Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig, die beklagte Partei hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Beide Parteien betreiben den Lebensmitteleinzelhandel in Märkten, die über das gesamte Gebiet Österreichs verstreut sind. In der "N*****-Zeitung" vom 4.8.1991 war ein Inserat der Beklagten veröffentlicht, das auszugsweise wie folgt lautete:
"Der große Durst zum kleinen Preis
...
B***** holt mit seinem Getränkedienst als einziger österreichweit seine Getränke direkt vom Erzeuger ab. Und da wir in größtmöglichen Mengen einkaufen, ergibt sich daraus der günstige Preis für alle Getränke. Den wir heute und morgen gerne an unsere Kunden weitergeben.
... "
In dem Inserat sind mehrere Getränke abgebildet, für die geworben wird, und zwar "Coca Cola", "Bravo"- Orangensaft, "Juvina"-Mineralwasser und Ottakringer "Goldfassl"-Bier.
Mit der Behauptung, daß die Beklagte in Wahrheit ihre Getränke nicht direkt vom Erzeuger abhole, insbesondere aber auch damit keinen Einkaufsvorteil erzielen würde, der die Getränke billiger machen könnte, begehrt die Klägerin zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel und bei der Werbung für Getränke, die unrichtige Behauptung zu untersagen, sie hole mit ihrem Getränkedienst als einziger österreichweit ihre Getränke direkt vom Erzeuger ab, insbesondere in diesem Zusammenhang mit der Behauptung, die Direktabholung der B*****-Getränke ermögliche einen besonders günstigen Preis für alle Getränke.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Die beanstandete Werbebehauptung sei richtig. Die Beklagte hole tatsächlich das im Inserat abgebildete Ottakringer-Bier ebenso wie "Coca Cola", "Fanta" und "Sprite" selbst ab. Richtig sei nur, daß die Rauch-Fruchtsäfte bisher nicht vom Getränkedienst der Beklagten abgeholt werden, doch habe die Beklagte gar nicht behauptet, daß sie sämtliche Getränke selbst abhole. Die beanstandete Werbung sei nicht geeignet, einen für den Kaufentschluß der Kunden erheblichen Irrtum über die Günstigkeit des Angebotes herbeizuführen. Bei flüchtiger Betrachtung des Inserates fielen die großgedruckten Preise wesentlich stärker auf als der kleingedruckte Text. Kein Konsument werde bei der Beklagten einkaufen, wenn ihm die Preise nicht tatsächlich günstig erschienen. Die Beklagte habe nicht behauptet, daß das Selbstabholen Ursache für die günstigen Getränkepreise sei; vielmehr verweise sie darauf, daß sie in größtmöglichen Mengen einkaufe. Entgegen der Meinung der Klägerin treffe es nicht zu, daß die Beklagte durch das Selbstabholen keine Einkaufsvorteile erziele; sie könne zwar ihre Kalkulation nicht im einzelnen offenlegen, erziele jedoch durch das Selbstabholen tatsächlich einen Einkaufsvorteil.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hielt es noch für bescheinigt:
Der im Inserat abgebildete "Bravo-Orangennektar" stammt von der in Rankweil/Vorarlberg ansässigen Firma Rauch Fruchtsäfte GmbH; die Beklagte holt von dort ihre Getränke nicht selbst ab. Tatsächlich besitzt sie aber einen Getränkedienst, mit dem sie von vielen großen und wichtigen Getränkeerzeugern die Getränke in Mehrweggebinden selbst abholt. Dafür erhält die Beklagte von den jeweiligen Getränkeerzeugern Vergütungen, deren Höhe und Größenordnung von der Beklagten unter Berufung auf ihr Geschäftsgeheimnis nicht offengelegt werden und die daher auch nicht festgestellt werden können. Ferner sei nicht festzustellen, welche Kostenbelastung der Beklagten durch ihren Getränkedienst entsteht und ob das Betreiben des Getränkedienstes dazu führt, daß sich dadurch die Getränkepreise der Beklagten verbilligen.
Bei einzelnen Getränkeerzeugern - zB Stock, Römerquelle, Egger, Kajo und Juvina - ist die Beklagte der einzige Lebensmittelhändler, der die Getränke selbst abholt. Hingegen kann nicht festgestellt werden, ob bei anderen Getränkeerzeugern - Alpquell, Ottakringer, Peterquelle, Vöslauer, Pago, Güssinger, Brau-AG und Amatil - auch Mitbewerber der Beklagten die Getränke selbst abholen und dafür Abholvergütungen beziehen. Getränke der Steirer Brau-AG (zB Gösser, Reininghaus, Puntigamer) holt die Beklagte keinesfalls selbst ab, da bei diesem Unternehmen überhaupt keine Selbstabholung besteht.
