Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß die einstweilige Verfügung des Erstgerichtes in ihren Punkten 1.) und 3.) wiederhergestellt wird.
Die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses vorläufig selbst zu tragen.
Die von den beklagten Parteien und Gegnern der gefährdeten Partei erstattete Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die klagende und gefährdete Partei (in der Folge nur klagende Partei) begehrt von den Beklagten und Gegnern der gefährdeten Partei (in der Folge nur Beklagte) die Zahlung von S 1.558.991,80 sA. Die klagende Partei sei mit der Ilse B***** Gesellschaft mbH in Geschäftsverbindung gestanden. Ende März 1990 habe der Zweitbeklagte die bevorstehenden Zahlungsschwierigkeiten erkannt. Er habe sich mit der klagenden Partei in Verbindung gesetzt, um sich über die Möglichkeit einer Wechselfinanzierung zu informieren, weil ihm die achttägige Zahlungsfrist zu kurz gewesen sei. Die klagende Partei wäre hiemit unter der Voraussetzung einer Bankgarantie einverstanden gewesen. Eine Bankgarantie sei jedoch nicht erstellt worden. Die in der Zwischenzeit aufgelaufenen Schulden der Ilse B***** Gesellschaft mbH hätten die klagende Partei veranlaßt, dieser Gesellschaft am 26.9.1990 mitzuteilen, daß sie ab sofort keine Ware über die klagende Partei beziehen dürfe. Dessen ungeachtet habe die Ilse B***** Gesellschaft mbH am 27.9.1990 bei einem Lieferanten sechs Motorsägen im Rahmen des mit der klagenden Partei abgeschlossenen Vertrages bestellt. Am 5.10.1990 habe die klagende Partei festgestellt, daß die Ilse B***** Gesellschaft mbH einen Totalabverkauf eingeleitet habe. Zwar habe sie zur Begründung einen Lokalwechsel und eine beabsichtigte Konzentration auf Serviceleistungen angegeben; tatsächlich aber sei alles abverkauft, der Standort nicht geändert und ein Servicebetrieb nicht aufgenommen, sondern das Ende des Unternehmens vorbereitet worden. Dazu habe gehört, daß der Erstbeklagten in Ergänzung zum Mietvertrag über das Geschäftslokal vom 5.11.1990 die Untervermietung des Bestandobjektes gestattet worden sei, die mit Vertrag vom 7.3.1991 an die V***** um einen Betrag von S 27.500,-- zuzüglich Mehrwertsteuer und Betriebskosten auch tatsächlich erfolgt sei. Die klagende Partei habe am 25.10.1990 beim Handelsgericht Wien zu 18 Cg 97/90 die Klage gegen die Ilse B***** Gesellschaft mbH - die am 16.11.1990 in B***** & D*****Gesellschaft mbH und am 20.12.1990 in D*****Gesellschaft mbH umbenannt worden sei - eingebracht und das rechtskräftige Urteil vom 15.7.1991 auf Zahlung von S 1.426.190,53 sA erwirkt. Die Ilse B*****Gesellschaft mbH habe hierauf nichts bezahlt. Geschäftsführer der Gesellschaft seien vom 25.4.1983 bis 3.10.1983 der Zweitbeklagte, dann bis zum 11.4.1990 die Erstbeklagte, anschließend bis zum 28.11.1990 wieder der Zweitbeklagte und letztlich bis 14.10.1991 Mladen D***** gewesen; dieser sei am 14.10.1991 zum Liquidator des Unternehmens bestellt worden. Bei Gründung der Gesellschaft habe die Erstbeklagte eine Einlage von S 450.000,--, der Zweitbeklagte von S 50.000,-- übernommen. Mit Gesellschafterbeschluß vom 7.3.1990 sei der Gesellschaftsanteil der Erstbeklagten an den Zweitbeklagten übertragen worden. In der Generalversammlung vom 16.11.1990 habe der Zweitbeklagte einen Geschäftsanteil von S 350.000,--, in jener vom 20.12.1990 einen weiteren von S 100.000,-- an Mladen D***** abgetreten. Mladen D*****, der einkommens- und vermögenslos sei, sei seit 22.4.1991 amtlich nach Jugoslawien an eine unbekannt Adresse abgemeldet. Mit Beschluß vom 31.7.1991 habe das Handelsgericht Wien den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der D***** Gesellschaft mbH mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens abgewiesen. Die klagende Partei mache die Durchgriffshaftung gegen die früheren Gesellschafter der Gesellschaft geltend. Die beiden Beklagten, die gemeinsam faktische Geschäftsführer gewesen seien, hätten gezielt alle zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergriffen, um die Durchsetzung der Forderungen der klagenden Partei zu vereiteln.
