OGH 1Ob635/92

OGH1Ob635/9211.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Philipp S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes, vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien als Unterhaltssachwalter gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 19. August 1992, GZ 47 R 326/92-63, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 3. April 1992, GZ 3 P 134/86-60, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Der uneheliche Vater war zuletzt mit Beschluß des Erstgerichtes vom 27.7.1989, ON 43, bestätigt mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 5.10.1989, 47 R 673/89-47, zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 4.900,-- verpflichtet worden. Sein monatliches Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit betrug damals S 46.877,27. Die Mutter hatte behauptet, daß wegen Immunmangel des Kindes und der dadurch bedingten häufigen Bronchitis ein Sonderbedarf für zwei dreiwöchige Urlaubsaufenthalte am Meer und im Gebirge bestehe.

Der Unterhaltssachwalter beantragte, den vom Vater zu leistenden Unterhalt ab 5.11.1991 auf monatlich S 6.900,-- zu erhöhen. Neben dem erhöhten Einkommen des Vaters bestehe ein krankheitsbedingter erhöhter Bedarf des Kindes, das Kind erhalte homöopathische Mittel, Akupunktur und fahre aus gesundheitlichen Gründen ans Meer und ins Gebirge. Außerdem sei der Kauf von biologischen Nahrungsmitteln notwendig. Nach den im Akt erliegenden ärztlichen Berichten leide das Kind an Immunschwäche, Asthma bronchiale und Neurodermitis. Aus diesem Grunde seien bereits mehrere Spitalsaufenthalte notwendig gewesen. In einem Schreiben vom 27. März 1992, ON 59, schlüsselte die Mutter die krankheitsbedingten jährlichen Mehrkosten auf. Der Vater bestritt in erster Instanz nicht diesen Sonderbedarf, er führte nur aus, daß der nunmehr begehrte Betrag auf Bezahlung von monatlich S 6.900,-- die „Playboygrenze“ übersteige. Es sei nicht gerechtfertigt, daß ein den Durchschnittsbedarf dreimal übersteigender Unterhaltsbetrag zugesprochen werde.

Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag statt. Es stellte fest, daß der Vater allein aus unselbständiger Tätigkeit monatlich S 50.172,11 verdiene. Darüber hinaus beziehe er aus selbständiger Tätigkeit Einkünfte in unbekannter Höhe. Daß das Kind Unterhalt in der beantragten Höhe benötige, sei unbestritten. Allein durch sein Asthma und seine Bronchitis entstehe ein Mehraufwand durch die Anschaffung homöopathischer Medikamente, durch die Akupunktur, den Urlaubsaufwand für Aufenthalte am Meer und im Gebirge; darüber hinaus fördere die Mutter ihr Kind im Bereich des Sports und der Kultur. Für Tagesmutter, homöopathische Mittel, Akupunktur, Kleidung, Sportkleidung, Urlaube, schulische Ausbildung, Sportkurse, Zusatzversicherung und Sportgeräte habe die Mutter im Jahr 1991 etwa S 167.700,-- aufgewendet.

Der Vater erhob gegen diesen Beschluß Rekurs. Er führte in seinem Rechtsmittel zum Sonderbedarf des Kindes nur aus, homöopathische Medikamente würden auch auf Krankenschein verschrieben.

Das Rekursgericht gab diesem Rekurs teilweise Folge. Es erhöhte den monatlichen Unterhalt nur auf S 6.000,- -. Das Mehrbegehren von S 900,-- monatlich wies es ab. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Soweit die Mutter gesundheitlich bedingte Mehraufwendungen für den Minderjährigen behauptet habe, seien diese einerseits nicht konkret detailliert und nachgewiesen worden, andererseits sei davon auszugehen, daß derartige Mehraufwendungen in dem zugesprochenen weit überdurchschnittlichen Unterhaltsbetrag Deckung fänden. Selbst bei Annahme weit überdurchschnittlicher Bedürfnisse des Kindes müsse bedacht werden, daß ein sechsjähriges Kind auch bei Teilhaben an weit überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern mit einem Betrag von monatlich S 6.000,-- seine Bedürfnisse selbst unter Berücksichtigung gewisser gesundheitlich bedingter Mehraufwendungen angemessen decken könne. Es sei schließlich zu berücksichtigen, daß mit zunehmendem Alter des Kindes weitere Unterhaltserhöhungen begehrt werden und letztlich eine Grenze, die den Anreiz auf ein eigenes Erwerbseinkommen eines Kindes erhalten solle, nicht überschritten werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Kindes ist zulässig und berechtigt.

Die Ausführungen des Rekursgerichtes, das Kind habe die Mehraufwendungen nicht konkret detailliert und nachgewiesen, sind aktenwidrig. Die detaillierte Aufschlüsselung findet sich im Schreiben der Mutter vom 27.3.1992, ON 59, deren Ausführungen das Erstgericht seinen Feststellungen - vom Vater im Tatsachenbereich unbekämpft - zugrundelegte. Strittig blieb nach den Rekursausführungen des Vaters nur, ob die Mehraufwendungen für homöopathische Arzneien einschließlich Akupunktur von jährlich S 6.000,-- als Sonderbedarf zu werten sind.

Über den durchschnittlichen Bedarf hinaus kann ein Unterhaltsberechtigter noch Sonder- oder Individualbedarf haben (Pichler in Rummel 2 Rz 3 zu § 140). Solche Mehrkosten sind insbesondere durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt (Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB Rz 21 zu § 140). Zum vom Unterhaltsverpflichteten gemäß seiner hier nicht bestrittenen Leistungsfähigkeit zu ersetzenden Sonderbedarf zählen daher insbesondere die über den Regelbedarf hinausgehenden Mehrausgaben, die zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des Unterhaltsberechtigten dienen (RZ 1991/25). Erhält der Unterhaltsberechtigte über den Regelbedarf hinausgehende Unterhaltsbeträge, ist im Rahmen der Unterhaltsbemessung Sonderbedarf dann zu ersetzen, soweit diese Aufwendungen höher sind als die Differenz zwischen dem Regelbedarf und dem zuerkannt gewesenen Unterhalt (SZ 63/81; 6 Ob 608/90, 8 Ob 602/91; Schlemmer/Schwimann aaO Rz 24). Selbst unter Außerachtlassung der Kosten für homöopathische Arzneimittel und unter Abzug der Mehrauslagen für die Tagesmutter, die Betreuungsleistungen der Mutter übernimmt (Schlemmer/Schwimann aaO Rz 27; Kalthoener-Büttner, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts4 Rz 259), betragen die restlichen vom Erstgericht im Rahmen des Sonderbedarfes festgestellten Mehraufwendungen, die der Gesundheit des Unterhaltsberechtigten dienen, monatlich rund S 8.500,- -. Diese Kosten sind daher nicht mehr durch den vom Rekursgericht zuerkannten Unterhaltsbetrag von monatlich S 6.000,-- gedeckt.

Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und der Beschluß des Erstgerichtes wiederherzustellen.

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