OGH 11Os102/92

OGH11Os102/9217.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.November 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner, Dr.Rzeszut, Dr.Hager und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ferdinand F***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht vom 7.April 1992, GZ 14 Vr 242/91-108, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 19.Mai 1931 geborene Ferdinand F***** wurde des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten "schweren gewerbsmäßigen" (gemeint: gewerbsmäßigen schweren) Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er - zusammengefaßt wiedergegeben - in W***** in auf die Begehung schweren Betruges gerichteter gewerbsmäßiger Absicht mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung nachangeführte Personen durch Täuschung über Tatsachen, indem er unter jeweiliger Fingierung seines redlichen Vertragswillens die Bereitstellung von Wohnungen bzw. die fristgerechte Rückzahlung des in Anspruch genommenen Fremdkapitals zusicherte, zur Übergabe von Geldbeträgen im Gesamtbetrag von 5,444.000 S, somit zu Handlungen verleitet (in vier Fällen mit einem angestrebten Gesamtschadensbetrag von 20.000 S zu verleiten versucht), die sie um mehr als 500.000 S am Vermögen schädigten (teilweise schädigen sollten), nämlich (I) Nazim A***** am 14.Mai 1990 zur Leistung einer (weiteren) Anzahlung für eine Wohnung in der Höhe von 25.000 S; (II) Ludwig R***** am 21.Dezember 1990 zur Gewährung eines (weiteren) Darlehens von 34.000 S; (III) Ivan B***** am 21.Juni 1990 zur Zuzählung eines Darlehens von 100.000 S; (IV a) Johann und Rosa R***** am 20.August 1990 zur Zuzählung eines Darlehens von 500.000 S (Schaden: 464.249 S); (IV b) Johann R***** im Februar 1991 zur Gewährung eines Darlehens von 60.000 S; (V) Ivica M***** am 14.Dezember 1990 zur Gewährung eines Darlehens von 60.000 S; (VI) Ali K***** am 22.Dezember 1990 zur Gewährung eines Darlehens von 10.000 S; (VII) in der Zeit von Februar 1990 bis 20.Februar 1991 in insgesamt 156 Fällen türkische, rumänische und jugoslawische Staatsangehörige durch die Zusage der Wohnungsbeschaffung und der Anrechnung geleisteter Zahlungen als Mietzinsvorauszahlungen und Anzahlungen für Renovierungsarbeiten zur Zahlung von insgesamt mehr als 4,500.000 S.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen schloß der (seit in den Jahren 1973 bis 1975 gesetzten Kridahandlungen mit offenen Verbindlichkeiten belastete) Angeklagte im Jahre 1989 mit dem Eigentümer der als Industriegebiet gewidmeten Liegenschaft der sogenannten "St*****werke" in W***** einen mündlichen Mietvertrag hinsichtlich dreier dort befindlicher Fabriksobjekte, die infolge ihres desolaten Zustands "eher abbruchsreif" als renovierungswürdig waren. Mit diesen sowie zwei weiteren (im Jahre 1990 "gepachteten" - 505/II) Objekten verfolgte der (vermögenslose, verschuldete und auf eine monatliche Invaliditätspension von durchschnittlich zirka 4.100 S angewiesene) Angeklagte das Ziel der Adaptierung bzw. Errichtung einzelner Wohnungen zu Demonstrationszwecken, um sie in der Folge seinem Betrugskonzept entsprechend zur Täuschung und Verleitung wohnungssuchender Ausländer zu Anzahlungen ("Mietzinsvorauszahlungen") heranzuziehen. Unter der Vorgabe groß angelegter Bauinitiativen zu umfassender Wohnraumbeschaffung (welcher es in Wahrheit mangels entsprechender Flächenwidmung und ohne Vertragsanspruch auf Untervermietung vorweg an jedweder rechtlichen Fundierung fehlte) entlockte der Angeklagte in den zu I und VII 1-156 des Urteilsspruchs bezeichneten Fällen wohnungssuchenden Ausländern insgesamt 4,635.000 S, wobei sich der in diesem Zusammenhang angestrebte Schaden um weitere 20.000 S aus bloßen Tatversuchen (Fakten VII 43, 69, 96, 106) erhöhte. Die übrigen urteilsgegenständlichen betrügerischen Teilakte (Fakten II-VI) setzte der Angeklagte nicht nur zur unmittelbaren persönlichen Bereicherung, sondern teilweise auch zur Finanzierung des baulichen Täuschungsaufwands und zur Rückzahlung der (hier nicht inkriminierten) Vorleistungen jener Wohnungsinteressenten, die den Angeklagten in Erkenntnis seiner Unredlichkeit am härtesten bedrängten.

