OGH 14Os120/92

OGH14Os120/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Dezember 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, Hon.‑Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Massauer und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Röder als Schriftführer, in der Strafsache gegen Dr. Gerhart S* wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. März 1992, GZ 2 b Vr 6703/90‑133, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Rohracher, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:0140OS00120.9200014.1215.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Gerhart S* der Verbrechen (I.) des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und 15 StGB sowie (II.) der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien und anderen Orten Österreichs

(zu I) mit dem Vorsatz, sich (oder einen Dritten ‑ vgl US 18, 19, 21) durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet bzw. zu verleiten versucht, welche diese Personen am Vermögen schädigten bzw. schädigen sollten, und zwar

1. um den 3. bzw. 4. Oktober 1984 Mag. Helmuth W* durch die Behauptung, die Unterfertigung von Pfandbestellungsurkunden und die ihm (Dr. S*) erteilte Vollmacht erfolge nur pro forma, ohne daß es dadurch zu einer tatsächlichen Belastung der Liegenschaften kommen werde, zur Unterfertigung von Pfandbestellungsurkunden und Bevollmächtigung (Dris. S*) verleitet, worauf (Höchstbetrags‑)Kredite bis zu 333.000 S, 562.500 S, 300.000 S und 700.000 S auf dem Helmuth W* gehörenden Liegenschaften pfandrechtlich sichergestellt wurden; Schaden: 700.861,94 S;

2. etwa im Dezember 1988 Albert G* durch die fälschliche Behauptung, er werde für ihn Geld in die Errichtung einer ausländischen Firmenkonstruktion investieren, zur Übergabe von 530.000 S; Schaden in dieser Höhe;

3. Margit G*

a) etwa im Mai 1989 durch die Behauptung, Geld zur Verhinderung der Versteigerung des Privathauses der Familie G* zu benötigen, zur Übergabe von 210.000 S; Schaden in dieser Höhe;

b) etwa im Mai 1989 durch die Behauptung, bei einer allfälligen Versteigerung dürften keine Wertsachen im Haus sein, zur Übergabe einer Münzensammlung im Wert von ca. 50.000 S und von Schmuck im Wert von ca. 40.000 S; Schaden: ca. 90.000 S;

c) etwa im Jänner 1990 durch die Vorspiegelung, er benötige weiteres Geld zur Verhinderung der Versteigerung des Privathauses der Familie G* zur Übergabe eines Bargeldbetrages von 2,600.000 S zu verleiten versucht;

4. am 1. Juli 1985 Franz W* durch die Behauptung, er werde Geld für ihn gewinnbringend zu günstigen Zinsen anlegen, zur Aushändigung von 700.000 S; Schaden: 322.000 S;

(zu II) ein ihm anvertrautes Gut, nämlich von Nachgenannten ihm übergebene bzw. für sie übernommene Geldbeträge dadurch, daß er das Geld für sich behielt, sich mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zugeeignet, und zwar

1. im Juni 1987 von den ihm von Marianne K* übergebenen Kostenvorschüssen in der Höhe von 685.000 S den Betrag von 550.000 S und

2. im Juni 1989 den der Anita H* aus einer Erbschaft gehörenden Betrag von 432.788,28 S für sich behielt.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 4 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Eine (Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 4 StPO bewirkende) Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung (S 163/Bd. IV) des von seinem Verteidiger (am 11. Verhandlungstag) in der Hauptverhandlung am 17. März 1992 gestellten Beweisantrages (S 131/Bd. IV), dem Angeklagten möge zur Widerlegung aller Fakten „Gelegenheit verschafft werden, Entlastungsurkunden beizuschaffen, wozu er bisher auf Grund der langdauernden Untersuchungshaft und mehrmals wiederholter Ablehnung von Enthaftungsanträgen keine Gelegenheit hatte. Diese Urkunden betreffen die Vereinbarungen mit den Zeugen und vermeintlich Geschädigten und Zahlungen, die zwischen dem Angeklagten und diesen Personen stattgefunden haben“. Zur Begründung des abweisenden Zwischenerkenntnisses „wegen Unerheblichkeit und Spruchreife“ hat das Schöffengericht im Urteil noch dargelegt, daß sich der Beschwerdeführer, der in der Hauptverhandlung weder zu seinen persönlichen Verhältnissen noch zu den Anklagevorwürfen Stellung genommen hat, nach Einleitung der Voruntersuchung etwa ein Dreivierteljahr in Freiheit befunden habe, während der Haft immer anwaltlich vertreten gewesen sei und die Möglichkeit zu konkreten Angaben bestanden hätte, welche Entlastungsurkunden wo aufzufinden wären (US 40).

