Spruch:
1.) Der außerordentliche Rekurs der betreibenden Partei wird gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
2.) Die im Rekurs enthaltene Strafanzeige wird in sinngemäßer Anwendung des § 86 Abs 1 StPO der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.
Text
Begründung zu 1.:
Rechtliche Beurteilung
Die Ansicht des Rekursgerichtes, daß nur einem Rechtsanwalt Prozeßvollmacht erteilt werden könne, ist zwar unrichtig (§ 33 Abs 1 ZPO; Fasching, ZPR2 Rz 428 aE). Sie war aber für die Entscheidung nicht allein tragend. Das Rekursgericht hat nämlich außerdem noch darauf hingewiesen, daß aus der dem Dr.Ernst S***** erteilten Ermächtigung, für die verpflichteten Parteien Rechtsanwälte zu bevollmächtigen, nicht die Erteilung einer Prozeßvollmacht abgeleitet werden könne. Diese Auffassung trifft zu, zumal es sich nicht um die Weitergabe einer Vollmacht, sondern um den Abschluß eines Bevollmächtigungsvertrages handelt (vgl Stanzl in Klang2 IV/1, 826 zur "selbständigen Untervertretung"; Strasser in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 1010). Der Umstand, daß jemand berechtigt ist, im Namen seines Machtgebers einem Dritten bestimmte Vertretungsrechte einzuräumen, bedeutet nicht zwingend, daß ihm selbst dieselben Vertretungsrechte zustehen (vgl EvBl 1973/25). Das Recht, einen Bevollmächtigungsvertrag abzuschließen, kann nicht mit den aus diesem Vertrag abzuleitenden Rechten gleichgesetzt werden.
Bei den übrigen Rekursausführungen geht die betreibende Partei nicht von den Feststellungen des Rekursgerichtes aus, wonach nicht festgestellt werden kann, daß in anderen Verfahren zu eigenen Handen zuzustellende Sendungen an Waltraud Sch***** oder Dr.Ernst S***** zugestellt wurden und daß die einstweilige Verfügung einem der Geschäftsführer der verpflichteten Parteien vor dem 8.10.1991 zugekommen sei. Die aus einem solchen Sachverhalt gezogenen Schlußfolgerungen sind daher nicht zielführend. Der Lösung der Frage, ob weitere Beweise aufgenommen werden hätten müssen, kommt keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO zu. Die Ansicht, die Geschäftsführer hätten auf die Ausfolgung einer Ausfertigung der einstweiligen Verfügung verzichtet, weil sie das Vorgehen von Dr.Ernst S***** billigten, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Da diese Billigung nicht dem Gericht gegenüber erklärt wurde, kann daraus ein dem Gericht gegenüber abgegebener Verzicht nicht entnommen werden; nur ein solcher Verzicht würde eine den Gesetz entsprechende Zustellung überflüssig machen. Der Hinweis auf die dem Privatrecht zuzuordnenden Regeln über die Vereitelung einer Bedingung geht schließlich schon deshalb fehl, weil die Frage der Gesetzmäßigkeit einer Zustellung und der Heilung von Zustellungsmängeln nur auf Grund der dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Zustellvorschriften beantwortet werden kann. Daraus läßt sich aber für die Auffassung der betreibenden Partei nichts gewinnen, zumal die Vereitelung der Zustellung im § 20 ZustellG eine eigene, hier aber nicht zum Tragen kommende Regelung gefunden hat. Hier ist überdies eine Vereitelungsabsicht weder bei den Geschäftsführern noch bei Dr.Ernst S***** erwiesen.
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