OGH 12Os110/92

OGH12Os110/9212.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.November 1992 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer, Dr.Rzeszut, Dr.Markel und Dr.Schindler als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Munsel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günther G***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster Satz, zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 18.Mai 1992, GZ 20 h Vr 1761/91-52, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Bassler, und des Verteidigers Dr.Unterweger, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 7.März 1961 geborene Günther G***** wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des teils vollendeten (I.), teils versuchten (II.) schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Deliktsfall und 15 StGB schuldig erkannt.

Die Geschwornen hatten die an sie gemäß § 312 Abs. 1 StPO gerichteten anklagekonformen Hauptfragen A./ und B./ (fortlaufende Zahlen 1 und 4) nach dem Verbrechen des vollendeten und versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Deliktsfall und 15 StGB jeweils stimmeneinhellig mit den durch entsprechende Streichungen und Ergänzungen des Textes der Hauptfragen vorgenommenen Modifikationen bejaht, daß der Angeklagte seinem Opfer nicht "ein Springmesser" sondern "einen spitzen metallischen Gegenstand entgegenhielt", und beim vollendeten Raub nicht "ca. zehn Packungen Zigaretten" sondern nur "ca. fünf Packungen" erbeutete. Gleichfalls stimmeneinhellig haben die Geschwornen die Zusatzfragen nach dem Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit nach § 11 StGB und nach dem Strafaufhebungsgrund des freiwilligen Rücktritts vom Versuch nach § 16 Abs. 1 StGB verneint. Folgerichtig blieben die Eventualfragen zu den Hauptfragen A./ und B./ nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB unbeantwortet.

Inhaltlich des Schuldspruches hat Günther G***** am 13.Februar 1991 in Wien durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe dadurch, daß er seinem Opfer einen spitzen, metallischen Gegenstand entgegenhielt, Wiltrud B***** fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern,

I./ weggenommen, indem er fünf Packungen Zigaretten an sich brachte, und

II./ wegzunehmen versucht, indem er sie aufforderte, ihm Bargeld zu übergeben, sich sodann über das Verkaufspult zur Kassa beugte und aus dieser Geld zu entnehmen trachtete.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten dagegen aus § 345 Abs. 1 Z 2, 4, 6, 8 und 9 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Als nicht stichhältig erweist sich zunächst die das Beschwerdevorbringen einleitende, offenbar auf einen Teil der eingangs erwähnten Modifikationen (Ersatz des Wortes "Springmesser" durch "einen spitzen metallischen Gegenstand" in den Hauptfragen A./ und B./ durch die Geschwornen) bezogene Behauptung, die Geschwornen hätten nicht die ihnen gestellten Fragen beantwortet, sondern "eigene Fragen erfunden und diese beantwortet"; bezieht sich doch diese Argumentation in Wahrheit nicht auf die an die Geschwornen gerichteten Fragen, sondern auf deren Beantwortung durch die Laienrichter, somit auf den Inhalt des vom Obmann gemäß § 340 StPO verlesenen Wahrspruchs (S 294).

Damit gehen aber die auf der bezeichneten verfehlten Beschwerdeauffassung beruhenden, durch den Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles widerlegten (S 293) Einwände, die an die Geschwornen zu richtenden Fragen seien nicht vorgelesen (Z 4) und das Verfahren sei (zum Teil) "ohne Beiziehung eines Verteidigers abgeführt worden" (Z 2), weil dem Verteidiger keine Möglichkeit der Äußerung zu den Fragen (§ 318 Abs. 1 StPO) geboten worden sei, ebenso ins Leere, wie der Vorwurf des Verstoßes gegen §§ 310 bis 317 StPO (Z 6).

Aktenfremd ist die weitere, eine entsprechende, "dieser Verantwortung" Rechnung tragende Fragestellung monierende Beschwerdebehauptung (Z 6), es sei "vorgebracht" worden, "daß die gegenständliche Tat nicht unter Verwendung einer Waffe durchgeführt wurde". Der Angeklagte verantwortete sich nämlich sowohl im Vorverfahren als auch in der Hauptverhandlung, auf die Behauptung einer totalen, durch Volltrunkenheit bedingten Erinnerungslücke gestützt, stets dahin, zum Tathergang überhaupt keine Angaben machen zu können (S 37 f; 48; 120 ff; 187 ff; 281). Hingegen deponierte die einzige Tatzeugin Wiltrud B***** gleichlautend im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung, daß der Angeklagte bei dem Raubüberfall ein Messer, einen Schraubenzieher oder eine Feile gegen sie richtete (S 33 f; 54; 126 ff; 201 ff). Demgemäß war - unter dem Aspekt des noch zu erörternden erweiterten Waffenbegriffs des § 143 Satz 1 zweiter Fall StGB - die Stellung einer Eventualfrage in Richtung § 142 Abs. 1 StGB - abgesehen von der den Geschwornen nach § 330 Abs. 2 StPO ohnedies eröffneten Möglichkeit, die angeführte Deliktsqualifikation durch (nur) teilweise Bejahung der Hauptfragen auszuschalten - mangels in der Hauptverhandlung vorgebrachter Tatsachen, nach denen - würden sie als erwiesen angenommen - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte (§ 314 Abs. 1 StPO), nicht indiziert. Schon aus diesem Grund erübrigte sich aber die Stellung einer (uneigentlichen) Zusatzfrage in Richtung des sogenannten minderschweren Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB (§ 316 StPO).

