzeitigen Zustand unter Berücksichtigung allfälliger zwischenzeitig hinzugetretener Leiden die Voraussetzungen für die Pensionsleistung wegen geminderter Arbeitsfähigkeit noch immer vorliegen. Den Versicherungsträger trifft dabei die objektive Beweislast dafür, daß eine rechtlich relevante Änderung des bei Gewährung der Leistung gegebenen Zustandes eingetreten ist. Ist dies erwiesen, so trifft den Leistungswerber die objektive Beweislast dafür, daß ungeachtet der eingetretenen Besserung, etwa bedingt durch zwischenzeitig neu eingetretene Leidenszustände oder aus anderen Gründen (etwa mit Rücksicht auf einen im Zuerkennungsverfahren nicht geprüften Berufsschutz) die Voraussetzungen für den Anspruch nach wie vor bestehen (10 Ob S 349/91 = SSV-NF 6/7 - in Druck; 10 Ob S 88/92 = SSV-NF 6/53 - in Druck).
Der Revision war daher Folge zu geben. Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, war die Sozialrechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)