OGH 3Ob77/92

OGH3Ob77/9214.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Klinger, Dr.Angst und Dr.Graf als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Gemeinde E*****, vertreten durch Dr.Reinhard Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die verpflichtete Partei S*****Krankenanstalten Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Christian Gass und Dr.Alexander Sutter, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 271.152,80 sA, infolge Rekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 10.Juli 1992, GZ 4 R 324/92-7, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 17.März 1992, GZ 10 E 5364/92-1, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die betreibende Gemeinde beantragte, ihr gegen die verpflichtete "St*****Krankenanstalten Gesellschaft mbH" auf Grund des vollstreckbaren Rückstandsausweises vom 5.März 1992 über Abgaben für Müllabfuhr im Jahr 1990 zur Hereinbringung der Gesamtforderung von S 271.152,80 die Fahrnisexekution zu bewilligen.

Das Erstgericht bewilligte die Exekution. Sie wurde durch die voraussichtlich Deckung bietende Pfändung der EDV-Anlage in den Büroräumlichkeiten der verpflichteten Partei am 14.Mai 1992 vollzogen.

Mit ihrem Rekurs gegen den Exekutionsbewilligungsbeschluß legte die verpflichtete Gesellschaft mbH einen Telefaxausdruck des Bescheides der Steiermärkischen Landesregierung vom 27.November 1985 vor, wonach über Antrag der nun verpflichteten Gesellschaft nach § 7 iVm den §§ 20, 21, 22, 23 und 34 des Steiermärkischen KrankenanstaltenG LGBl Stmk 1957/78 idgF die sanitätsbehördliche Bewilligung für die Übertragung der Rechtsträgerschaft (vom Land Steiermark) auf diese Gesellschaft mit Wirkung vom 1.Jänner 1986 unter anderem auch für das öffentliche Landes-Lungenkrankenhaus H***** (das in der betreibenden Gemeinde liegt) erteilt und festgestellt wurde, daß die von der Gesellschaft mit zentraler Verwaltung geführten 21 Krankenanstalten samt den angeschlossenen Betrieben iSd § 22 des Steiermärkischen KrankenanstaltenG gemeinnützig betrieben werden und (bis auf einen hier nicht betroffenen) auch weiterhin das Öffentlichkeitsrecht besitzen.

Die verpflichtete Partei meinte in ihrem Rekurs, es sei als gerichtsbekannt vorauszusetzen, daß sie mit zentraler Verwaltung die von der Verwaltungsbehörde als öffentlich und gemeinnützig erklärten Landeskrankenanstalten betreibe und daher den Schutz des § 15 EO genieße. Das Erstgericht habe die Exekution bewilligt, ohne die Erklärung der zuständigen staatlichen Verwaltungsbehörden einzuholen. Bei einer Verwertung der gepfändeten Zentralrecheneinheit breche die Verwaltung aller Landeskrankenanstalten des Landes Steiermark zusammen.

Das Rekursgericht hob über diesen Rekurs den Exekutionsbewilligungsbeschluß mit dem Auftrag auf, über den Antrag nach Einholung der Erklärungen der Verwaltungsbehörden erneut zu entscheiden. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt.

Das Rekursgericht meinte, die Vorschrift des § 15 EO sei amtswegig und schon dann zu beachten, wenn sich aus einem Exekutionsantrag Anhaltspunkte dafür ergeben, daß es sich bei der verpflichteten Partei um eine den Gemeinden gleichgestellte, durch Ausspruch einer Verwaltungsbehörde als öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalt handle, gegen die eine Exekution zur Hereinbringung von Geldforderungen nur in Ansehung solcher Vermögensbestandteile bewilligt werden darf, welche ohne Beeinträchtigung der durch die Anstalt zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden können. Das Erstgericht habe daher abzuklären gehabt, ob die verpflichtete Gesellschaft mbH den Exekutionsschutz des § 15 EO in Anspruch nehmen könne, und, weil dies der Fall sei, wenn sich die Exekution in Wahrheit letztlich gegen die zu schützenden Anstalten wende, die Erklärung der Verwaltungsbehörde nach § 15 EO einzuholen und erst nach Vorliegen dieser Erklärung über den Fahrnisexekutionsantrag zu entscheiden.