Die leugnende Verantwortung des Angeklagten, gutgläubig auf die Realisierbarkeit des (behaupteten) Projekts zur Wohnraumbeschaffung vertraut zu haben und an dessen Verwirklichung nur durch seine Verhaftung im März 1991 gehindert worden zu sein, lehnte das Erstgericht aus mehreren Gründen als unglaubwürdig ab. Davon ausgehend, daß der (vertraglich - wie dargelegt - zur Untervermietung gar nicht berechtigte) Angeklagte weder über Eigenkapital verfügte, noch beim Grundeigentümer eine Antragstellung auf behördliche Umwidmung des Industriegeländes in Wohngebiet anregte, die im Verhältnis zur Gesamtfläche des den Tatgeschädigten zugesagten Wohnraums unbedeutenden baulichen Aktivitäten vielmehr eigenständig ohne die entsprechenden rechtlichen, planungstechnischen und kalkulatorischen Grundlagen in Angriff nahm, die regelmäßig bar abgewickelten Geldtransaktionen weder buchhalterisch erfaßte noch nach "geschäftlichen" bzw privaten Aufwänden trennte, er weiters in den schriftlichen Vereinbarungen mit den Betrugsopfern durch die Verwendung einer in Wahrheit nicht aktuellen Geschäftsstampiglie auf den Anschein einer wirtschaftlich fundierten Gesellschaftsbeteiligung abzielte und schließlich noch nach dem behördlichen Auftrag zur Baueinstellung ab Jänner 1991 bis zu seiner Verhaftung die betrügerische Herauslockung von "Mietzinsvorauszahlungen" mit einem Teilschadensbetrag von nahezu 200.000 S fortsetzte, nahmen die Tatrichter als erwiesen an, daß sich der Angeklagte im Umfang des Schuldspruchs von der Absicht leiten ließ, sich durch die wiederkehrende Begehung schweren Betruges eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Rechtliche Beurteilung

Dieses - neben Adhäsionserkenntnissen auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthaltende - Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, überdies den Strafausspruch und die Zusprüche an die Privatbeteiligten mit Berufung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten (446/II) Antrags auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß der Angeklagte im Tatzeitraum zurechnungsunfähig oder in seiner Zurechnungsfähigkeit zumindest eingeschränkt war, bedeutete keine Hintansetzung wesentlicher Verteidigungsrechte (Z 4). Die Beiziehung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigen setzt auf objektiven Beweisergebnissen beruhende (Mayerhofer-Rieder3 Nr 3 zu § 134 und Nr 122 zu § 281 Z 4 StPO) Zweifel darüber voraus, daß der Angeklagte zur Tatzeit fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 134 Abs 1 StPO iVm § 11 StGB). Das Vorliegen derartiger objektiver Anhaltspunkte, die die relevierte Problematisierung der tataktuellen Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten gerechtfertigt hätten, hat das Erstgericht hier aber unter Hinweis auf die (über einen längeren Zeitraum mit bedeutendem organisatorischem Aufwand verbundene) gezielte Verwirklichung des zahlreiche Einzelakte einschließenden Betrugsvorhabens und die ebenso gedanklich geordnete Verfahrenseinlassung des Angeklagten mit Recht verneint.

Die (sachlich schwerpunktmäßig auf die Geltendmachung materieller Feststellungsmängel im Sinn der Z 9 lit a ausgerichtete) Mängelrüge (Z 5) wendet sich dagegen, daß das angefochtene Urteil zum Faktenkomplex VII 1 bis 156 - anders als partiell die Angeklagebegründung - keine nach den einzelnen Fakten gegliederte Konkretisierung der jeweiligen Täuschungshandlungen insbesondere in der Richtung enthält, in welchen Einzelfällen den Geschädigten Schriftstücke mit zur Erweckung falscher Bonitätserwartungen geeigneten Stampiglienabdrücken vorgelegt bzw. adaptierte Musterwohnungen zur Besichtigung angeboten wurden. Den dazu vorgebrachten Beschwerdeeinwänden zuwider erweist sich das angefochtene Urteil in diesen Punkt als weder formell noch sonst mangelhaft begründet. Beruhen doch die dem in Rede stehenden Tatkomplex zugrundeliegenden Einzelakte zum Nachteil Wohnungssuchender nach den tatrichterlichen Feststellungen auf einem umfassenden Betrugskonzept, dessen wesentlicher Kern darin bestand, den dringenden Wohnbedarf von Ausländern mit begrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten durch die dolos wahrheitswidrige Zusage der Wohnraumbeschaffung zur persönlichen Täterbereicherung auszunützen (unter anderen Seiten 509 ff, 534 ff/II). Davon ausgehend, daß der Angeklagte solcherart bei jeder dieser Tathandlungen seine Bereitschaft und Fähigkeit zur Beschaffung der jeweils in Aussicht gestellten Wohnung vortäuschte, betraf die Frage, in welchen Fällen es zu besonderen Akzentuierungen der betrügerischen Täuschung kam, keinen entscheidungswesentlichen Aspekt, der im Rahmen der sowohl nach den als erwiesen angenommenen Tatsachen als auch nach den hiefür maßgeblichen Erwägungen auf eine gedrängte Darstellung zu beschränkenden Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) der vom Beschwerdeführer vermißten gegliederten Konkretisierung bedurft hätte.

