OGH 7Ob604/92

OGH7Ob604/9215.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****-B*****, vertreten durch Dr.Werner Masser und andere Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. D*****gesellschaft mbH, 2. Guido St***** und beide vertreten durch Dr.Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,500.000 sA infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25.Mai 1992, GZ 5 R 93/92-16, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Handelsgerichtes Wien vom 5.Dezember 1991, GZ 16 Cg 221/90-10, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben die Kosten des Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Erstgerichtes (ON 10) zurück. Das Erstgericht habe das Teilurteil in Anwesenheit beider Parteien mündlich verkündet. Weder unmittelbar nach dieser Verkündung noch innerhalb einer Woche danach hätten die Beklagten die Berufung angemeldet. In der Erklärung (beider Parteien), die Zustellung einer Urteilsausfertigung zu beantragen, liege keine Berufungsanmeldung. Die nach der Zustellung einer Urteilsaufertigung von den Beklagten erhobene Berufung sei daher unzulässig.

Der gegen diesen berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß von den Beklagten erhobene - ohne Rücksicht auf den Streitwert (7 Ob 665/90; 7 Ob 502/92) und ohne Beschränkung nach §§ 502, 528 ZPO (4 Ob 405/91; Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzennovelle 1989, ÖJZ 1989, 743 ff [750]; Stohanzl, JN-ZPO14 Anm 4 zu § 519 ZPO) zulässige - Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen ein in Anwesenheit beider Parteien mündlich verkündetes Urteil kann Berufung nur von einer Partei erhoben werden, die diese sofort nach der Verkündung des Urteils mündlich oder binnen einer Woche danach in einem bei dem Prozeßgericht erster Instanz überreichten Schriftsatz oder unter der Voraussetzung des § 434 Abs 1 ZPO durch Erklärung zu gerichtlichen Protokoll angemeldet hat; wird in dieser Frist ein Antrag im Sinne des § 464 Abs 3 ZPO gestellt, so gilt er als Anmeldung der Berufung (§ 461 Abs 2 ZPO idF Art X Z 17 lit b WGN 1989 BGBl 343). Mangels rechtzeitiger Anmeldung der Berufung unzulässige Berufungen sind - vom Prozeßgericht erster Instanz - zurückzuweisen (§ 468 Abs 1 ZPO). Ist ein Urteil in Anwesenheit beider Parteien mündlich verkündet worden und hat keine der Parteien rechtzeitig eine Berufung gegen das Urteil angemeldet, so können in der schriftlichen Ausfertigung des Urteiles die Entscheidungsgründe auf das wesentliche Vorbringen der Parteien und das, was das Gericht davon der Entscheidung zugrunde gelegt hat, beschränkt werden, soweit diese Angaben zur Beurteilung der Rechtskraftwirkung des Urteiles notwendig sind (gekürzte Urteilsaufertigung; § 417 a Abs 1 ZPO). Mit diesen durch die WGN 1989 eingeführten Bestimmungen wurde im Zivilprozeß das Rechtsmittelverfahren gegen verkündete Urteile zweistufig gestaltet, um dem Gericht eine aufwendige schriftliche Ausfertigung zu ersparen, wenn es bereits innerhalb kurzer Zeit nach der Verkündung davon ausgehen kann, daß gegen die Entscheidung kein Rechtsmittel erhoben wird (Fasching LB2 Rz 1676).

Im vorliegenden Fall haben die Beklagten weder unmittelbar nach der Verkündung des Teilsurteiles am 5.12.1989 mündlich zu Protokoll noch innerhalb einer Woche danach schriftlich eine Berufung angemeldet. Beide Teile haben nach der Verkündung lediglich die Zustellung einer Urteilsaufertigung beantragt. Darin liegt aber - entgegen den Ausführungen im Rekurs - keine Anmeldung einer Berufung durch die Beklagten. Wohl werden nur in Anwesenheit beider Parteien verkündete Verzichts- oder Anerkenntnisurteile und das dem Klagebegehren stattgebende Versäumungsurteil auf Verlangen ausgefertigt (§ 416 Abs 3 ZPO); sonstige in Anwesenheit beider Parteien verkündete Urteile sind dagegen stets auszufertigen. Die Beklagten haben daher bloß etwas beantragt, was das Gericht ohnedies von Amts wegen wahrzunehmen hatte. Deshalb kann aus einem solchen überflüssigen Antrag eine Rechtsmittelanmeldung nicht abgeleitet werden. Ebensowenig kommt es darauf an, ob das Gericht von der Möglichkeit einer gekürzten Urteilsausfertigung Gebrauch gemacht hat, weil es dem Gericht bloß freisteht, diese Begünstigung in Anspruch zu nehmen. Für die Beurteilung des Inhaltes einer Prozeßerklärung sind objektive Maßstäbe anzuwenden und nicht die Auslegungsregeln für Privatrechtsgeschäfte; es kommt daher nicht auf den tatsächlichen (inneren) Willen der Partei, sondern ausschließlich darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Prozeßzwecks und der dem Gericht und Gegner bekannten Prozeß- und Aktenlage objektiv verstanden werden muß (Fasching aaO Rz 757). Unter diesem Gesichtspunkt kommt dem - überflüssigen - Antrag auf Zustellung einer Urteilsausfertigung kein weiterer Erklärungsinhalt zu. Daran vermag auch § 426 Abs 1 ZPO nichts zu ändern, wonach (ua) alle während der Verhandlung verkündeten Beschlüsse den bei der Verkündung anwesenden Parteien in schriftlicher Ausfertigung zuzustellen sind, wenn der Partei ein Rechtsmittel gegen den Beschluß oder das Recht zur sofortigen Exekutionsführung auf Grund des Beschlusses zusteht, weil - außer im Besitzstörungsverfahren (§ 518 Abs 1 ZPO) - das Rekursverfahren nicht zweistufig gestaltet wurde. Aus der Verknüpfung der Verpflichtung zur Zustellung einer Beschlußausfertigung mit der Rechtsmittelbefugnis einer Partei kann für die vorliegende Prozeßhandlung daher nichts gewonnen werden. Der Antrag der Beklagten lautete lediglich auf Zustellung einer Urteilsausfertigung; er bezog sich somit klar nur auf ein Handeln des Gerichtes. Eine weitere Parteiendisposition über ein Rechtsmittel lag darin nicht. Daher bestand auch kein Anlaß zur Einleitung eines Verbesserungsverfahrens.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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