Dieser Argumentation des Schöffengerichtes ist noch anzufügen, daß dem Beweisantrag schon die prozessuale Voraussetzung einer Bezeichnung der Beweismittel (§§ 199 Abs 2 aE; Bertel StPO3 RN 523) fehlt. Dem Antrag auf Bei‑/Beschaffung von „Entlastungsurkunden“ mangelt jedenfalls die für eine Beweisaufnahme nötige Spezifizierung. Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen, konkret anzuführen, welche Tatsachen er unter Beweis zu stellen beabsichtigt. Das solcherart auf die bloß hypothetische Möglichkeit eines erst durch Sichtung angeblich vorhandener Unterlagen allenfalls zugunsten des Angeklagten verwertbaren Beweisergebnisses gestützte Begehren zielte sohin auf die Durchführung eines (unzulässigen) Erkundungsbeweises ab (vgl Mayerhofer‑Rieder StPO3 ENr 88 zu § 281 Z 4), die das Schöffengericht ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten ablehnen konnte.

Aber auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) ist nicht zielführend. Mit ihr wendet der Beschwerdeführer in Ansehung des Betrugsfaktums laut Punkt I/1 des Urteilssatzes ein, die Urteilsfeststellung, er habe zumindest damit „gerechnet“, daß die auf Grund der (hypothekarischen) Besicherung gewährten Kredite nicht zur Gänze in der vorgeschriebenen Zeit zurückgezahlt werden würden und Mag. W* als Hypothekarschuldner in Anspruch genommen werden könnte, womit er sich abfand (US 21), decke die für die Annahme eines bedingt vorsätzlichen Handelns erforderliche Wissens‑ und Willenskomponente nicht ab. Dabei übersieht die Beschwerde jedoch, daß das Schöffengericht durch die Formulierung, daß der Angeklagte „zumindest damit rechnete“ mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit zum Ausdruck brachte, daß er die Tatbildverwirklichung des Betruges ernstlich für möglich gehalten, also die erforderliche Wissenskomponente erfüllt hat und auf der Ebene der Willenskomponente bereit war, den nachteiligten Ergebnisablauf hinzunehmen und sich mit ihm abgefunden hat. Entgegen dem Beschwerdevorbringen hat das Erstgericht auch dargelegt, wie es zur Annahme eines Handelns des Angeklagten mit (zumindest) bedingtem Betrugsvorsatz kam (vgl insbesondere US 52). Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß der Schöffensenat in Ansehung des in Rede stehenden Betrugsfaktums letztlich die Frage offen ließ, ob der Angeklagte in diesem Fall sich selbst oder einen Dritten ‑ nämlich die Lederwarenhändlerin Juliana K*, mit der er zur Tatzeit „eine Beziehung hatte“ (vgl US 13,18, 21) ‑ bereichern wollte. Dies gilt gleichermaßen für die Betrugsfakten Punkt I/2 und 3 a‑c; auch insoweit lassen die Urteilsgründe keinen Zweifel daran, daß der Angeklagte mit (zumindest bedingtem) Täuschungs‑, Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz gehandelt hat (US 25).

In Ansehung des ihm unter Punkt I/3 c angelasteten versuchten Betruges schließlich bestreitet der Beschwerdeführer das Vorliegen eines bereits strafbaren Versuchs. Die telefonische Aufforderung an Margit G*, ihm den Betrag von 2,600.000 S „zuzuwenden“, könne mangels Ausführungsnähe nur als straflose Vorbereitungshandlung gewertet werden; es hätte noch weiterer Tathandlungen bedurft, um überhaupt eine Lage zu schaffen, in der Margit G* die selbstschädigende Vermögensverschiebung hätte vornehmen können. Da er mit der Genannten keinerlei Vereinbarungen hinsichtlich einer Übergabe des Geldes getroffen habe, sei davon auszugehen, daß er im Vorbereitungsstadium die Ausführung der Tat aufgegeben habe.