Eine Orientierung an maßgebenden erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen läßt auch die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Rechtsrüge vermissen, die sich - soweit sie nicht überhaupt von den Schuldsprüchen gar nicht erfaßte Vorgänge betrifft - gegen die Schuldsprüche I-VI richtet, dabei allerdings hinsichtlich der Fakten I (zum Nachteil des Nazim A*****) und VI (zum Nachteil des Ali K*****) jedweder sachlichen Substantiierung entbehrt. Die Beschwerdebehauptungen, daß die geschädigten Geldgeber Ludwig R***** (Faktum II), Ivan B***** (III), Johann und Rosa R***** (IV a und b) sowie Ivica M***** (V) die inkriminierten Zahlungen, ohne vom Angeklagten getäuscht worden zu sein, auf der Basis einer bloßen Geschäftsbeteiligung geleistet und es dabei aus eigenem Verschulden unterlassen hätten, sich über die Ertragsaussichten ihrer Kapitalzufuhr hinreichend zu informieren, widerstreiten nämlich durchwegs dem tatrichterlich konstatierten Sachverhalt. Darnach lagen den zu III und IV a inkriminierten Geldzuwendungen an den Angeklagten durch Verschweigen von Schulden in Millionenhöhe und Vortäuschung der Bereitschaft und Fähigkeit, die eingegangenen Rückzahlungsverpflichtungen vertragsgemäß zu erfüllen, erwirkte Kreditvereinbarungen mit Ivan B***** (501 f/II) und den Eheleuten Johann und Rosa R***** (500/II) zugrunde, während der Angeklagte zu den Fakten II, IV b und V (nicht anders als bei der Schädigung des Ali K***** - VI) durchwegs mit der dolos wahrheitswidrigen Zusage der Rückzahlungen innerhalb kürzester Zeit Darlehen "herauslockte", um die ihm am heftigsten bedrängenden Gläubiger zu befriedigen (503 f/II). Zu dem (in der Beschwerdeargumentation - wie dargelegt - im einzelnen nicht aufgegriffenen) Urteilsfaktum I ist vollständigkeitshalber ergänzend festzuhalten, daß die im wesentlichen gleichartige betrügerische Schädigung einer Vielzahl ausländischer Wohnungsinteressenten im angefochtenen Urteil (ohne Trennung nach den Faktenkomplexen I bzw VII 1 bis 156) zusammenfassend erörtert werden (496/II). Der (generelle) Beschwerdeeinwand des Fehlens eines hinreichenden Tatsachensubstrats zur Frage der betrugsessentiellen Täuschung erweist sich mithin insgesamt als nicht aktengetreu.

Gleichermaßen verfehlen auch die weiteren Rechtsrügen (Z 9 lit b und 10) eine prozeßordnungsgemäße Darstellung der geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgründe, weil sie durchwegs auf der Basis urteilsfremder Tatsachenprämissen einerseits den umfassenden Freispruch des Angeklagten wegen für den Tatzeitraum reklamierter Zurechnungsunfähigkeit, andererseits eine Beurteilung sämtlicher urteilsgegenständlicher Einzelakte als Vergehen der fahrlässigen Krida und im Ergebnis nur eine für den Angeklagten günstigere Würdigung der hiezu wesentlichen Verfahrensergebnisse anstreben, mit denen sich das Erstgericht ohnedies hinreichend auseinandergesetzt hat. Dies gilt für die Frage der Zurechnungsfähigkeit (531, 536/II) ebenso wie für alle jene Komponenten (insbesondere die getätigten Investitionen und die angeblichen, auch anderweitigen Ertragserwartungen), auf die der Angeklagte seine Verantwortung mit fehlendem Schädigungsvorsatz stützte (Seiten 488 ff, 511 f, 518 ff, 523).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO) und teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO) bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Über die Berufung wird das hiefür zuständige Oberlandesgericht Linz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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