OGH 1Ob645/92

OGH1Ob645/9226.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Angst und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud S*****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Istmalek Rafat K*****, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 28. Juli 1992, GZ 48 R 460/92-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 27. Februar 1992, GZ 43 C 359/91y-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.787,84 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 664,64 Umsatzsteuer und S 1,800,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin gab dem Beklagten die Wohnung Nr. 1 im Haus *****, in Bestand. Das Gespräch anläßlich der Vermietung fand zwischen ihrem Sohn Johann S*****, der von der Klägerin zur Vermietung bevollmächtigt war, und dem Beklagten statt. Dem Beklagten wurde der schriftliche Mietvertrag vorgelegt, in dem eine Befristung des Mietverhältnisses vom 1. Juni 1990 bis 31. Mai 1991 aufscheint. Der Beklagte wollte die Wohnung aber länger mieten als nur für ein Jahr. Dem Beklagten wurde von Johann S***** gesagt, daß der Mietvertrag nach diesem einen Jahr automatisch verlängert wird. Der Beklagte fragte darauf, wieso dann der Mietvertrag nicht gleich anders abgeschlossen werde, er erhielt die Antwort, es sei so wegen der Gebühren und Steuern besser.

Mit der am 12.6.1991 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin wegen Ablaufes der vereinbarten Bestandzeit mit 31.5.1991 die Räumung der Wohnung.

Der Beklagte wendete ein, ihm sei eine Verlängerung des Mietverhältnisses zugesagt worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Parteien hätten bei Abschluß des Mietvertrages vereinbart, daß das Mietverhältnis nach Ablauf eines Jahres automatisch verlängert werde. Da jede befristete Verlängerung der Schriftlichkeit bedurft hätte und eine schriftliche Verlängerung nicht erfolgt sei, sei das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit verlängert worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und gab dem Räumungsbegehren statt. Die ordentliche Revision erklärte es nicht für zulässig. Die Zusage zu verlängern, sei zu unbestimmt, um daraus eine Willenseinigung über eine bestimmte andere Vertragsdauer zu schließen. Eine andere Auslegung sei bloß vom Wunsch des Beklagten getragen, beruhte aber nicht auf einer konkreten Zusage der Klägerin. Es sei also davon auszugehen, daß bei Vertragsabschluß erkennbar auch für den Beklagten eine Befristung mit einem Jahr vereinbart worden sei. Die Äußerung des Sohnes, der Vertrag werde sich automatisch verlängern, stelle sich als bloße Verwendungszusage gegenüber dem Beklagten dar, die aber für die Klägerin keine Rechtswirkungen nach sich gezogen habe. Daß der Beklagte dies bei Vertragsabschluß auch so verstanden habe, zeige seine Skepsis, da er fragte, warum man dann den Vertrag nicht gleich anders abschließe. Mangels Willensübereinstimmung bei Vertragsabschluß über eine andere als die schriftlich festgehaltene Vertragsdauer und mangels Zusage einer konkreten Verlängerungsdauer nach Ablauf dieses Vertrages sei daher davon auszugehen, daß das Bestandverhältnis mit 31.5.1991 geendet habe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß der Sohn der Klägerin Abschlußvollmacht hatte. Nach der mündlichen Einigung der Parteien sollte sich der Mietvertrag ungeachtet der anderslautenden schriftlichen Fixierung nach einem Jahr „automatisch verlängern“. Die schriftliche Vereinbarung des Zeitablaufes erfolgte „wegen der Gebühren und Steuern“. Sollte aber die schriftliche Vereinbarung des Zeitablaufes in Wahrheit zwischen den Parteien keine als gewollt erscheinende Rechtsfolge auslösen, liegt ein Scheingeschäft vor. Das offen geschlossene Geschäft sollte nicht so gelten wie die schriftliche Erklärung lautete. Die Parteien riefen einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäftes mit bestimmtem Inhalt hervor, die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen sollten aber nicht so wie vertraglich niedergelegt eintreten. Der Zweck eines solchen Scheingeschäftes wird oft in der Täuschung eines Dritten oder einer Behörde gelegen sein. Das bloß zum Schein geschlossene Geschäft wirkt zwischen den Parteien nicht, weil es nicht gewollt ist. Steht im Hintergrund ein verdecktes (dissimuliertes) Geschäft, ist dieses nach seiner wahren Beschaffenheit zu beurteilen (RZ 1991/7 mwN). Die Vereinbarung der Vertrag werde nach einem Jahr „automatisch verlängert“, kann nach dem objektiven Erklärungswert nur bedeuten, daß der Wille der vertragschließenden Parteien darauf gerichtet war, das Bestandverhältnis sollte länger als ein Jahr dauern. Selbst wenn die vereinbarte Zeit danach unbestimmt war, lag jedenfalls nicht mehr nach § 29 Abs 1 Z 3 lit c MRG ein Bestandvertrag vor, der wirksam durch Zeitablauf aufgelöst werden konnte. Nach den Feststellungen war die im Vertrag angegebene Vertragsdauer auch gerade deshalb angegeben worden, um sich Steuern und Gebühren zu ersparen (vgl. §§ 17 Abs 1, 33 TP 5 Abs 1 GBG), sollte also der Täuschung der Behörde dienen.

Lag aber zwischen den Parteien nicht ein Bestandvertrag vor, der nach einem Jahr enden sollte, erweist sich das Räumungsbegehren der Klägerin als nicht berechtigt.

Der Revision ist Folge zu geben, das Urteil des Erstgerichtes ist wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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