Die Beschwerde ist auch damit nicht im Recht; denn nach den ‑ bei Ausführung und Beurteilung einer Rechtsrüge die Basis bildenden ‑ Urteilsfeststellungen war die Täuschungshandlung des Angeklagten bereits erfolgreich, weil Margit G* noch immer an die Redlichkeit des Angeklagten glaubte und die den Schaden herbeiführende Erfüllung der betrügerischen Forderung nur unterblieb, weil sie nicht in der Lage war, den (hohen) Geldbetrag aufzubringen (vgl US 26, 60, 80 iVm S 18/Bd. IV). Betrugsversuch liegt aber vor, sobald der Täter eine auf Täuschung abzielende ‑ und in diesem Sinn ausführungsnahe ‑ Handlung vorgenommen hat, wobei das Erfordernis der Ausführungsnähe (§ 15 Abs 2 StGB) nur im Verhältnis zum Ausführungsbeginn gilt, somit nur für Versuchshandlungen, die der Ausführung vorangehen und nicht schon selbst Ausführungshandlungen sind. Da beim Betrug die Täuschung über Tatsachen bereits Ausführungshandlung (begonnene Ausführung) ist, begründen schon unternommene Täuschungsakte auch dann Betrugsversuch, wenn der gewollte Deliktserfolg erst geraume Zeit später eintreten soll (und/oder kann) und gegebenenfalls zu dessen Herbeiführung tatplanmäßig noch weitere Ausführungshandlungen erforderlich sind (Leukauf‑Steininger Komm3 § 146 RN 65).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 147 Abs 3 StGB zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Weiters wurde er gemäß § 369 Abs  1 StPO schuldig erkannt, an nachstehende Privatbeteiligte, nämlich an Anita H* 432.788,28 S, an Mag.Helmut W* 700.861,94 S, an Albert G* 530.000 S und an Margit G* 300.000 S zu bezahlen. Außerdem wurden Anita H* mit ihren weiteren Ansprüchen sowie die B* „bezüglich Visa“ und die *BA* mit ihren gesamten Ansprüchen gemäß § 366 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Bei der Strafbemessung wertete der Schöffensenat als erschwerend die Tatwiederholungen, das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, den hohen Schaden und den in der Mehrzahl der Fälle erfolgten besonderen Vertrauensbruch gegenüber dem Angeklagten nahestehenden Personen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, die in einem Fall der Veruntreuung (Faktum II/2) erfolgte geringe Schadensgutmachung und den Umstand, daß es in einem Fall des Betruges beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren teilbedingte Nachsicht an. In Ansehung des Adhäsionserkenntnisses begehrt er die Verweisung sämtlicher Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg.

Auch der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Die Strafzumessungsgründe wurden in erster Instanz ‑ wogegen auch die Berufung nichts einzuwenden vermag ‑ im wesentlichen richtig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt. Zieht man vor allem die Deliktskonkurrenz und den hohen (Gesamt‑)Schaden in Betracht, dann besteht auch unter gebührender Beachtung des Umstandes, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, für eine Herabsetzung der von den Tatrichtern mit dreieinhalb Jahren tatschuldadäquat angemessenen Freiheitsstrafe kein Anlaß. Damit erledigt sich auch das (weitere) Begehren auf Gewährung teilbedingter Strafnachsicht (§ 43 a Abs 4 StGB).

Schließlich kommt auch der Berufung des Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis keine Berechtigung zu.

Der Schöffensenat hat den für einen Zuspruch erforderlichen formellen Voraussetzungen Genüge getan (US 83 f) und im übrigen den Angaben der Privatbeteiligten in einem Akt freier richterlicher Beweiswürdigung bezüglich der Höhe des Schadens Glauben geschenkt. Diese Würdigung reicht aber wie jede andere im Beweisverfahren gewonnene Überzeugung des Gerichts für den angefochtenen Urteilsausspruch hin. Der Einwand der Berufung, der sich im (bloßen) Hinweis auf die „in den Details weitgehend ungeklärten Sachverhalte“ erschöpft, läßt zudem die erforderliche Substantiierung vermissen.

Es war demnach auch der Berufung insgesamt ein Erfolg zu versagen.

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