Gleichzeitig mit der von ihr am 24.2.1992 eingebrachten Klage stellte die klagende Partei den Antrag, zur Sicherung ihres Anspruches 1. der Erstbeklagten zu verbieten, die ihr gehörigen Anteile an einer näher bezeichneten Liegenschaft zu veräußern oder zu belasten und 2. der V*****zu verbieten, auf Grund des Mietvertrages vom 7.3.1991 hinsichtlich der Geschäftslokals *****den Hauptmietzins in der Höhe von S 27.500,-- zuzüglich Mehrwertsteuer in der jeweils gesetzlichen Höhe an die Beklagten zu bezahlen, sondern aufzutragen, den Mietzins jeweils am Ersten eines Monats bei Gericht gemäß § 1425 ABGB zu erlegen; dies bis zur Zeit der rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens. Das einzig greifbare Vermögen der Beklagten seien Anteile der Erstbeklagten an der näher bezeichneten Liegenschaft und die Mietrechte an dem mit Mietvertrag vom 7.3.1991 an die V***** untervermieteten Geschäftslokal. Es sei zu besorgen, daß die Beklagten die genannten Liegenschaftsanteile belasten oder an einen Dritten übertragen, so wie sie schon bisher alles unternommen hätten, um bei drohender Gefahr einer vermögensrechtlichen Inanspruchnahme unpfändbar zu sein. Das gleiche gelte für die Mietzinsforderung; es bestehe die dringende Gefahr, daß die Erstbeklagte diese Forderung durch eine Zession oder andere Maßnahmen dem Zugriff der klagenden Partei entziehe.
In ihrer Äußerung beantragten die Beklagten die Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung. Es sei nicht zu leugnen, daß die Ilse B*****Gesellschaft mbH im Sommer 1990 mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen gehabt habe. Der Steuerberater der Gesellschaft habe die Ansicht vertreten, das Finanzierungserfordernis für einen Weiterbetrieb des Unternehmens belaufe sich auf S 1.000.000,--. Ein derartiger Betrag sei im Kreditweg nicht mehr aufbringbar gewesen. Auf ein Angebot, sich an dem Unternehmen zu beteiligen, habe sich am 16.10.1990 Mladen D***** gemeldet, der sich im Abtretungsvertrag vom 16.11.1990 verpflichtet habe, S 1.000.000,-- in das Unternehmen einzubringen. Mladen D***** aber habe diesen Betrag nicht geleistet und sei schließlich unauffindbar gewesen. Der Lokalwechsel sei tatsächlich beabsichtigt gewesen und nur wegen der unterbliebenen Zahlung des Mladen D*****unterblieben.
Das Erstgericht wies das beantragte Veräußerungs- und Belastungsverbot (unter Hinweis auf § 379 Abs 4 EO) ab, bewilligte aber das begehrte Drittverbot. Es nahm auf Grund der vorgelegtenUrkunden den von der klagenden Partei vorgebrachten Sachverhalt als bescheinigt an und kam zum Ergebnis, es sei unter Berücksichtigung der festgestellten bisherigen Geschäftsführung der Beklagten wahrscheinlich, daß diese ohne die Erlassung einer einstweiligen Verfügung die Hereinbringung der Forderung der klagenden Partei vereiteln oder erheblich erschweren würden.
Das Rekursgericht wies auch den Antrag auf Erlassung eines Drittverbotes ab; es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach ständiger Rechtsprechung könnten die Gläubiger einer Gesellschaft mbH, deren Forderungen im Vermögen der Gesellschaft keine ausreichende Deckung gefunden haben, den Geschäftsführer nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB über Schadenersatz unmittelbar für ihren Schaden in Anspruch nehmen, der ihnen vom Geschäftsführer durch schuldhafte Verletzung eines Gesetzes, das gerade den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezwecke, verursacht worden sei. Die Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH hafteten demnach gegenüber den Gesellschaftsgläubigern im Rahmen der Durchgriffshaftung bei einem Verstoß gegen Gläubigerschutzvorschriften. Als derartige Verstöße kämen die Tatbestände der §§ 156 bis 159 StGB und ein Verstoß gegen § 69 KO in Betracht. Die Verletzung eines derartigen Schutzgesetzes aber sei von der klagenden Partei nicht behauptet worden und es sei auch nicht erkennbar, auf welche Verletzung einer Gläubigerschutzbestimmung sich der Anspruch der klagenden Partei auf Inanspruchnahme der Durchgriffshaftung gründe.
