OGH 15Os126/92

OGH15Os126/9226.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch, Dr. Hager und Mag. Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther Alfred S* wegen des Verbrechens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 9. Juli 1992, GZ 27 Vr 1307/92‑14, sowie über dessen Beschwerde gegen den damit verbundenen Beschluß gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Kressbach, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:E33286

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch, der Angeklagte habe den versuchten Diebstahl durch Nachsperre mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, sohin durch Einbruch begangen, in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der Tat nach § 129 Z 1 StGB und somit als Verbrechen sowie im Strafausspruch und ferner der (mit dem Strafausspruch untrennbar verbundene) gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO ergangene Widerrufsbeschluß aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

 

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther Alfred S* des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 17. Juni 1992 in Linz gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Zvezdan D* fremde bewegliche Sachen unbekannten Wertes dem Karl G* durch Nachsperre mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel, sohin durch Einbruch, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei es infolge Betretung auf frischer Tat beim Versuch geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

In den Rechtsrügen wendet er sich primär gegen die Einbruchsqualifikation der Versuchstat und strebt sekundär die rechtliche Beurteilung des ihm angelasteten Tatverhaltens als versuchte Entwendung nach §§ 15, 141 Abs 1 StGB an, die zufolge fehlender Ermächtigung des Verletzten nicht verfolgbar sei.

Die Rechtsrügen sind unbegründet.

Den Urteilsfeststellungen des Erstgerichtes zufolge hatte der Mittäter D* den zum Eindringen in das Gasthaus des Karl G* verwendeten Schlüssel eine Woche vor der Tat (ohne diesbezügliche Befugnis) von der Eingangstür abgezogen und mitgenommen. Somit war der Schlüssel widerrechtlich erlangt. Sein Gebrauch zum Eintritt in das Gasthaus entsprach demnach in objektiver Hinsicht dem in § 129 Z 1 StGB umschriebenen Qualifikationsmerkmal des Eindringens in ein Gebäude mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel. Dabei handelt es sich um eine Deliktsqualifikation, für die jeder Beteiligte (§ 12 StGB) haftet, dessen Vorsatz sich auf die qualifizierenden Merkmale erstreckt (siehe dazu Leukauf‑Steininger Komm3 § 7 RN 6 und 29). Im Gegensatz zu der von der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Annahme der in Rede stehenden Qualifikation im Fall der Mittäterschaft nicht auf jenen Mittäter beschränkt, der den Schlüssel widerrechtlich an sich gebracht hat. Schon deswegen ist die Argumentation des Angeklagten, nicht er, sondern Zvezdan D* habe den verwendeten Schlüssel widerrechtlich erlangt, sodaß er nicht für die genannte Qualifikation einzustehen habe (Z 10) und daher die Tat in bezug auf seine Person einer Subsumtion als versuchte Entwendung zugänglich sei (Z 9 lit b), nicht zielführend. Zudem käme – unbeschadet der Frage der Einbruchsqualifikation – dem Beschwerdestandpunkt zuwider eine Subsumtion des festgestellten Sachverhalts als Vergehen der versuchten Entwendung nach §§ 15141 Abs 1 StGB keinesfalls in Betracht. Der Angeklagte verkennt nämlich bei seinen diesbezüglichen Rechtsausführungen zum Tatmotiv der Not, daß insoweit nur ein Streben nach unbedingt lebensnotwendigen Bedarfsgegenständen (Leukauf‑Steininger Komm3 § 141 RN 11) privilegiert wird. Davon kann aber vorliegend keine Rede sein, weil es den Tätern um die Erlangung von Grillutensilien zwecks Teilnahme an einer Party und nicht um die Deckung eines Elementarbedürfnisses ging.

Insoweit war die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde demnach zu verwerfen.

Hingegen kommt der Mängelrüge (Z 5) gegen den Ausspruch über die innere Tatseite in bezug auf die Verwendung des widerrechtlich erlangten Schlüssels Berechtigung zu:

Da – wie bereits im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge dargestellt – für die Annahme der Qualifikation nach § 129 Z 1 StGB die bezüglichen gesetzlich umschriebenen Voraussetzungen vom Tätervorsatz umfaßt sein müssen, stellt der dementsprechende Bewußtseinsinhalt des Angeklagten anläßlich der Tat eine entscheidungswesentliche Tatsache dar. Diesbezüglich traf das Erstgericht die sinngemäße Feststellung, der Angeklagte habe den Willen gehabt, mit Hilfe des entwendeten Schlüssels in das Gasthaus einzudringen und dort Gegenstände zu stehlen. Sachlich zutreffend wendet der Beschwerdeführer – der nach seiner Einlassung bei einer polizeilichen Befragung behauptete, sein Mittäter habe ihm gesagt, er habe den Schlüssel von einem Mädchen erhalten (Seite 73, 75) – gegen die Urteilsannahme über seinen den verwendeten Schlüssel betreffenden Bewußtseinsinhalt ein, daß sie weder durch den Hinweis auf die als Feststellungsgrundlage bezeichneten Verfahrensergebnisse, noch durch die auf den Nachweis des festgestellten Diebstahlswillens abzielenden Beweiswürdigungserwägungen des Erstgerichtes zulänglich begründet wurde. Gleiches gilt im übrigen für die weitere Urteilsfeststellung, wonach der Mittäter D* gegenüber dem Angeklagten von einem "Nachschlüssel" gesprochen habe.

Der Ausspruch über einen entscheidungswesentlichen Umstand ist demnach offenbar unzureichend begründet in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO, weshalb das Ersturteil im davon betroffenen Umfang (nämlich in Ansehung der Qualifikation nach § 129 Z 1 StGB) aufzuheben und insoweit die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen war.

Da die Nichtigkeitsbeschwerde nur teilweise berechtigt, im übrigen aber zu verwerfen ist, ist dem Angeklagten gemäß § 390a StPO auch der Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.

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