OGH 6Ob612/92

OGH6Ob612/9229.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr.Herwig Grosch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wider die beklagte Partei E. ***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Helmut Hüttinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 56.360,80 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das zum Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17.April 1992, GZ 7 Cg 265/90-38, ergangene berufungsgerichtliche Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 29.Juli 1992, AZ 3 R 141/92(ON 44), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise stattgegeben. Das angefochtene Berufungsurteil wird derart abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin den Betrag von 27.864,90 S samt 10,2 % Zinsen seit 1.August 1988 binnen vierzehn Tagen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrages von 28.495,90 S samt 8,5 % Zinsen seit 1.August 1988 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen wird abgewiesen.

Die Klägerin hat der Beklagten an Prozeßkosten einen Teilbetrag von 3.450 S binnen vierzehn Tagen zu ersetzen."

Die Beklagte hat der Klägerin an Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtsgebühren, einen Teilbetrag von 14.900 S binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war als Bergbahnunternehmerin Bauherrin bei der Errichtung einer Heizanlage für das Gebäude ihrer Bergstation samt Restaurant. Ein Zivilingenieur für technische Physik erstellte in ihrem Auftrag die Planung für die Öltankanlage. Die Beklagte ist eine Handelsgesellschaft, die sich nach dem auf den Gegenstand ihres Unternehmens hinweisenden Firmenteil mit Heizanlagen befaßt. Sie baute im Auftrag der Bauherrin nach den Plänen des Zivilingenieurs für technische Physik unter anderem den Öltank in freiem Gelände in das Erdreich ein. Dabei wurde in der Mitte des Tankdeckels eine Ölstandsmeßeinrichtung angebracht. Das verwendete Gerät ist nach seiner Konstruktion zwar spritzwasserdicht, aber nicht druckdicht ausgeführt. Füllt sich der sogenannte Domschacht über dem Tank mit Oberflächenwasser (Niederschlags- oder Schneeschmelzwässer), kann durch die Ölstandsmeßeinrichtung der verwendeten Art Wasser in den Öltank eindringen.

Die Beklagte erachtete sich bei der Wahl des (nicht druckdichten) Gerätetyps durch die Ausschreibung im Sinne der Planung des von der Bauherrin beigezogenen Projektanten gebunden. Sie unterließ gegenüber der Bauherrin jeden Hinweis auf die gebotene, aber bei dem vorgesehenen Gerätetyp fehlende Druckdichtheit der auf den Öltank aufzusetzenden Meßeinrichtung.

Die aus Tank, Rohrleitungen und Schächten bestehende Öltankanlage muß aus Wasserschutzgründen dicht sein. Der Domschacht muß, wie das auch in der ÖNorm C 2110 festgelegt ist, so abgedichtet sein, daß kein Oberflächenwasser eindringen kann. Denkbar ist in erster Linie ein Einsickern von Wasser in den Domschacht durch dessen Wandung, vor allem an Ein- und Austrittsstellen der in Überschubrohren durch das Erdreich geführten Leitungen, sowie zufolge Undichtheit des Deckels, der den Domschacht gegenüber dem darüberliegenden Einstiegsschacht abschließt. Eine Prüfung der Schächte auf ihre Dichtheit ist meist nicht möglich. Um so mehr ist eine Dichtheitsprüfung der Anlage durch Abdrücken mit Gasdruck (0,3 bar) geboten. Bei einer derartigen Druckprobe vor Betriebsaufnahme wäre die Undichtheit der Ölstandsmeßeinrichtung erkennbar gewesen.

Die Beklagte führte die Anlage zu einem Zeitpunkt aus, als das Erdoberflächenniveau noch nicht erkennbar war. Schächte und Leitungen ordnete die Beklagte lagerichtig im Sinne der Planung an.

Die von der Beklagten hergestellte Anlage wurde noch im Jahr 1985 übergeben.

Nach Fertigstellung der Erdbewegungen im Gelände kamen die Schachtdeckel der Tankanlage - entgegen ihrer üblichen Situierung - tiefer als das anschließende Gelände zu liegen.

Nach der Schneeschmelze im Frühjahr 1986 wurde Wasser im Öltank festgestellt.