Die betreibende Partei wendet sich mit ihrem Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen die Rechtsansicht des Rekursgerichtes und strebt die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Exekutionsbewilligungsbeschlusses an. Auf eine Kapitalhandelsgesellschaft finde § 15 EO keine Anwendung. Es fehle an einem Ausspruch der Verwaltungsbehörde iSd § 3 der Verordnung vom 6. Mai 1897, RGBl 1897/153, weil in dem Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27.November 1985 nur festgestellt wurde, daß die Landeskrankenanstalten gemeinnützig betrieben werden und ihnen das Öffentlichkeitsrecht zukomme, nicht aber, daß die Betreibergesellschaft als öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalt gelte. Die verpflichtete Partei verfolge das Ziel, sich der Berichtigung der Zahlung der Müllabfuhrgebühren zu entziehen und damit öffentliche Funktionen der betreibenden Gemeinde zu gefährden, obwohl nach ihrem Gesellschaftsvertrag das Land Steiermark allfällige Abgänge der verpflichteten Gesellschaft mit Jahresende abzudecken habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist wegen Fehlens einer Rechtsprechung zu der Frage der Anwendbarkeit des § 15 EO auf Gesellschaften mbH, denen die Rechtsträgerschaft für öffentliche Krankenanstalten übertragen ist, zulässig.

Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Entscheidend ist zunächst, ob das Erstgericht schon bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag ausreichende Hinweise vorfand, daß es sich bei der verpflichteten Partei um eine durch den Ausspruch einer Verwaltungsbehörde als öffentlich und gemeinnützig erklärte "Anstalt" handeln könne. Andernfalls hatte das Erstgericht die Exekution ohne Beschränkung auf die Vermögensbestandteile zu bewilligen, welche ohne Beeinträchtigung der von der verpflichteten Partei zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung der betreibenden Partei verwendet werden können. Das erst im Rekurs der verpflichteten Partei Vorgebrachte wäre als unzulässige Neuerung nicht zu beachten und die verpflichtete Partei darauf zu verweisen, daß nach § 39 Abs 1 Z 4 EO die Exekution auf Antrag oder auch von Amts wegen (§ 39 Abs 2 Satz 1 EO) unter Aufhebung aller bis dahin vollzogenen Exekutionsakte einzustellen ist, wenn die Exekution gegen eine als öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalt gemäß § 15 EO für unzulässig erklärt wurde, wenn also mit dem Bescheid der Verwaltungsbehörde rechtskräftig entschieden ist, daß kein Vermögensbestandteil ohne Beeinträchtigung der zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung der betreibenden Partei verwendet werden kann. Soweit die Bezirksverwaltungsbehörde nur einzelne Vermögensbestandteile als unverzichtbar erklärt, wäre die Exekution auf die übrigen Vermögensbestandteile einzuschränken (Heller-Berger-Stix 295).

Der erkennende Senat hat vor kurzer Zeit in der Entscheidung vom 10. Juli 1991 zu 3 Ob 88/90, dort allerdings bei einer Forderungsexekution gegen eine Gemeinde nach Einstellung der Fahrnisexekution in Einklang mit der neueren Lehre (Fasching, Konkurs, Ausgleich und Zwangsvollstreckung bei Gemeinden 107; Rechberger-Simotta, Exekutionsverfahren Rz 34 und 226; Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht3, 56; Traxler, Exekution, ÖGZ 1982, 389; Rebhahn-Strasser, Zwangsvollstreckung und Insolvenz bei Gemeinden, 133) die Ansicht abgelehnt, die Exekution dürfe unter dem Vorbehalt der Einschränkung nach § 15 EO bewilligt und erst dann die Erklärung der Verwaltungsbehörde eingeholt werden, welche Vermögensstücke ohne Beeinträchtigung der zu wahrenden öffentlichen Interessen zur Befriedigung des Gläubigers verwendet werden können (so Heller-Berger-Stix 294 f; JME Zl 11.437/35 in Angst-Jakusch-Pimmer, EO12 Anm 7 zu § 15 EO). Bis zum Vorliegen der verwaltungsbehördlichen Entscheidung iSd § 15 EO ist davon auszugehen, daß die Vermögensstücke der Gemeinde (Anstalt) der Exekution nach § 15 EO entzogen sind. Das Gericht hat daher mit der Bewilligung der Exekution zuzuwarten, bis der amtswegig einzuholende Feststellungsbescheid der Verwaltungsbehörde vorliegt.

