OGH 7Ob624/92

OGH7Ob624/9212.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Michael E*****, infolge Revisionsrekurses der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 24.September 1992, GZ 3 R 435/92-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Spittal/Drau vom 13.Dezember 1990, GZ P 193/81-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Sieglinde E***** ist am 5.7.1990 verstorben. Erben aufgrund des Gesetzes sind ihr Ehemann und zwei mj. Kinder, der uneheliche Sohn Michael und die eheliche Tochter Cornelia. Für die beiden Minderjährigen schritt im Verlassenschaftsverfahren Erna H***** ein. Die Erben schlossen am 19.11.1990 ein Erbteilungsübereinkommen. Dieses wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom 13.12.1990 (ON 7) genehmigt und Erna H***** (nachträglich) zur besonderen Sachwalterin zur Vertretung der Minderjährigen im Verlassenschaftsverfahren bestellt. Das Erstgericht begründete seine Entscheidung damit, daß das Verlassenschaftsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden sei und das Erbteilungsübereinkommen dem Wohl der Kinder entspreche. Daraufhin wurden am 13.12.1990 vom Verlassenschaftsgericht Mantelbeschluß und Einantwortungsurkunde erlassen. Erst am 7.11.1991, nachdem es zu Zerwürfnissen zwischen dem Minderjährigen und seinem Stiefvater gekommen war, wurde für den Minderjährigen mangels eines zur Übernahme der Vormundschaft bereiten nahen Verwandten die Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau zum Vormund bestellt (ON 19). Diese erhob unter anderem gegen den Beschluß vom 13.12.1990 betreffend die Bestellung einer besonderen Sachwalterin und die Genehmigung des Erbteilungsübereinkommens, der ihr am 20.8.1992 zugestellt wurde, Rekurs.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist.

Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei der Minderjährige im Verlassenschaftsverfahren ordnungsgemäß vertreten gewesen. Die gesetzlichen Bestimmungen über den Vormund seien auch für die Rechte und Pflichten des Sachwalters maßgebend. Der Aufgabenkreis der besonderen Sachwalterin habe hier jenen Teilbereich umfaßt, den auch ein Vormund im Verlassenschaftsverfahren wahrzunehmen gehabt hätte. Die Vertretung habe dem Wohl des Minderjährigen entsprochen.

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Bezirkshauptmannschaft Spittal/Drau ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 187 ABGB ist einem Minderjährigen ein Vormund zu bestellen, wenn nicht wenigstens einer Person die beschränkte gesetzliche Vertretung im Rahmen der Obsorge zusteht. Die Vormundbestellung wird somit durch den gänzlichen Entfall der gesetzlichen Vertretung bei allen Obsorgeberechtigten ausgelöst (Schwimann-Schlemmer, ABGB Bd.I § 187 Rz 2). Ist diese Voraussetzung gegeben, ist (auch von Amts wegen) jedenfalls mit der Vormundbestellung vorzugehen, die Bestellung eines Kurators (besonderen Sachwalters) kommt nur insoweit in Betracht, als darüber hinaus ein Kuratelstatbestand vorliegt (vgl. Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 20 f), etwa nach § 271 ABGB. Dem Vormund kommt hiebei Beteiligtenstellung und Rekursrecht zu, wenn er die Voraussetzungen für die Bestellung eines solchen Kurators (besonderen Sachwalters) bestreitet (vgl. SZ 40/5). Liegt keine letztwillige Berufung eines Vormunds vor, so haben nach § 198 ABGB die nächsten Verwandten - ihre Eignung vorausgesetzt - ein subjektives Anwartschaftsrecht auf Bestellung zum Vormund (Pichler in Rummel2 Rz 3 f zu den §§ 197 bis 199; Schwimann-Schlemmer aaO § 198 Rz 1), das nicht durch die Bestellung eines besonderen Sachwalters umgangen werden darf. Die Bestellung eines besonderen Sachwalters für einen Minderjährigen zu seiner Vertretung im Verlassenschaftsverfahren nach seiner Mutter trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach § 187 ABGB entspricht somit nicht der Rechtslage und ist unzulässig. Dies wurde auch vom Rekursgericht grundsätzlich richtig erkannt. Das Rekursgericht hat lediglich im vorliegenden Fall, in dem ein zur Vormundschaft geeigneter nächster Verwandter überdies nicht vorhanden war, die Vertretung des Minderjährigen in dem vermögensrechtlichen Teilbereich der Verlassenschaftsabhandlung durch eine besondere Sachwalterin aus der Erwägung gebilligt, daß die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Vormunds auch für den Sachwalter maßgebend seien und daß hier die Vertretung durch die besondere Sachwalterin dem Wohl des Kindes entsprochen habe. Gegen diese Beurteilung bestehen keine Bedenken. Nach den objektiv unbedenklichen Grundlagen der Abhandlung, nach der Höhe der Passiven und dem geringen Reinnachlaß führen Erwägungen über die rechtlichen und wirtschaftlichen Erfolgsaussichten auch mit Rücksicht auf die Vermögens- und Einkommenslosigkeit des Minderjährigen zu dem Ergebnis, daß eine neuerliche mit weiteren Kosten verbundene Abhandlung nicht im wohlverstandenen Interesse des Minderjährigen wäre.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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