In der ersten Septemberwoche des Jahres 1986 besorgte die Beklagte eine Tanküberprüfung. Im Ölfüllschacht stand Wasser. Der höchstmögliche Wasserstand war durch die Höhe der die Tankleitung sichernden Überschubrohre gegeben. Das schließt einen Wassereintritt durch die Fülleitung aus. Zur Entwässerung von Füll- und Domschacht wurden auf Vorschlag eines Mitarbeiters der Beklagten noch im Jahre 1986 Drainagen geschaffen.

1987 wurde kein Wassereintritt beobachtet. 1988 aber wurde nach der Schneeschmelze neuerlich Wasser im Tank festgestellt. Dieses konnte nach der Anordnung der Drainageleitungen nur durch die Lüftungsleitung in den Domschacht und von dort durch die nicht druckdichte Ölstandsmeßeinrichtung in den Öltank gelangt sein.

Die Klägerin ließ den Tank leer pumpen, reinigen und neu mit Öl füllen. Eine Druckprobe ergab, daß lediglich die Ölstandsmeßeinrichtung nicht druckdicht war.

Die Klägerin zahlte für die Tankreinigung im Jahr 1986 netto 5.500 S, für die Entsorgung von 6.700 l Öl-Wasser-Gemisch, Tankreinigung und Durchführung des Wiederanschlusses der Rohrleitungen 1988 insgesamt netto 30.340 S abzüglich 3 % Skonto (= 29.429,80 S) sowie für 6.700 l Öl zur Wiederbefüllung des Tanks 21.440 S. Die Summe dieser Aufwendungen der Klägerin beträgt daher 56.369,80 S. (Die Klägerin schränkte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Jänner 1992 ihr Begehren auf 58.360,80 S ein; dabei unterlief offensichtlich ein Schreibfehler, der sich dann auch in die Urteilsfeststellungen fortschleppte.)

In der Folge ließ die Klägerin die Ölstandsmeßeinrichtung entfernen und durch einen wasserdichten Pfropfen ersetzen.

In der zweiten Hälfte des Monates Juli 1988 forderte die Klägerin von der Beklagten den Ersatz ihrer - damals noch mit mehr als 80.000 S bezifferten - Aufwendungen.

Die Klägerin nahm als Werkbestellerin die Haftung der Beklagten als des von ihr beauftragten Spezialunternehmens für die Nachteile aus dem Eindringen von Wasser in den Tank der von der Beklagten ausgeführten Anlage wegen Unterlassung eines Hinweises auf die unzureichende Dichtheit der als unsachgemäß eingebaut bezeichneten Ölstandsmeßeinrichtung in Anspruch.

Die Beklagte wendete ein, sich an die Planung des von der Klägerin beauftragten Zivilingenieurs gehalten zu haben, der eine nicht druckdicht konstruierte Ölstandsmeßeinrichtung vorgesehen habe. Für den darin zu erblickenden Planungsfehler habe die Beklagte nicht einzustehen, weil sie ihre Leistungen auftragsgemäß erbracht habe. Die Klägerin als Werkbestellerin habe sich das Alleinverschulden des von ihr bestellten Planers zurechnen zu lassen.

Das Prozeßgericht erster Instanz lastete es der Beklagten als schuldhafte Verletzung der sie als Werkunternehmerin treffenden Warnpflicht an, auf die unzureichende Dichtheit des nach der Planung vorgesehenen Meßgerätes nicht hingewiesen zu haben; es erachtete es aber andererseits als Planungsfehler, daß nicht gegen alle Möglichkeiten eines Wassereindringens in den Domschacht Vorsorge getroffen und kein druckdichtes Meßgerät vorgesehen worden sei. Die Planung habe zwar nicht die Klägerin selbst, sondern ein von dieser beauftragter Planer vorgenommen, die planlichen Vorgaben seien jedoch von der Klägerin gekommen. Die Beklagte verantworte zufolge ihrer Warnpflichtverletzung nur ein Mitverschulden. Dieses sei "im Ausmaß von einem Viertel als ausreichend anzusehen, während drei Viertel im Verantwortungsbereich der klagenden Partei selbst liegen". Das Prozeßgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren zu einem Viertel, infolge eines Rechenfehlers aber nur im Teilbetrag von 14.015,20 S, statt und wies das Mehrbegehren ab.

