OGH 9ObA166/92

OGH9ObA166/9211.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Rupert Gnant in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat der L***** ***** Gesellschaft mbH *****, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden ***** ebendort, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwälte in Innsbruck, wieder die beklagte Partei L***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwälte *****, wegen Feststellung (Streitwert 51.000,‑ ‑ S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 25.Feber 1992, GZ 5 Ra 23/92‑31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 16.Jänner 1991, GZ 42 Cga 108/90‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1992:009OBA00166.920.1111.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.348,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 724,80 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es hierauf zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren der klagenden Partei auf Feststellung eines Entgeltanspruches, wobei zwischen den Parteien der Überstunden‑ und Zulagenteiler strittig ist, der bei Ermittlung des bei Arbeitsausfall fortzuzahlenden Entgeltes anzuwenden ist. Der Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang enthält nur den Hinweis auf die allfällige Notwendigkeit der Ergänzung des Vorbringens durch Klarstellung der für die Ermittlung der strittigen Position nach dem beiderseitigen Vorbringen anzuwendenden bzw von der beklagten Partei praktizierten Berechnungsmethode. Dem wurde durch die Außerstreitstellung im zweiten Rechtsgang Rechnung getragen. Die Revision vermag auch nicht darzulegen, welche ergänzenden Aufklärungen noch erforderlich gewesen wären. Die Berechnung des fraglichen, Anspruchs nach den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen ist jedoch eine Rechtsfrage. Zu ihrer Lösung bedufte es daher keiner weiteren Tatsachenfeststellungen und daher auch nicht der Aufnahme der von der beklagten Partei beantragten Beweise.

Zu Unrecht erhebt die Berufung den Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich mit einem Abrechnungsmodus auseinandergesetzt, den auch die beklagte Partei nicht vertreten habe. Die beklagte Partei hat vielmehr sowohl in der Klagebeantwortung wie auch in einem später erstatteten Schriftsatz (ON 11) die Auffassung vertreten, die monatliche Sollarbeitszeit bilde den korrekten Zulagen‑ und Überstundenteiler. Es bestand daher sehr wohl Veranlassung, sich mit diesem Vorbringen auseinanderzusetzen.

Die Bestimmungen des § 6 Abs 3 UrlG und des § 3 Abs 3 EFZG gehen vom sogenannten Ausfallprinzip aus. Demnach hat der Arbeitnehmer während seines Urlaubes oder eines Krankenstandes grundsätzlich jenes Entgelt zu erhalten, das er verdient hätte, wenn er in dieser Zeit gearbeitet hätte (Spielbüchler, Arbeitsrecht I 2, 154 und 156; Arb 10.355; ZAS 1989, 175 ua). Nach § 2 Abs 2 des gemäß § 6 Abs 5 UrlG abgeschlossenen General‑KV über den Begriff des Entgeltes gemäß § 6 UrlG gelten auch Überstundenpauschalen sowie Leistungen für Überstunden, die aufgrund der Arbeitszeiteinteilung zu erbringen gewesen wären, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre, als Bestandteil des regelmäßigen Entgeltes. Besteht eine Arbeitszeiteinteilung, aufgrund der die Feststellung der Überstunden, die in der Nichtarbeitszeit zu leisten gewesen wären, möglich ist, nicht, so sind regelmäßige Überstunden als Bestandteil des regelmäßigen Entgeltes zu berücksichtigen. Für die Beurteilung der Regelmäßigkeit ist grundsätzlich ‑ also wenn nicht besondere Gründe vorliegen, die einen längeren Beobachtungszeitraum erfordern ‑ ein Beobachtungszeitraum von 13 Wochen heranzuziehen (SZ 60/261). Wurden in diesem Zeitraum regelmäßig Überstunden geleistet, so ist das hiefür zustehende Entgelt auch bei Ermittlung des für die Zeiträume der Nichtarbeit zustehenden Entgeltes im obigen Sinne zu berücksichtigen. Die Kollektivverträge gehen im Sinne einer Durschnittsbetrachtung davon aus, daß in Fällen, in denen im Beobachtungszeitraum regelmäßig Überstunden geleistet wurden, solche Überstunden auch während der Zeit der Nichtarbeit im gleichen Umfang angefallen wären. Entsprechend dem Ausfallprinzip soll in diesen Fällen der Anspruch auf das Überstundenentgelt während der Zeit der Nichtarbeit in dem Umfang gewahrt bleiben, in dem dieses Entgelt angefallen wäre, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet hätte, wobei bezüglich der Höhe des Entgeltes auf die Verhältnisse während des Beobachtungszeitraumes abzustellen ist. Dem Ausfallprinzip, das das Ziel verfolgt, den Arbeitnehmer während Zeiten der Nichtarbeit (Urlaub oder Krankheit) entgeltmäßig so zu stellen, wie wenn er in dieser Zeit in Arbeit gestanden wäre, wird aber nur entsprochen, wenn als Grundlage für die Bemessung des Entgeltes für die Nichtarbeitszeiten Zeiten herangezogen werden, in denen der Arbeitnehmer tatsächlich in Arbeit stand; nur dann bestand für ihn die Möglichkeit, Überstunden zu leisten. Wird in Fällen, in denen im 13‑wöchigen Beobachtungszeitraum Zeiten liegen, in denen der Arbeitnehmer, aus welchen Gründen immer, nicht arbeitete, so sind diese Zeiten zu neutralisieren. Für die Ermittlung des für die Zeit der Nichtarbeit zu berücksichtigenden gebührenden Überstundenentgeltes ist das für die Überstunden, die während des Beobachtungszeitraumes geleistet wurden, gebührende Entgelt durch die Zahl der Normalarbeitsstunden, die während der Zeit der tatsächlichen Arbeitstätigkeit im Beobachtungszeitraum angefallen sind, zu teilen. Nur so kann die durchschnittliche Erhöhung des Entgeltes durch während der Zeit der tatsächlichen Arbeit regelmäßig geleistete Überstunden ermittelt werden, die entsprechend dem Ausfallprinzip die Grundlage für die Ermittlung des Entgeltes für die Zeit der Nichtarbeit bildet.