Schließlich versagt auch der aus der Z 6 (der Sache nach Z 12) des § 345 Abs. 1 StPO erhobene (rechtliche) Einwand, daß ein "spitzer metallischer Gegenstand" nicht notwendig eine Waffe im Sinne des § 143 StGB sei. Der Beschwerdeführer verkennt nämlich, daß nach ständiger Rechtsprechung Waffen im Sinne des § 143 StGB nicht nur Waffen im technischen Sinn, sondern alle Gegenstände sind, die als ein zur Gewaltanwendung gegen eine Person oder zur Raubdrohung ad hoc geeignetes Instrument gebraucht werden und bezüglich Form, Wirkungsweise und Anwendbarkeit in einem Kampf den ersteren gleichwertig sind (Mayerhofer-Rieder StGB3 ENr 4; Leukauf-Steininger Komm3, RN 10; Foregger-Serini StGB5 Erläuterung IV jeweils zu § 143). Diesen Kriterien trug die an der herrschenden Judikatur orientierte Rechtsbelehrung (Beilage B, S 16 f) Rechnung, sodaß durch die darauf basierende Feststellung des Waffencharakters des (auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens in einem Messer, einem Schraubenzieher oder einer Feile bestehenden) Tatbegehungsmittels und dessen (abstrahierender) Bezeichnung als "spitzer metallischer Gegenstand" ein Tatsachensubstrat in den Wahrspruch der Geschwornen Eingang fand, auf dessen Grundlage die Qualifikation nach § 143 zweiter Deliktsfall StGB rechtsrichtig bejaht wurde.

Von Verfahrensergebnissen, die ein "Vortäuschen des Vorhandenseins einer Waffe" indizieren würden, kann daher keine Rede sein. Dem Schwurgerichtshof ist sohin auch kein Subsumtionsirrtum unterlaufen.

Als aktenwidrig erweist sich der Einwand (Z 8), der Vorsitzende hätte es unterlassen, die Geschwornen dahin zu belehren, daß sie verhalten sind, die an sie gerichteten Fragen mit Ja oder Nein zu beantworten (vgl Beilage C zu ON 51 und die den Geschwornen übergebene Rechtsbelehrung StPO Form.RMB 1 - Anlage zu ON 51).

Der Beschwerde zuwider gibt die einstimmige Bejahung der Hauptfragen A./ und B./ mit der Modifizierung, daß der Angeklagte bei der Verübung der in Rede stehenden Raubtaten als Waffe zwar kein Springmesser sondern "einen spitzen metallischen Gegenstand" verwendete und beim vollendeten Raub nicht "ca. zehn Packungen Zigaretten" sondern nur ca. fünf Packungen Zigaretten erbeutete, ein durchaus verläßliches Bild der Meinung der Geschwornen wider und macht deren Anwort auf die ihnen gestellten Fragen weder unvollständig noch undeutlich (Z 9 StPO), sodaß auch für die Einleitung eines Moniturverfahrens (§ 332 Abs. 4 StPO) kein Anlaß bestand.

Die genannten Beifügungen der Geschwornen anläßlich der Bejahung der Hauptfragen sind nämlich (sinngemäß) durchwegs bloß nach § 330 Abs. 2 StPO zulässige Beschränkungen. Dies gilt für die Begrenzung der Raubbeute auf ca. fünf Packungen Zigaretten gleichermaßen wie für die modifizierte Bezeichnung der Tatwaffe als "spitzer metallischer Gegenstand". Stellt doch diese auf dem (wie dargelegt am Inhalt der Rechtsbelehrung orientierten) Tatsachensubstrat des Wahrspruchs beruhende Waffenbeschreibung gegenüber dem Springmesser laut anklagekonformer Hauptfrage als Waffe im technischen Sinn eine (nur) einschränkende Begriffsindividualisierung dar.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 143 erster Strafsatz StGB fünf Jahre Freiheitsstrafe, wobei es die die Rückfallsvoraussetzung nach § 39 StGB übersteigenden einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall als erschwerend, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, als mildernd wertete.

Den Strafausspruch bekämpfen beide Prozeßparteien - mit entgegengesetzten Anfechtungszielen - mit Berufung.

Während der Angeklagte unter Hinweis auf den vermeintlich begrenzten Störwert seiner in alkoholisiertem Zustand begangenen Taten und seine Unbesonnenheit eine Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB anstrebt, begründet die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Straferhöhung im wesentlichen damit, daß mangels tatsächlicher Anwendung der Strafschärfung bei Rückfall (§ 39 StGB) den rückfallsbegründenden, aber auch den darüber hinausgehenden Vorstrafen erhöhtes Gewicht beigemessen und die in Tatart und Täterpersönlichkeit begründeten general- und spezialpräventiven Erfordernisse in höherem Maße zu berücksichtigen gewesen wären.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe vollständig erfaßt und bei Ausmessung der Freiheitsstrafe der hier aktuellen Täterschuld und dem verwirklichten Tatunrecht angemessen Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung insbesondere der Modalitäten der Tatausführung erweist sich die vom Geschwornengericht verhängte Sanktion in keiner Richtung als korrekturbedürftig.

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