Beide Streitteile erhoben Berufung.

Das Berufungsgericht gelangte in Abweisung der Berufung der Klägerin und Stattgebung der Berufung der Beklagten zur gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens.

Das Berufungsgericht verneinte jeden Ausführungsfehler und jede Warnpflichtverletzung der Beklagten. Diese habe auch noch während der Ausführung ihrer Arbeiten die an die Schachtdeckel der Anlage anschließenden Geländeverhältnisse nicht erkennen können und auf eine Dichtheit der Schächte und Schachtdeckel gegenüber Oberflächenwässer vertrauen dürfen. Die Beklagte habe deshalb in der fehlenden Druckdichtheit der ausschreibungsgemäß auf den Öltank aufgesetzten Meßeinrichtung keine der Klägerin oder dem Planer gegenüber gemäß § 1168 a ABGB anzuzeigende Gefahr erkennen müssen.

Die Klägerin erhebt außerordentliche Revision. Sie macht geltend, daß das Berufungsgericht zur technisch gebotenen Dichtheit der Schächte und Leitungen und der davon abhängigen Tauglichkeit nicht druckwasserfest konstruierter, in den Öltank eingesetzter Meßeinrichtungen ohne Beweiswiederholung keine den Tatsachenfeststellungen des Prozeßgerichtes erster Instanz entgegengesetzte Tatsachenannahmen hätte zugrunde legen dürfen und erblickt darin einen nach § 502 Abs 1 ZPO qualifizierten Verfahrensverstoß. Sie rügt die Verneinung der Warnpflicht als eine nach der zitierten Gesetzesstelle qualifizierte unrichtige rechtliche Beurteilung. Die Rechtsmittelwerberin führt im einzelnen die Anfechtungsgründe nach § 503 Z 2-4 ZPO aus und stellt den Rechtsmittelantrag auf Abänderung des Berufungsurteiles im Sinne des Klagebegehrens; hilfsweise stellt die Revisionswerberin Aufhebungsanträge.

Die Beklagte hat - einer Freistellung durch den Obersten Gerichtshof zuvorkommend - eine Revisionsbeantwortung erstattet. Sie strebt die Zurückweisung des Rechtsmittels mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 502 Abs 1 ZPO, hilfsweise die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Die Revision ist zulässig, weil die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage nach der jeweiligen Schwelle der Warnpflicht des Werkunternehmers sowie nach der teilweisen Selbsttragung des auf der Warnpflichtverletzung beruhenden Schadens des Bestellers abhängt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

Ein im Sinne einer Anweisung des Bestellers unvollkommen ausgeführtes Werk stellt sich rechtlich als mängelfreie Erfüllung dar. Das Risiko seiner zweckwidrigen Weisung trägt grundsätzlich der Besteller. Ist aber eine Anweisung des Bestellers für einen Werkunternehmer mit dem bei ihm im Sinne des § 1299 ABGB vorauszusetzenden Wissen und Verständnis im Hinblick auf die vereinbarte oder doch erkennbare Funktion des Werkes als unrichtig erkennbar, das heißt für einen Fachmann wie ihn offenbar unrichtig, hat der Werkunternehmer den Besteller darauf hinzuweisen. Dies soll sicherstellen, daß der Besteller nicht unbedacht ihm nachteilige Vorgaben zur Werkausführung aufrecht erhält. Die Unterlassung dieser gesetzlich angeordneten und nicht - in den allgemeinen Grenzen des Schadenersatzverzichtes - wirksam abbedungenen Warnpflicht macht den Werkunternehmer gemäß § 1168 a ABGB gegenüber dem Besteller (sowie allenfalls gegenüber einem nach dem Vertragszweck geschützten Dritten) für alle Nachteile haftbar, die bei erfolgter Warnung nicht eingetreten wären.