Es kommt daher darauf an, ob es sich bei der verpflichteten Partei um ein unter § 15 EO fallendes Rechtssubjekt handelt. Bei der Exekution gegen Gemeinden wird sich dies schon aus der Bezeichnung desjenigen, wider den Exekution geführt werden soll (§ 54 Abs 1 Z 1 EO), und aus dem Exekutionstitel ergeben. Dagegen muß bei einer Anstalt die Anwendbarkeit des § 15 EO keinesfalls ebenso klar erkennbar sein. Der betreibende Gläubiger wird, selbst wenn ihm dies bekannt ist, im Exekutionsantrag nicht angeben, daß der verpflichteten Partei durch einen Ausspruch der Verwaltungsbehörde Öffentlichkeit und Gemeinnützigkeit zuerkannt wurde, es sei denn, er hätte sich die eine Exekutionsführung eröffnende Erklärung der Verwaltungsbehörde bereits beschafft. Die Exekution darf aber erst gar nicht bewilligt werden, wenn die Exekution gegen eine Gemeinde oder gleichgestellte "Anstalt" geführt wird und die Erklärung der Verwaltungsbehörde noch aussteht.

Aus dem Zweck der Vorschrift des § 15 EO, bei der Exekutionsführung "auf Vermögen, welches öffentliche Funktionen zu erfüllen hat oder sonst Gemeinzwecken dient, dem Gemeininteresse durch wirksame Mittel Schutz zu sichern" (Mat I, 472 in Heller-Berger-Stix 290), folgt, daß das Gericht schon Hinweisen nachzugehen hat, die eine Gefährdung des Schutzzweckes der Norm andeuten, und schon dann vor der Entscheidung über die Exekutionsbewilligung klarzustellen hat, ob der verpflichteten Partei durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde die Gleichstellung mit einer Gemeinde verschafft wurde.

Durch § 15 EO wird zwar die Exekution gegen den Bund und die Länder nicht beschränkt (die in ZBl 1934/333 ohne nähere Begründung gegenteilige vertretene Meinung wurde schon von Petschek aaO abgelehnt), doch auch vom Bund oder einem Land geführte öffentliche und gemeinnützige Anstalten genießen den Schutz des § 15 EO (Heller-Berger-Stix 292 und 296 f), weil den Gemeinden alle Anstalten gleichgestellt sind, die durch Ausspruch einer Verwaltungsbehörde als öffentlich und gemeinnützig erkannt wurden.

Die Rechtsmittelwerberin meint selbst, daß einer öffentlichen Krankenanstalt der Schutz des § 15 EO zukäme. Sie übersieht aber, daß der "Krankenanstalt" - hier betroffen ist das "Landes-Lungenkrankenhaus H*****" - die Rechtspersönlichkeit fehlt und Partei des Exekutionsverfahrens daher der zuständige Rechtsträger sein kann, also das Land oder hier die verpflichtete Gesellschaft mbH.

Nach § 20 des Steiermärkischen LandeskrankenanstaltenG - KALG LGBl Stmk 1957/78 idgF sind unter öffentlichen Krankenanstalten solche zu verstehen, denen das Öffentlichkeitsrecht verliehen worden ist. Das Öffentlichkeitsrecht kann einer Krankenanstalt nur verliehen werden, wenn sie gemeinnützig ist ... und wenn sie vom Bund, einem Bundesland, einer Gemeinde, einer sonstigen Körperschaft öffentlichen Rechtes, einer Stiftung, einem öffentlichen Fonds, einer anderen juristischen Person oder einer Vereinigung juristischer Personen verwaltet und betrieben wird (§ 21 KALG). Unter den Voraussetzungen des § 22 KALG ist die Krankenanstalt als gemeinnützig zu betrachten. Das Öffentlichkeitsrecht wird nach § 23 Abs 1 KALG von der Landesregierung verliehen. Die Verleihung ist im Amtsblatt zu verlautbaren.

