OGH 9ObA240/92

OGH9ObA240/9225.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Theodor Kubak und Franz Murmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei *****, Pensionist, *****, vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei Marktgemeinde *****, vertreten durch den Bürgermeister *****, Marktgemeindeamt, *****, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 89.087,83 S brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.Mai 1992, GZ 5 Ra 36/92-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.September 1991, GZ 34 Cga 106/91-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 388,-

S (Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 11.094,- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 6.000,- S Barauslagen und 849,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Wirkung ab 1.Oktober 1972 wurde der Kläger als Angestellter der Marktgemeinde ***** auf einem Dienstposten des technischen Fachdienstes auf unbestimmte Zeit beschäftigt. Zuvor arbeitete der Kläger bei der V***** Siedlungsgenossenschaft. Auf seine Mitteilung,

daß er - wegen Problemen mit seinem Vorgesetzten - ausscheiden wolle, hatte dieser Arbeitgeber 5 Monate vor dem Eintritt des Klägers bei der beklagten Partei mit der Kündigung des Klägers reagiert. Der Kläger, der im Rahmen seiner Tätigkeit bei der V*****Siedlungsgenossenschaft Kontakt mit der beklagten Partei hatte,

wurde vom Gemeindesekretär auf die Möglichkeit einer Beschäftigung bei der beklagten Partei hingewiesen, da der Bautechniker ***** sein Arbeitsverhältnis zur beklagten Partei aufgekündigt hatte. Der Posten wurde ausgeschrieben; der Kläger war der einzige Bewerber. Er verlangte in Anlehnung an seinen bisherigen Bezug bei der V***** Siedlungsgenossenschaft einen monatlichen Bruttobezug von 12.000,- S einschließlich Familienzulage und Familienbeihilfe. Da die Einstufung in Verwendungsgruppe C, Dienstpostengruppe 1, Gehaltsstufe 11, diesen Vorstellungen nicht gerecht geworden wäre, wurden über Vorschlag des damaligen Bürgermeisters dem Kläger Beträge von 1.000,- S und 800,- S als Überstundenpauschale und Aufwandsentschädigung gewährt. Diese Zulagen betrugen ab 1.Jänner 1988 3.469,- S bzw. 2.774,- S, ab 1. Jänner 1989 3.611,- S bzw. 2.888,- S ab 1.August 1989 3.719,- S bzw. 2.975,- S, ab 1.Jänner 1990 3.823,- S bzw. 3.058,- S, ab 1.April 1990 3.884,- S bzw. 3.107,- S und ab 1.Jänner 1991 4.078,- S bzw. 3.262,- S.

Der Kläger leistete nur selten Überstunden. Diese wurden durch Zeitausgleich abgegolten. Ein besonderer Aufwand war mit der Tätigkeit des Klägers nicht verbunden. Überstundenpauschale und Aufwandsentschädigung wurden auch während des Urlaubes und des Krankenstandes gezahlt. Hingegen wurde die Zahlung des dem Kläger für den Einsatz des eigenen PKW bei Dienstfahrten gewährten Kraftfahrzeugpauschales nach 3 Tagen Krankenstand eingestellt.