Rechtlich meinte der Erstrichter, daß die Beklagte mit der beanstandeten Werbeankündigung positive Imagewerbung für ihr Unternehmen betreibe. Sie stelle sich als der Konkurrenz überlegen dar, indem sie für ihr Getränkeanbot eine Spitzenstellung beanspruche, kündige sie doch an, das einzige inländische Unternehmen zu sein, das österreichweit und uneingeschränkt einen Selbstabholdienst für alle Getränke besitze. Diese Behauptung sei teilweise unrichtig, weil die Beklagte nicht sämtliche Getränke selbst abhole und sie auch nicht habe beweisen können, das einzige Unternehmen zu sein, das einen Getränkedienst unterhalte. Völlig unbewiesen sei geblieben, daß sich der Getränkedienst der Beklagten auf die Günstigkeit der Getränkepreise auswirke.
Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der beanstandeten Werbeaussage sei jedenfalls zu entnehmen, daß die Beklagte die im Inserat gezeigten Getränke selbst abholt. Da diese Behauptung schon hinsichtlich der dort abgebildeten Rauch-Fruchtsäfte unrichtig sei, könne offen bleiben, ob unter "seinen Getränken" alle Getränke zu verstehen sind oder ob dieser Aussage nur die von der Beklagten behauptete eingeschränkte Bedeutung beigemessen wird. Aus der Unrichtigkeit der Behauptung, daß die Beklagte die Getränke selbst abhole, folge die Unrichtigkeit der weiteren Behauptung, österreichweit hole allein die Beklagte ihre Getränke selbst ab. Das Inserat enthalte auch die Behauptung, daß die Beklagte Getränke zu günstigen Preisen verkaufe; als Grund dafür würden das Selbstabholen und der Einkauf in größtmöglichen Mengen angeführt. Die Klägerin behaupte nicht, daß die Beklagte Getränke nicht zu günstigen Preisen verkaufe, und stelle auch nicht in Frage, daß die Beklagte in größtmöglichen Mengen einkauft. Ihr Vorwurf gegen die Beklagte werde allein wegen deren Behauptung erhoben, die Beklagte hole mit ihrem Getränkedienst als einzige österreichweit ihre Getränke direkt vom Erzeuger ab. Die Unrichtigkeit dieser Aussage sei aber nur dann wettbewerbsrechtlich von Bedeutung, wenn die dadurch bewirkte Irreführung geeignet wäre, die Kaufentschließung in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Ob ein Einzelhandelsunternehmen Getränke selbst abholt, sei für den Konsumenten dann von Interesse, wenn sich daraus ein günstigerer Getränkepreis ergibt. Für die Qualität der Getränke sei das Selbstabholen - anders als etwa bei Frischgemüse - ohne Bedeutung. Eine wettbewerbsrechtlich bedeutsame Irreführung läge somit nur dann vor, wenn die Getränkepreise, verglichen mit denjenigen der Mitbewerber ohne Getränkeabholdienst, nicht "günstig" wären. Seien die Getränkepreise aber "günstig", dann sei es für den Konsumenten ohne Bedeutung, ob der dadurch gewährte Einkaufsvorteil nicht oder nicht zur Gänze auf das Selbstabholen der Getränke zurückzuführen ist. Da das Selbstabholen keinen anderen Vorteil als günstige Preise erwarten lasse, würden die Erwartungen des Konsumenten nicht enttäuscht. Daß die Getränkepreise der Beklagten nicht günstig wären, habe weder die Klägerin behauptet noch das Erstgericht festgestellt; das hätte aber die Klägerin zu beweisen gehabt. Die durch die Unrichtigkeit der Aussage bewirkte Irreführung sei somit nicht geeignet, Kaufinteressenten anzulocken und zu veranlassen, sich mit dem Angebot der Beklagten näher zu befassen; sie verstoße daher unabhängig davon nicht gegen § 2 UWG, ob die Beklagte eine Sonderstellung bei den Getränkeerzeugern besitzt und ob sie einen Getränkeabholungzustelldienst unterhält, der die von wichtigen und großen Erzeugern und Abfüllern angebotenen Getränke in Mehrweggebinden umfaßt. Auf die Ausführungen zur Mängel- und zur Beweisrüge sei daher nicht mehr einzugehen.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; er ist auch berechtigt.