Die Landesregierung hat die Rechtsträgerschaft schon im Jahr 1985 auf die zu diesem Zweck errichtete verpflichtete Gesellschaft mbH übertragen und festgestellt, daß den von dieser Gesellschaft betriebenen Krankenanstalten weiter Gemeinnützigkeit und Öffentlichkeitsrecht zukommt. Gesellschaften mit beschränkter Haftung können zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden (§ 1 Abs 1 GmbHG). Nur von dem Betriebe von Versicherungsgeschäften und von der Tätigkeit als politische Vereine sind sie ausgeschlossen (§ 1 Abs 2 GmbHG). Zweck einer Gesellschaft mbH, die als Handelsgesellschaft stets eine juristische Person ist, braucht kein kommerzieller sein (EvBl 1970/43), es kann sich um jeden erlaubten Zweck handeln (vgl auch § 1 Abs 1 WGG, wonach Bauvereinigungen in den Rechtsformen einer Genossenschaft, einer Gesellschaft mbH und einer Aktiengesellschaft von der Landesregierung als gemeinnützig anzuerkennen sind, wenn sie die Bedingungen des WGG erfüllen).

Auch jeder andere Rechtsträger einer gemeinnützigen und öffentlichrechtlichen Krankenanstalt genießt den Schutz (Heller-Berger-Stix 292; vgl auch GlUNF 2718). Wenn ein Land zum Zwecke des Betriebes und der Verwaltung der öffentlichen und gemeinnützigen Krankenanstalten eine Gesellschaft mbH errichtet und als Verwaltungsbehörde ihr die Rechtsträgerschaft über diese Krankenanstalten überträgt und auch noch feststellt, daß die Anstalten als gemeinnützig und öffentlich erklärt wurden, kommt die Exekutionsbeschränkung gemäß dem durch § 15 EO beabsichtigten Ziel auch dem Rechtsträger zu, der zwar nicht selbst "Anstalt" ist, aber diese keine Rechtspersönlichkeit besitzenden Anstalten führt. Es kommt nicht darauf an, ob die Krankenanstalt in ihrem eigenen Vermögen betroffen oder bedroht ist; maßgebend ist vielmehr die Gefährdung ihres Betriebes durch die Exekution auf das ihr dienende Vermögen.

Um aus dem Exekutionsantrag entnehmen zu können, daß die Anwendbarkeit des § 15 EO naheliegt, bedurfte es nicht des Wissens um die Übetragung der Rechtsträgerschaft für zahlreiche Landeskrankenanstalten auf die verpflichtete Gesellschaft mbH. Allein schon die Firma der Gesellschaft weist darauf hin, daß es sich nicht um eine Kapitalhandelsgesellschaft ohne Bezug auf für öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalten handelt, sondern daß ihr die Verwaltung der Krankenanstalten zukommt. Dies reichte aus, um amtswegig durch Anfrage an die Landesregierung zu klären, ob es sich um den Rechtsträger von für gemeinnützig und öffentlich erklärten Anstalten handelt, die dann den Sachverhalt ergeben hätte, den das Rekursgericht zugrunde legte. Insoweit liegt kein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vor.

Dann aber muß als zweiter Schritt vor der Entscheidung über den Exekutionsantrag amtswegig die Entscheidung der (Bezirks-)Verwaltungsbehörde iSd § 15 EO und der Verordnung RGBl 1897/153 folgen.

Die von der Rechtsmittelwerberin vorgetragenen Ausführungen über die Zahlungsunwilligkeit der Schuldnerin ändern an diesem Ergebnis der rechtlichen Beurteilung nichts, weil jedenfalls auch dann verhindert werden muß, daß Vermögensstücke der "Anstalt" bzw ihres Rechtsträgers durch Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung betroffen werden, die zur Wahrung der öffentlichen Interessen unentbehrlich sind, wenn ihr als Gläubiger eine Gemeinde gegenübersteht, die sich ihrerseits auf die Behinderung der ihr aufgetragenen öffentlichen Aufgaben beruft.

Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels hat die betreibende Partei selbst zu tragen.

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