Nicht festgestellt werden konnte, daß bei der Einstellung des

Klägers über das Überstundenpauschale und die Aufwandsentschädigung

oder darüber gesprochen wurde, daß diese Bezugsteile nur 12-mal

jährlich ausgezahlt würden. Aus den Gehaltsdurchrechnungsblättern,

die der Kläger erhielt, ist nicht ersichtlich, daß diese Zulagen

nur 12-mal jährlich ausgezahlt wurden. Infolge Pensionierung des

Klägers wurde das Arbeitsverhältnis mit Wirkung vom 31.Jänner 1991

einvernehmlich aufgelöst. Der gesamte Bruttobezug des Klägers ab

1. Jänner 1991 betrug 32.791,- S.

Der Kläger begehrte, die beklagte Partei zur Zahlung eines Betrages von 89.087,83 S sA zu verpflichten. Überstundenpauschale und Aufwandsentschädigung seien in Wahrheit Gehaltsteile gewesen, die dem Kläger als einzigen Bewerber für den vakanten Dienstposten gewährt worden seien, um seinem Gehaltswunsch zu entsprechen. Trotzdem seien sie nur 12-mal im Jahr ausgezahlt und bei Bemessung der Abfertigung nicht berücksichtigt worden. Durch die Einbeziehung dieser Gehaltsteile hätte sich die Abfertigung des Klägers um 51.380,- S erhöht; weitere 37.707,83 S stünden dem Kläger als noch nicht verjährte Differenz an Sonderzahlungen zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es habe Einigkeit darüber bestanden, daß Überstundenpauschale und Aufwandsentschädigung nur 12-mal jährlich auszuzahlen seien. Kurz nach Diensteintritt sei dem Kläger ein Gehaltsdurchrechnungsblatt zur Verfügung gestellt worden, aus dem die Zusammensetzung des Gehalts ersichtlich gewesen sei. Solche Durchrechnungsblätter seien dem Kläger auch zu Beginn eines jeden neuen Kalenderjahres übergeben worden. Er habe sie 18 Jahre unbeanstandet entgegengenommen und damit als richtig anerkannt. Die Überstundenvergütung und die Aufwandsentschädigung seien Nebenbezüge im Sinne des § 72 des Vorarlberger Gemeindebedienstetengesetzes LGBl 49/1988 (im folgenden GBedG); sie seien daher für die Bemessung der Abfertigung und der Sonderzahlungen nicht heranzuziehen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach § 58 Abs 1 GBedG bestünden die Monatsbezüge aus dem Gehalt und allfälligen Zulagen (Haushaltszulage, Kinderzulagen, Wachdienstzulage, Teuerungszulagen, besondere Zulagen nach Absatz 4, Dienstzulage, Ergänzungszulage). Neben den Monatsbezügen gebührten den Gemeindeangestellten gemäß § 58 Abs 2 iVm § 123 GBedG Sonderzahlungen und allfällige Nebenbezüge. Bei den dem Kläger gewährten Gehaltsteilen "Überstundenpauschale" und "Aufwandsentschädigung" habe es sich entgegen der Ansicht der beklagten Partei nicht um Nebenbezüge im Sinne des § 72 GBedG gehandelt, weil die vom Kläger tatsächlich geleisteten Überstunden im Wege des Zeitausgleiches abgegolten worden seien und dem Kläger ein Mehraufwand im Dienst nicht erwachsen sei. Die dem Kläger unter dem Titel "Überstundenpauschale" und "Aufwandsentschädigung" gewährten Bezüge seien daher tatsächlich Gehaltsbestandteile gewesen.

Ein Verzicht des Kägers auf die Einbeziehung dieser Gehaltsteile in die Sonderzahlungen sei nicht anzunehmen. Dem Kläger stünden daher die geltend gemachten Beträge an Sonderzahlungen und Abfertigung zu.