Die von der Beklagten aufgestellte Behauptung, sie hole mit ihrem Getränkedienst als einzige österreichweit ihre Getränke direkt vom Erzeuger ab, ist schon bei rein wörtlicher Auslegung dahin zu verstehen, daß die Beklagte alle ihre Getränke direkt vom Erzeuger abhole. Dieser Sinngehalt wäre der Äußerung aber auch dann beizumessen, wenn man sie für mehrdeutig halten wollte, hat doch bei Mehrdeutigkeit seiner Ankündigung der Werbende nach ständiger Rechtsprechung immer die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten zu lassen (ÖBl 1986, 159; ÖBl 1989, 42 uva). Tatsache ist jedoch, daß die Beklagte zumindest die von der Rauch Fruchtsaft GmbH bezogenen Waren - also auch den im beanstandeten Inserat abgebildeten "Bravo-Orangennektar" - nicht selbst abholt. Daraus ergibt sich auch, daß der eigene Getränkedienst der Beklagten nicht zu einem "günstigen Preis (der Beklagten) für alle Getränke" führen kann. Einen solchen Zusammenhang stellt aber die Beklagte entgegen ihrem Prozeßstandpunkt sehr wohl her, erklärt sie doch ihren günstigen Einstandspreis sowohl mit ihrem Getränkedienst als auch mit dem Einkauf größtmöglicher Mengen. Die Beklagte hat demnach unzweifelhaft in diesem Zusammenhang unrichtige Angaben über ihre geschäftlichen Verhältnisse - und zwar über für ihre Preisbemessung maßgebliche Umstände - gemacht.
Zutreffend hat das Berufungsgericht ausgeführt, daß ein Verstoß gegen § 2 UWG nur dann vorliegt, wenn zwischen dem Umstand, daß die durch die Werbeaussage hervorgerufene Vorstellung nicht den Tatsachen entspricht, und dem Entschluß, sich mit dem Angebot des Werbenden zu befassen, ein Zusammenhang besteht (ÖBl 1979, 94; SZ 54/97; ÖBl 1987, 18; ÖBl 1990, 162; ÖBl 1991, 242 uva). Diese Voraussetzung ist aber entgegen der Meinung des Gerichtes zweiter Instanz hier zu bejahen:
Die beanstandete Werbeankündigung ist geeignet, beim angesprochenen Publikum die Erwartung hervorzurufen, daß die Beklagte für alle Getränke deshalb einen günstigeren Preis als ihre Mitbewerber verlangen könne, weil sie im Gegensatz zu ihren Konkurrenten die Getränke selbst abhole. Daß diese Annahme geeignet ist, einen Anreiz für einen Einkauf bei der Beklagten zu schaffen, liegt auf der Hand. Ob ein eigener Getränkeabholdienst für den Unternehmer tatsächlich wirtschaftlich günstiger ist als die Zustellung durch den Lieferanten, ist ohne Bedeutung; maßgebend ist nur, daß das Publikum - zumindest zu einem nicht unbeträchtlichen Teil - der Werbebehauptung der Beklagten, welche selbst den Zusammenhang zwischen ihrem Getränkedienst und einem besonders günstigen Preis hergestellt hat - zweifellos Glauben schenkt. Wird damit - ebenso wie etwa bei der Ankündigung "Sie kaufen direkt vom Erzeuger" (ÖBl 1979, 101) - die Erwartung besonderer Preisgünstigkeit erweckt, dann hat die Beklagte - bei Unrichtigkeit ihrer Behauptung - einen im oben dargestellten Sinn relevanten Irrtum des Publikums herbeigeführt. Daß sie allenfalls tatsächlich "günstige Preise" für ihre Getränke verlangt, kann daran nichts ändern, ist doch die beanstandete Werbung geeignet, auch solche Kunden in ihr Geschäft zu locken, die nicht die Preise der verschiedenen Einzelhändler miteinander vergleichen, sondern allein auf Grund der angenommenen Kostenvorteile der Beklagten eine besondere Preisgünstigkeit erwarten. Bei dieser Sachlage hatte die Klägerin keinen Anlaß, einen Beweis dafür anzutreten, daß die Preise der Beklagten in Wahrheit nicht billiger sind als jene der vergleichbaren Anbieter.
Da die Beklagte somit gegen § 2 UWG verstoßen hat, war dem Revisionsrekurs der Klägerin Folge zu geben und die einstweilige Verfügung des Erstrichters wiederherzustellen. Daß das Rekursgericht die Mängel- und Beweisrüge der Beklagten nicht behandelt hat, schadet nicht, weil den davon betroffenen Feststellungen keine rechtliche Bedeutung zukommt. Auch der - zum Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit - im Revisionsrekurs aufgeworfenen Frage, ob die Klägerin nicht doch behauptet habe, die Getränkepreise der Beklagten wären nicht günstig, kommt hier keine Bedeutung zu.
Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 2 EO, §§ 40, 50, 52 ZPO.
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