OGH 10ObS260/92

OGH10ObS260/9215.12.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Barbara Hopf (Arbeitgeber) und Anton Prager (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A***** M*****, vertreten durch Dr.Siegfried Dillesberger und Dr.Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Tiroler Gebieskrankenkasse, Klara-Pölt-Weg 2, 6020 Innsbruck, vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 604,80 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.Juli 1992, GZ 5 Rs 96/92-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 21.Mai 1992, GZ 47 Cgs 37/92-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Auf der Basis der Bestimmungen über das ärztliche Berufsrecht kann zunächst ein System der Zurechnung der Tätigkeiten von Ärzten und von Nichtärzten zur objektiven Dimension von ärztlicher Hilfe als krankenversicherungsrechtliche Leistung erstellt werden. Das innerste Feld bilden dabei jene Tätigkeiten, deren Verrichtung ausschließlich Ärzten vorbehalten ist. Es handelt sich dabei um jene diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten, die ein umfassendes, mit wissenschaftlichen Methoden erarbeitetes Wissen über den menschlichen Körper und über deren mögliche Veränderungen, sowie über die Möglichkeiten, dies zu erkennen und darauf Einfluß zu nehmen, voraussetzen. In diesem Bereich decken sich der sachliche und personelle Aspekt der ärztlichen Berufsausübung. In einem weiteren Kreis finden sich jene Tätigkeiten, die zwar in methodischer Hinsicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, die aber materiell nur einen Detailbereich jener für das medizinisch-wissenschaftliche Wissen maßgeblichen Gesamtschau betreffen. Diese Tätigkeiten sind, was ihre Verrichtung betrifft, nicht zwangsläufig mit der Person des Arztes verknüpft; sie sind jedoch Teil der ärztlichen Berufsausübung, wenn sie von einem Arzt verrichtet werden und können daher jedenfalls dann in die objektive Dimension der Krankenbehandlung einfließen, wenn ein Arzt einschreitet. Soweit diese Tätigkeiten auch Nichtärzten offenstehen, können sie der ärztlichen Berufsausübung - und damit der Dimension von ärztlicher Hilfe als Kassenleistung - nur zugerechnet werden, wenn der Nichtarzt zu einem Arzt in einer qualifizierten Verantwortungsbeziehung steht, die sicherstellt, daß die Nichtärzte unter Aufsicht und Anleitung durch den Arzt tätig werden. Tätigkeiten von Nichtärzten, die außerhalb dieser qualifizierten Verantwortungssphäre erbracht werden, können hingegen nicht der ärztlichen Berufsausübung zugerechnet werden. Eine Zuordnung von Nichtärzten zugänglichen "arztfernen" Tätigkeiten zu ärztlicher Hilfe erfolgt nur, wenn ein Arzt selbst einschreitet oder der einschreitende Nichtarzt zu einem Arzt in einer qualifizierten Verantwortungsbeziehung steht. In diesem Bereich substituiert die Verantwortungsbeziehung zu einem Arzt die persönliche Qualifikation als Arzt. Ärztliche Hilfe als Leistung der Krankenversicherung deckt sich nach diesem Verständnis mit der Ausübung des ärztlichen Berufes in sachlicher und personeller Hinsicht, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, deren Verrichtung Ärzten vorbehalten ist. Wie aber Tätigkeiten, die nicht den Ärzten vorbehalten sind, nicht der ärztlichen Berufsausübung zugerechnet werden können - obwohl sie sachlich innerhalb des ärztlichen Berufsbildes liegen -, wenn sie nicht von einem Arzt erbracht werden, können sie auch der ärztlichen Hilfe als Kassenleistung nicht zugeordnet werden, wenn sie nicht durch einen Arzt oder in dessen Verantwortung erbracht werden (Mazal, Krankheitsbegriff und Risikobegrenzung 261 f mwH). Diese Ausführung haben wohl - es wird nur auf die Erbringung von Behandlungsleistungen durch einen Arzt abgestellt - die Leistung ärztlicher Hilfe im Sinne des § 135 Abs. 1 ASVG im Auge, doch haben diese Grundsätze in gleicher Weise für die Erbringung der Leistung der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes nach § 153 ASVG Gültigkeit. Zahnbehandlung und Zahnersatz werden gemäß § 153 Abs. 3 ASVG als Sachleistungen durch Vertragsärzte, Wahlärzte (§ 131 Abs. 1), nach den Bestimmungen des Dentistengesetzes auch durch Vertragsdentisten, Wahldentisten (§ 131 Abs. 1), in eigens hiefür ausgestatteten Einrichtungen (Ambulatorien) der Versicherungsträger (des Hauptverbandes) oder in Vertragseinrichtungen gewährt. Nimmt der Anspruchsberechtigte nicht die Vertragspartner (§ 338 ASVG) oder die eigenen Einrichtungen (Vertragseinrichtungen) des Versicherungsträgers zur Erbringung der Sachleistungen der Krankenbehandlung in Anspruch, so gebührt ihm gemäß § 131 Abs. 1 ASVG der Ersatz der Kosten einer anderweitigen Krankenbehandlung in der Höhe des Betrages, der bei Inanspruchnahme des entsprechenden Vertragspartners des Versicherungsträgers von diesem aufzuwenden gewesen wäre. Voraussetzung für den Kostenersatzanspruch nach dieser Norm ist daher, daß die Leistung von jemandem erbracht wurde, der einem Vertragspartner des Versicherungsträgers entspricht.

Nach § 153 Abs. 3 ASVG wird die Leistung der Zahnbehandlung und des Zahnersatzes nur von Ärzten und Dentisten sowie in Ambulatorien (sohin Krankenanstalten im Sinne des KAG) und Vertragseinrichtungen erbracht, wobei als solche nur Einrichtungen in Frage kommen, die Ambulatorien entsprechen. Allen diesen Fällen ist gemeinsam, daß die Leistung durch einen verantwortlichen Arzt oder Dentisten erbracht wird, wobei die zahntechnische Leistung in der ärztlichen Leistung aufgeht. Selbständig von einem Zahntechniker erbrachte Leistungen können im Sinne der obigen Ausführungen der Erbringung der Leistung des Zahnersatzes als Kassenleistung nicht zugeordnet werden, weil sie nicht durch einen Arzt (Dentisten) oder in dessen Verantwortung erbracht werden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich dabei um eine Leistung handelt, zu deren unmittelbarer Erbringung der Zahntechniker gewerberechtlich berechtigt ist, weil für die hier wesentliche Frage nur darauf abzustellen ist ob es sich um eine Leistung handelt, die als Kassenleistung zuzuordnen ist und daher gemäß § 131 Abs. 1 ASVG ein Anspruch auf Ersatz der Kosten besteht. Zahntechniker wie auch zahntechnische Einrichtungen entsprechen nicht den Vertragspartnern, die nach dem Gesetz zur Erbringung der in Frage stehenden Leistung berufen sind. Daß aber das Gesetz den Kostenersatzanspruch daran bindet, daß die Leistung unter der leitenden Verantwortung einer zur Durchführung der Zahnbehandlung befugten Person oder Einrichtung erbracht wird, ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen würden, wurden weder geltend gemacht noch ergeben sich Hinweise auf solche Gründe aus dem Akt.

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