OGH 14Os139/92

OGH14Os139/9224.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.November 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner, Hon.Prof.Dr.Brustbauer, Dr.Massauer und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Fuchs als Schriftführer in der Strafsache gegen Johann F***** wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.Juli 1992, GZ 26 Vr 1411/92-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr.Fabrizy, und des Angeklagten Johann F***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.Juli 1992, GZ 26 Vr 1411/92-8, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 223 Abs. 2 StGB.

Das Urteil wird aufgehoben und es wird die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Hopfgarten verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem im Spruch bezeichneten Urteil wurde der am 15.Februar 1931 geborene Landwirt Johann F***** des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er eine falsche Urkunde zum Beweis einer Tatsache im Rechtsverkehr gebraucht, indem er am 21.Februar 1992 am Gemeindeamt I***** einen Wahlvorschlag gemäß § 40 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 vorlegte, auf dem er einerseits die Unterschriften des Josef R*****, des Rupert H***** und des Josef G***** nachgemacht und andererseits mit der Schreibmaschine den Namen "Jakob S*****, 1935" neben einen nicht von dieser Person stammenden Namenszug gesetzt hat.

Inhaltlich des Urteils war Johann F***** Kandidat der "Parteifreien I***** Gemeinschaftsliste" für das Amt des Bürgermeisters dieser Gemeinde. Josef R*****, Rupert H*****, Josef G***** und Jakob S***** sen. waren Kandidaten der erwähnten Wählergruppe für den Gemeinderat, wobei von ihnen zum Zeitpunkt der Einbringung des Wahlvorschlages für den Gemeinderat - der gemeinsam mit dem Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters abgegeben wurde - ersichtlich Zustimmungserklärungen nach § 35 Abs. 5 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 vorlagen. Josef F***** hatte auch die Unterstützungszusage der Genannten für seine Kandidatur zum Bürgermeister und konnte mit ihrer Unterfertigung des Wahlvorschlages gemäß § 40 der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 rechnen. Ihre eigenhändigen Unterschriften für den Vorschlag des Bürgermeisters konnte er jedoch nicht zeitgerecht erlangen, weshalb er sich zu seinem eingangs beschriebenen Handeln entschloß.

Rechtliche Beurteilung

Die Generalprokuratur wendet sich gegen den Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 33 StPO. Sie verweist darauf, daß den Urteilsfeststellungen unmißverständlich zu entnehmen ist, daß sich der Angeklagte zur Vertretung von Josef R*****, Rupert H*****, Josef G***** und Jakob S***** für ermächtigt hielt und damit rechnete, daß sie seiner Fertigung des Wahlvorschlages für das Bürgermeisteramt mit ihrem Namenszug zustimmen. Damit hat ihm aber der Vorsatz gefehlt, die Gemeindewahlbehörde von I***** über die geistige Urheberschaft der Unterstützungserklärungen am Wahlvorschlag zu täuschen. Es haben die vier Genannten später auch tatsächlich einen gleichlautenden Wahlvorschlag eigenhändig unterschrieben.

Die Generalprokuratur ist insoweit im Recht:

Für den materiellrechtlichen Urkundenbegriff ist nämlich neben dem Vorliegen einer rechtserheblichen Gedankenerklärung, ihrer schriftlichen Verkörperung und der Abgabe dieser schriftlichen verkörperten Gedankenerklärung zu Beweiszwecken im Rechtsverkehr auch die Erkennbarkeit des Ausstellers maßgebend (SSt. 53/71, Leukauf-Steininger Komm.3 § 223 RN 3). Der letztgenannte Umstand stellt das personale Garantieelement einer Urkunde dar, das darauf beruht, daß hinter der Erklärung ein bestimmter Austeller steht, der sich zu ihrer Urheberschaft bekennt. Sohin ist Aussteller einer Urkunde nicht nur, wer eine urkundliche Erklärung selbst geschrieben hat, sondern auch, wer geistiger Urheber der verkörperten Erklärung ist und als solcher für sie einsteht (11 Os 39,40/92, Leukauf-Steininger aaO RN 15 ff). Das personale Garantieelement einer Urkunde geht nicht verloren, wenn sie bei ausdrücklicher oder konkludenter Ermächtigung des Namensträgers unter fremdem Namen gefertigt wird; auch in einem solchen Fall entsteht eine echte Urkunde (Leukauf-Steininger aaO, RN 25 a, Mayerhofer-Rieder StGB3 Anm. 4 zu § 223).

Die Strafbarkeit nach § 223 Abs. 2 StGB setzt den vorsätzlichen Gebrauch einer falschen oder verfälschten Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache voraus. Nach den Feststellungen des Urteils ging aber Josef F***** bei Unterfertigung des Wahlvorschlages davon aus, daß die Personen, deren Namen er nachgemacht bzw. er einen fremden Namenszug unterschoben hat, ihn dazu ermächtigt hätten. Damit fehlte es ihm jedenfalls am Vorsatz Organe der Gemeinde I***** über die ("geistige") Urheberschaft der Erklärung zu täuschen, zumal - worauf die Generalprokuratur ausdrücklich hinweist - die eigenhändige Unterfertigung des Wahlvorschlages in der Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 nicht ausdrücklich normiert ist (s. § 40 Abs. 5).

Der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und der auf die verletzte Gesetzesbestimmung gestützte Schuldspruch aufzuheben.

Der Anregung des Generalprokurators sogleich mit einem Freispruch vorzugehen, konnte allerdings nicht gefolgt werden.

§ 266 Abs. 1 StGB bedroht nämlich unter anderem denjenigen mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, der namens eines anderen ohne dessen Auftrag wählt oder stimmt. Diese Bestimmung gilt gemäß § 261 Abs. 1 StGB unter anderem auch für Wahlen zu den mit der Vollziehung betrauten Organen einer Gemeinde, zu denen auch die Wahl des Bürgermeisters unter Mitwirkung des Volkes - wie dies die Tiroler Gemeindewahlordnung 1991 (s. §§ 40, 49) vorsieht - zählt. Gemäß § 261 Abs. 2 StGB steht einer Wahl auch das Unterschreiben eines Wahlvorschlages gleich (Leukauf-Steininger aaO § 261 RN 5 und 9).

Wer daher vorsätzlich einen derartigen Wahlvorschlag namens eines anderen ohne dessen Auftrag unterschreibt, ist gemäß § 266 Abs. 1 StGB strafbar.

Die Meinung, ermächtigt zu sein, für jemanden anderen die Unterschrift leisten zu dürfen, bedeutet nicht, von dieser Person auch zur Unterschrift beauftragt zu sein. Dem verfahrensgegenständlichen Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, daß Josef F***** einen solchen Auftrag von den vier genannten Personen tatsächlich erhalten oder auch nur angenommen hat; von Josef G***** fehlte im Tatzeitpunkt sogar die ausdrücklich mündliche Unterstützungserklärung.

Mangels entsprechender Feststellungen ist daher derzeit eine abschließende rechtliche Beurteilung des angeklagten Sachverhalts (§ 262 StPO) durch den Obersten Gerichtshof nicht möglich.

Es war daher das in Beschwerde gezogene Urteil aufzuheben und die Erneuerung des gegen Johann F***** gepflogenen Verfahrens gemäß § 292 StPO beim zuständigen Bezirksgericht Hopfgarten anzuordnen.

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