Über Berufung der beklagten Partei änderte das Berufungsgericht das

Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es

übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und vertrat die

Rechtsauffassung, daß aus dem Anstellungsschreiben vom 9.Oktober

1972, Beilage A, klar hervorgehe, wie der Kläger eingeordnet worden

sei und wie sich seine Dienstbezüge zusammensetzten, wobei ihm auch

die gesetzlichen Bestimmungen mitgeteilt worden seien. Entgegen der

Ansicht des Erstgerichtes handle es sich im vorliegenden Fall nicht

um ein Problem des Verzichts, sondern um eines der Gewährung. Der

Kläger könne eine ausdrückliche Vereinbarung, wonach auch das

Überstundenpauschale und die Aufwandsentschädigung in die

Sonderzahlungen einzubeziehen seien, nicht unter Beweis stellen. Da

dem Kläger die Zusammensetzung der Bezüge bei Anstellung offengelegt

worden sei, könne er nicht ins Treffen führen, ihm sei etwa eine

Entlohnung wie bei seinem früheren Arbeitgeber in Aussicht gestellt

worden. Nach Widmung und Definition sei im Zusammenhang mit der

gesetzlichen Regelung klar gewesen, daß es sich bei den

Zusatzleistungen, Überstundenpauschale und Aufwandentschädigung nicht

um Bestandteile des Monatsbezuges handeln sollte, sodaß sie auch

nicht in die Sonderzahlungen einzurechnen gewesen seien. Da es sich

um eine Zusatzleistung handle, müsse der beklagten Partei

zugestanden werden, diese Widmung zu treffen. Aus dem Gesetz könne

eine weiterreichende Verpflichtung, als sie die beklagte Partei

durch die Vereinbarung eingehen wollte, nicht abgeleitet werden.

Gehe man von dieser Widmung aus, dann seien die strittigen Gehaltssbestandteile als Nebenbezüge nicht vom Begriff des "Monatsbezuges" umfaßt und daher gemäß § 134 GBedG auch nicht in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da bei Beurteilung der Entlohnung des Vertragsbediensteten ungeachtet der Bezeichnung auf die tatsächlich geleisteten Dienste abzustellen ist (vergleiche Arb. 10.313 ua), sind die unter dem Titel "Überstundenpauschale" und "Aufwandsentschädigung" gewährten Bezuge, mit denen tatsächlich weder die Leistung von Überstunden noch ein besonderer Aufwand abgegolten wurde, nicht als Nebengebühren, sondern als Teil des Monatsbezuges zu beurteilen.

Im Zeitpunkt der Begründung des gegenständlichen Dienstverhältnisses konnten - sofern besondere Dienstleistungen dies rechtfertigten oder der Personalmangel es erforderte - gemäß § 115 Abs 10 des GBedG LGBl.17/1972 höhere als die gesetzlichen Monatsbezüge nur im Wege einer Zulage gewährt werden, die bei Erhöhung der Bezüge durch Vorrückung in höhere Gehaltsstufen oder Beförderungen mit 50 % des Erhöhungsbetrages einzuziehen war. Erstmals mit Artikel I § 115 b der am 1.Oktober 1979 in Kraft getretenen GBedG-Novelle LGBl.33/1979 wurde neben der in § 115 Abs 10 (nunmehr § 124 Abs 10) GBedG vorgesehenen Zulage die Möglichkeit geschaffen, Gemeindeangestellten in verantwortungsvoller Verwendung durch Sonderregelung höhere Dienstbezüge zuzuerkennen, soweit dies zur Gewinnung oder Erhaltung von entsprechend qualifiziertem Personal erforderlich ist; diese Regelung findet sich nunmehr in § 128 GBedG.

Die dem Kläger als einzigem Bewerber für den ausgeschriebenen Posten vereinbarungsgemäß - wenn auch unter unrichtiger Bezeichnung -

gewährten, nicht einer Verminderung bei vorrückungsbedingten Gehaltserhöhungen unterliegenden Zusatzbezüge waren daher zumindest ab 1.Oktober 1979 als durch Sonderregelung im Sinne des (nunmehrigen)

§ 128 GBedG gewährte höhere Dienstbezüge zu qualifizieren, die gemäß § 71 iVm § 123 GBedG in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlung und gemäß § 136 Abs 2 GBedG in die für die Abfertigung einzubeziehen sind.

Wie der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen ZAS 1978, 18 (zustimmend Stifter) = SZ 50/95 = Arb 9538 und Arb 10942 ausgesprochen hat, ist damit, daß im Einzelfall besondere Umstände eine vom Gesetz abweichende Sonderregelung erfordern, nicht ein Abgehen vom Gesetz auch in anderen Punkten, auf die sich diese besonderen Gründe nicht beziehen, zu rechtfertigen. Da die Regelungen des GBedG über Sonderzahlungen und Abfertigung zwingendes Recht sind, das grundsätzlich zum Nachteil des Vertragsbediensteten nicht abbedungen werden kann, ist es unerheblich, daß es der Kläger jahrelang hingenommen hat, daß die ihm zusätzlich gewährten Bezüge nicht in die Bemessungsgrundlage für die Sonderzahlungen einbezogen wurden.

Der Revision war daher Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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