Die Schadenstragungsregel des § 1168 a ABGB ist eine Nachteilszuweisung, die vorrangig auf den typischerweise dem Besteller einerseits und dem Werkunternehmer andererseits beherrschbaren Sphären beruht. Das Tätigwerden als Fachmann sowie die unmittelbare Nähe zum Werk verpflichten den Werkunternehmer, das für einen solchen vorausgesetzte Wissen und eine ebensolche Umsicht einzusetzen, um den Besteller vor Nachteilen aus dessen eigener Entscheidung zu bewahren, die möglicherweise nicht gehörig bedacht wurden. Aus dieser Erwägung ist der Werkunternehmer auch gegenüber dem selbst fachkundigen oder fachkundig beratenen Besteller von seiner Warnpflicht nicht zu entbinden. Auch ein solcher Besteller ist grundsätzlich schutzwürdig.

Das der Bestellung zugrundegelegte Fachwissen (des Bestellers selbst oder des von ihm eingesetzten Fachmannes, mag dieser dem Besteller gesellschaftsrechtlich, dienstvertraglich oder werkvertraglich verpflichtet sein) kann auch im allgemeinen nicht als schlüssiger Vorausverzicht auf die Warnpflicht des Werkunternehmers gedeutet werden.

Je weniger aber im Einzelfall die als unrichtig zu vermutende Anweisung auf dem Mangel an verfügbarem Fachwissen beruht, desto geringer wirkt das im Fachwissen des Werkunternehmers gelegene Schadenszuweisungselement und die Risikotragung des Werkbestellers kommt wieder zur Geltung.

Aus diesem speziell in den Regelungen über die Gefahrtragung beim Werkvertrag zum Ausdruck gebrachten Zuordnungsprinzip der jeweils beherrschbaren Sphäre folgt auch eine teleologische Reduktion der scheinbar uneingeschränkt oder gar nicht angeordneten Werkunternehmerhaftung gemäß § 1168 a ABGB im Sinne einer analogen Anwendung des § 1304 ABGB im Falle einer nicht auf mangelndem Fachwissen beruhenden Fehlanweisung des Bestellers.

Dabei treten die in der österreichischen Literatur unter dem Schlagwort Gehilfenmitverschulden seit kurzem lebhaft diskutierten Fragen völlig in den Hintergrund, weil die (teilweise) Selbsttragung des Schadens durch den im Wege der gesetzlich normierten Warnpflicht des Werkunternehmers geschützten Besteller nicht auf dessen "Mitverschulden", sondern auf dessen Risikosphäre zu gründen ist.

Die Haftung der Beklagten ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes zu bejahen, ebenso aber auch die Einschränkung der Haftung, die das Prozeßgericht erster Instanz zutreffend auf den "Verantwortungsbereich" der Klägerin gegründet hat.

Nach dem Parteienvorbringen und den Feststellungen hat die Klägerin einen ihr werkvertraglich hiezu verpflichteten Zivilingenieur für technische Physik zur Planung eingesetzt. Ob dies auch bei der Werkausführung durch die Klägerin im Rahmen einer sogenannten Bauüberwachung der Fall gewesen ist, hat mangels diesbezüglichen Vorbringens der Klägerin unerörtert zu bleiben.

Die bei der Gerätewahl zu beachtenden höhenlagemäßig zu berücksichtigenden Witterungs- und sonstigen Umweltbedingungen waren für Planer und Werkunternehmer in gleicher Weise erkennbar.

Stehen einander aber nur Planungsfehler und Unterlassen des Hinweises auf diesen als Zurechnungskriterien gegenüber, erscheint eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt.

Was aber die Menge des durch den Wassereintritt unbrauchbar gewordenen Heizöls anlangt, ist der Schade in Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO bei der entsorgten Menge von Öl-Wasser-Gemisch von 6.700 l mit dem Preis von 6.500 l Heizöl, also mit 20.800 S festzusetzen.

Den darnach feststehenden Gesamtschaden der Klägerin von 55.729,80 S hat die Beklagte zur Hälfte zu ersetzen.

In teilweiser Stattgebung der außerordentlichen Revision war daher das Berufungsurteil derart abzuändern, daß dem Klagebegehren im Teilbetrag von 27.864,90 S stattgegeben und im Mehrbetrag von 28.495,90 S abgewiesen wird.

Zu dem in erster Instanz bestrittenen Zinsenbegehren unterließ die Beklagte in der Berufung jede weitere Ausführung.

Die Entscheidung über den Ersatz der Verfahrenskosten beruht auf § 43 Abs 1 ZPO.

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