European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E31477
Rechtsgebiet: Strafrecht
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Karl G* des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 3. Oktober 1991 in S* eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Silberring im Wert von 1.100 S dem Anton K* mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er Ulrike J* einen Schlag gegen die Hand versetzte, Gewalt gegen eine Person angewendet hat, um sich die weggenommene Sache zu erhalten.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Beschwerdeführer lediglich in Ansehung des Qualifikationsausspruchs nach § 131 StGB mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Nach seiner Auffassung reiche die Urteilsfeststellung, er habe Ulrike J* einen Schlag gegen die Hand versetzt, nicht zur Beurteilung als Gewaltanwendung aus. Ein bloßer "Tapper", der nicht anders als erschreckend wirke wie ein unartikulierter Schrei, stelle noch keine Gewalt dar. Mangels des Einsatzes physischer Kraft und der Überwindung eines tatsächlichen Widerstandes sei die Qualifikation nach § 131 StGB nicht verwirklicht.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Rechtliche Beurteilung
Unter den Begriff der Gewalt im Sinne des § 131 StGB fällt jeder Einsatz einer physischen Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder vermeintlichen Widerstandes, wobei eine besondere körperliche Kraftanstrengung nicht erforderlich ist; genug daran, daß es gerade der tätergewollte Krafteinsatz ist, der das Opfer dazu veranlaßt, von seinem Bestreben, die weggenommene Sache wieder zu erlangen, Abstand zu nehmen und der solcherart dazu führt, daß der Dieb den Gewahrsam an der Diebsbeute aufrecht erhalten kann. Daß die Intensität der aufgewendeten physischen Kraft eine zur Willensbrechung beim Opfer geeignete Schwere erreicht hat, ist nicht erforderlich (Leukauf‑Steininger Komm3 § 131 RN 8).
Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die rechte Hand der Verkäuferin, mit der sie über die Vitrine nach dem von ihr in der Börse des Angeklagten wahrgenommenen Ring griff, gewaltsam weggeschlagen, weshalb sie den Ring loslassen mußte (US 5). Die Verantwortung des Angeklagten, die Verkäuferin habe seine Hand und die Geldbörse gehalten, er ihr aber diese aus der Hand gerissen, wurde vom Erstgericht als unglaubwürdige Schutzbehauptung abgelehnt (US 7). Der Schlag wurde als Einsatz nicht unerheblicher physischer Kraft beurteilt, der mit Sicherheit die Erheblichkeitsschwelle des Gewaltbegriffes des § 131 StGB überschritten hat (US 8).
Demnach kann von einer Undeutlichkeit der Urteilsfeststellungen im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO oder einem Mangel der zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen im Sinne der Z 10 dieser Gesetzesstelle nicht die Rede sein. Die Urteilsfeststellungen lassen für die Annahme eines bloßen "Tappers", der ein Zurückzucken der Hand der Verkäuferin bewirken sollte, keinen Raum. Nach den Urteilsannahmen hat der mit nicht unerheblicher Kraft ausgeführte Schlag die Verkäuferin genötigt, die schon ergriffene Geldbörse mit dem gestohlenen Ring wieder loszulassen. Damit ist die Qualifikation des räuberischen Diebstahls, für die ein besonders "kraftvoller" Schlag nicht erforderlich ist, hergestellt.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht zwei einschlägige Vorstrafen und den raschen Rückfall als erschwerend; als mildernd hingegen "allenfalls" die sodann erfolgte Sicherstellung der Diebsbeute. Es verhängte über den Angeklagten (ersichtlich) nach dem ersten Strafsatz des § 131 StGB ein Jahr Freiheitsstrafe, die es für eine Probezeit von drei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachsah.
Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Antrag, das Ausmaß der Freiheitsstrafe herabzusetzen.
Auch die Berufung ist unbegründet.
Weder der mindere Intensitätsgrad der angewendeten Gewalt noch der geringe Wert der Diebsbeute, aber auch nicht die durch chronischen Alkoholismus hervorgerufene Haltschwäche des Angeklagten stellen besondere Milderungsgründe im Sinne des § 34 StGB dar. Diese Umstände sind vielmehr, ebenso wie die sich in der Tat manifestierende Grundhaltung des Täters gegenüber den rechtlich geschützten Werten im Rahmen der Beurteilung der Strafzumessungsschuld nach den in § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätzen zu berücksichtigen. Angesichts der ‑ bei einem gesetzlichen Strafsatz von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ‑ ohnedies nahe der Untergrenze verhängten Freiheitsstrafe sind die vom Berufungswerber ins Treffen geführten schuld‑ und unrechtsmindernden Faktoren vom Erstgericht im Ergebnis ohnedies berücksichtigt worden. Da im übrigen die vom Schöffengericht aufgezählten, in der Berufung auch in keiner Richtung bemängelten besonderen Strafbemessungsgründe durchaus zutreffen, zumal der polizeilichen Sicherstellung der Beute (nach Verfolgung und Anhaltung des Angeklagten) in der Tat nur untergeordnete Bedeutung zukommt, ist die ausgesprochene Strafe keineswegs überhöht.
Es war daher auch der Berufung ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch der bedingten Strafnachsicht wurde von der Staatsanwaltschaft nicht angefochten, obwohl die Annahme des Erstgerichtes, der Angeklagte würde sich in Zukunft wohlverhalten, bei seinem Vorleben und dem raschen Rückfall unverständlich ist.
Die Kostenersatzpflicht des Verurteilten ist in der bezogenen Gesetzesstelle begründet.
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