Keine der von der beklagten Partei vertretenen Berechnungsarten wird diesem Prinzip gerecht. Wird die Höhe des Überstundenentgeltes durch die Zahl der in den Beobachtungszeitraum fallenden Normalarbeitsstunden ‑ einschließlich der in diesen Zeitraum fallenden Fehlstunden ‑ geteilt, so würden die in diesen Zeitraum fallenden Überstunden "verdünnt". Sie würden auch auf Zeiträume aufgeteilt, in denen sie wegen Abwesenheit vom Arbeitsplatz gar nicht erbracht werden konnten. Das Ausfallprinzip fingiert, daß in der Zeit der Nichtarbeit tatsächlich Arbeit geleistet worden ist. Es können daher für die Entgeltermittlung nur Zeiträume herangezogen werden, in denen diese Voraussetzung vorlag.

Auch die Methode, einen Überstundenteiler anzuwenden, in den auch die Zahl der Überstunden einbezogen wird, ist verfehlt. Dabei bliebe das Grundentgelt für die Überstunden unberücksichtigt und dem unter dem Titel der Überstundenleistung für die Zeit der Nichtarbeit errechneten Entgelt läge nur der (mit Rücksicht auf die Einbeziehung der Überstunden) durch einen zu hohen Faktor geteilte Überstundenzuschlag zugrunde.

Die Unrichtigkeit des Standpunktes der beklagten Partei wird an dem vom Berufungsgericht dargelegten Beispiel offenbar. Hat ein Arbeitnehmer während der letzten 13 Wochen vor der Nichtarbeit täglich eine Überstunde erbracht, so entspricht es dem Ausfallprinzip, daß ihm auch während der Zeit der Nichtarbeit täglich das Entgelt für eine Überstunde zusteht. Fallen in den Zeitraum von 13 Wochen Fehlzeiten, so führt jede der von der beklagten Partei vertretenen Berechnungsmethoden zu dem Ergebnis, daß ein Anspruch auf Entgelt für Überstundenentlohnung während der Zeit der Nichtarbeit nur in verminderter Höhe zustünde, sei es, daß das Überstundenentgelt durch die gesamte Normalarbeitszeit des Beobachtungszeitraumes geteilt wird, sei es, daß in den Teilungsfaktor auch die Überstunden einbezogen werden. Dem Ausfallprinzip wird damit nicht entsprochen.

Auch die von der beklagten Partei in der Revision umfangreich dargelegten Formeln und Berechnungsbeispiele zeigen kein anderes Ergebnis auf. Das Ausfallprinzip ist vielmehr nur dann gewahrt, wenn die Überstundenentgelte des Beobachtungszeitraumes durch die Zahl der Normalarbeitsstunden jener Zeit geteilt werden, während der tatsächlich Arbeit verrichtet wurde. Es trifft auch nicht zu, daß auf diese Weise Überstunden berücksichtigt würden, die gar nicht geleistet wurden, es wird vielmehr der Ermittlung des Entgeltes für die Zeit der Nichtarbeit entsprechend dem Ausfallprinzip ein Zeitraum zugrunde gelegt, in dem tatsächlich gearbeitet wurde. Nur dieser Zeitraum bildet eine geeignete Vergleichsbasis für die Prüfung, in welchem Umfang bei regelmäßiger Verrichtung der Arbeit eine Erhöhung des Entgeltes durch Überstundenleistung eintritt. Diese Erhöhung ist aber nach dem Ausfallprinzip der Ermittlung des Entgeltes für die Zeit der Nichtarbeit zugrunde zu legen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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