Der Revisionsrekurs der klagenden Partei ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Liegen die Voraussetzungen für die Konkurseröffnung vor, so ist diese nach § 69 Abs 2 KO ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit zu beantragen, wobei diese Verpflichtung den persönlich haftenden Gesellschafter einer Handelsgesellschaft und, wenn diese eine juristische Person ist, deren organschaftliche Vertreter, bei einer Gesellschaft mbH also den Geschäftsführer, trifft (§ 69 Abs 3 KO). Die Bestimmungen des § 69 KO sind im Sinne des § 1311 ABGB ein Schutzgesetz zugunsten aller durch die Konkurseröffnung geschädigten Gläubiger (SZ 60/179 mwH). Dem Rekursgericht ist zwar insoweit beizupflichten, daß die klagende Partei ein ausdrückliches Vorbringen darüber, daß ihr Schaden durch eine verspätete Konkursantragstellung verschuldet wurde, nicht erstattet hat; ein derartiger Vorwurf ergibt sich allerdings unmißverständlich aus dem Zusammenhang. Der als bescheinigt angenommene Umstand, daß der Zweitbeklagte bereits im März 1990 bevorstehende Zahlungsschwierigkeiten erkannt und sich deshalb bei der klagenden Partei um eine Änderung der Zahlungsbedingungen bemüht habe, die von der klagenden Partei hiefür genannte Voraussetzung, nämlich die Beibringung einer Bankgarantie, aber nicht habe schaffen können, wird durch das Vorbringen der Beklagten in ihrer Äußerung, sie hätten im Sommer 1990 mit erheblichen Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen gehabt; für den Weiterbetrieb des Unternehmens wären S 1.000.000,-- erforderlich gewesen, doch sei ein derartiger Betrag im Kreditweg nicht mehr aufbringbar gewesen, mehr als bescheinigt - kommt doch damit geradezu das Eingeständnis einer zu diesem Zeitpunkt bestehenden Zahlungsunfähigkeit zum Ausdruck. Daß die Ilse B***** Gesellschaft mbH im Sommer 1990 offensichtlich tatsächlich zahlungsunfähig war, ist auch aus dem Umstand zu schließen, daß jener Betrag, hinsichtlich dessen die klagende Partei in der Folge beim Handelsgericht Wien ein rechtskräftiges Urteil erwirkt hat, zu dieser Zeit aufgelaufen ist (wie auch demUrteil des Handelsgerichtes Wien vom 15.7.1991 zu entnehmen ist). Daß die Beklagten die Lage ihres Unternehmens schließlich endgültig als aussichtslos erkannt haben und nur mehr bestrebt waren, es zu "beenden", ergibt sich aus dem als bescheinigt angenommenen Totalabverkauf, der Anfang Oktober 1990 durchgeführt wurde, und der am 5.11.1990 von den Vermietern des Geschäftslokals den Beklagten eingeräumten Möglichkeit, das Bestandobjekt unterzuvermieten - eine Möglichkeit, die bald danach realisiert werden konnte. Damit aber bestand die Gesellschaft aus einer leeren Hülse. Daß auch diese Hülse nahezu zur Gänze veräußert wurde, ist nach den gegebenen Umständen bereits ohne weitere Bedeutung.
Die Beklagten wären daher nach dem bescheinigten Sachverhalt schon im Spätsommer 1990 verpflichtet gewesen, die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen ihrer Gesellschaft zu beantragen. Dadurch, daß sie einen derartigen Antrag unterlassen (und das Unternehmen faktisch aufgelöst) haben, haben sie gegen die Schutzbestimmung des § 69 Abs 2 KO verstoßen.
Die klagende Partei hat damit den behaupteten Anspruch bescheinigt.
Mit dem bescheinigten Verhalten der Beklagten hat die klagende Partei auch eine Gefährdung ihres Anspruches im Sinne des § 379 Abs 2 Z 1 EO bescheinigt. Es ist zwar richtig, daß eine einstweilige Verfügung nach dieser Bestimmung nur dann bewilligt werden darf, wenn konkrete Umstände bescheinigt sind, die es wahrscheinlich machen, daß durch das Verhalten des Gegners die Hereinbringung der Forderung vereitelt oder erheblich erschwert würde. Die im Gesetz erwähnten konkreten Gefährdungshandlungen sind aber nur beispielsweise aufgezählt (Heller-Berger-Stix 2706). Die subjektive Gefährdung ist schon dann anzunehmen, wenn Eigenschaften und ein Verhalten des Gegners der gefährdeten Partei bescheinigt werden, die ihn in einem Licht zeigen, aus dem sich die hohe Wahrscheinlichkeit der Vornahme von Vereitlungshandlungen ableiten läßt (EvBl 1968/363; Heller-Berger-Stix aaO). Das bescheinigte Verhalten der Beklagten - gänzliche Beendigung des Betriebs ihres Unternehmens ohne entsprechende Verständigung der klagenden Partei, von der dieser Betrieb weitestgehend abhängig war, Veräußerung des wesentlichen Teils der Unternehmenshülse an einen nicht greifbaren Dritten - macht auch die Vornahme von Vereitlungshandlungen im Sinne des § 379 Abs 2 Z 1 EO wahrscheinlich.
Die Entscheidung des Erstgerichtes war aus diesem Grund wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 393 EO.
Eine Revisionsrekursbeantwortung ist im vorliegenden Fall nicht vorgesehen (§ 402 EO).
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