OGH 5Ob126/92

OGH5Ob126/9213.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Schwarz, Dr.Jelinek und Dr.Floßmann als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragsteller 1. Dipl.Ing.Anton V*****, 2. Herta V*****, beide D*****straße 59/2/7, beide vertreten durch Dr.Wolfgang Wilfing, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1. Ing.Georg T*****, Stiege I/4, 5, 2. Johanna T*****, ebendort, 3. Abdul F*****, Stiege II/1, 4. Hiroko Tsubai F*****, ebendort, 5. Vojislav M*****, Stiege II/2, 6. Ljiljana M*****, ebendort, 7. Dr.Robert Peter B*****, Stiege II/3, 8. Dr.Erwin R*****, Stiege II/4, 9. Ilse B*****, Stiege III/10,

10. Mag.Mechthild Y*****, Stiege III/2, 11. Dr.Otto D*****, Stiege III/3, 12. Herta D*****, ebendort, 13. Dipl.Ing.Alfred S*****, Stiege III/4, 14. Erna S*****, ebendort, 15. Dr.Heinz M*****, Stiege III/6, unter Beteiligung folgender weiterer Miteigentümer der Liegenschaft

16. Dr.Helmuth S*****, Stiege III/7, 17. Dr.Iphigenia B*****, Stiege I/7, 18. Dipl.Ing.Dieter S*****, Stiege I/8, 19. Johann R*****, Stiege II/5, 20. Dkfm.Ingeborg R*****, ebendort, 21. U*****gesellschaft mbH, L*****gasse 5, ***** Wien, (Stiege I/2),

22. Gregor Z*****, Stiege I/9, 23. Elisabeth Z*****, ebendort, 24. Helmut B*****, Stiege I/6, 25. Brigitte B*****, ebendort, 26. Dkfm.Dr.Friedrich G*****, ***** Wien, F***** 6/11, betreffend Stiege I/1, 27. Dr.Thomas M*****, Stiege I/3, 28. Tsung-Hsi C*****, Stiege II/6, 29. Yuea-Hsiang C*****, ebendort, 30. Dkfm.Franz G*****, Stiege I/10, sämtliche Wohnungen in ***** Wien, D*****straße 59, 8. Antragsgegner vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien,

10. bis 12. Antragsgegner vertreten durch Dr.Lothar Schottenhamml, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 26 Abs 1 Z 2 und 3 WEG; § 13 Abs 2 und § 14 Abs 3 WEG (Duldung der Errichtung eines Aufzuges) infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 18. Februar 1992, GZ 41 R 75/92-30, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 27.August 1991, GZ 8 Msch 22/90-23, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Die Parteien dieses Verfahrens sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** P*****, auf der drei Wohnhäuser stehen. Mit den Anteilen der Antragsteller ist Ehegatten-Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 7 im Haus D*****straße 59/II verbunden; im selben Haus liegen außerdem noch die Wohnungen der Antragsgegner Dr.R*****, Mag.B*****, R*****, M*****, C***** und F*****.

Die Antragsteller wollen auf einer allen Miteigentümern zur Verfügung stehenden Grünfläche im Südwesten des von ihnen bewohnten Hauses einen hydraulischen Aufzug errichten, der in einem campanileartigen Turm untergebracht ist und vom Kellergeschoß zur Terrasse ihrer Wohnung führen soll. Mit dem Versprechen, für sämtliche Kosten dieses Aufzuges aufzukommen, eine völlig geräuschlose Ausführung zu wählen und den völlig freistehenden Turm so zu plazieren, daß er von keinem Fenster bzw. Balkon der Wohnungsanlage eingesehen werden kann, haben sie sich um die Zustimmung der anderen Mit- und Wohnungseigentümer bemüht, die Mehrheit der Anteile jedoch nicht auf sich vereinigen können. Vor allem die unmittelbaren Nachbarn der Antragsteller sprachen sich gegen das Projekt aus. Die Antragsteller haben deshalb den Außerstreitrichter angerufen und gemäß § 26 Abs 1 Z 2 oder 3 WEG eine die fehlende Zustimmung der Miteigentümer ersetzende Entscheidung begehrt.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Es entnahm den vorgelegten Plänen vom 15.September 1978, daß zur Unterbringung des Aufzugs ein Turm mit unterirdischem Triebwerksraum errichtet werden soll, der keinerlei Verbindung mit den Außenmauern des Hauses D*****straße 59/II hat, sondern einen Abstand von 2 bis 3 cm zum Haus haben soll. Der Lift wäre vom Kellergeschoß und von der Terrasse der Wohnung Nr. 7 aus zugänglich. Er wäre ausschließlich von den Antragstellern zu benützen. In rechtlicher Hinsicht wertete das Erstgericht die geplante Baumaßnahme als nützliche Verbesserung der Liegenschaft, die im Sinne des § 14 Abs 3 WEG der Zustimmung aller Miteigentümer der Liegenschaft oder mit den Einschränkungen des Abs 3 Z 2 und 3 leg cit zumindest der Zustimmung der Mehrheit bedürfte. Da die Antragsteller nicht einmal die Anteilsmehrheit für ihr Vorhaben gewinnen konnten, komme eine ihrem Begehren stattgebende Entscheidung nicht in Betracht.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Das Wohnungseigentum sei das den Miteigentümern einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbständige Wohnung oder Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen. Zu diesem Verfügungsrecht des Wohnungseigentümers gehöre grundsätzlich auch die Befugnis, auf seine Kosten Änderungen an der Wohnung vorzunehmen (§ 13 Abs 2 WEG). Je mehr eine solche Änderung in die Rechte anderer Miteigentümer eingreift, desto geringer werde die Verfügungsfreiheit des einzelnen. § 13 Abs 2 WEG sehe hiefür eine Abstufung vor, die darauf abstellt, ob Änderungen nur innerhalb der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung erfolgen (Z 1), ob sie auch die Heranziehung allgemeiner Teile der Liegenschaft erfordern (Z 2 und 4) oder ob gar im Wohnungseigentum anderer Miteigentümer stehende Teile der Liegenschaft mitbetroffen werden (Z 3, 4 und 5). Sonstige Änderungen an Teilen der Liegenschaft, an denen Wohnungseigentum nicht besteht, hätten sich nach § 14 Abs 1 und 3 WEG, sonst nach §§ 834 und 835 ABGB zu richten (Meinhart, Das WEG 1975, Anm. 6.2 zu § 13).

Die damit angesprochene Verwaltungshandlung - die die gemeinsame Liegenschaft und nicht bloß das einzelne Wohnungseigentumsobjekt im Sinne des § 13 Abs 1 und 2 WEG betrifft - sei dadurch gekennzeichnet, daß sie sich als Maßnahme einer Geschäftsführung im Interesse aller Teilhaber der Gemeinschaft darstellt oder zumindest vorgibt, eine Maßnahme im Interesse aller Teilhaber zu sein (MietSlg. 25.046; 5 Ob 67/85). Im gegenständlichen Fall würden von den geplanten Baumaßnahmen ausschließlich allgemeine Teile der Liegenschaft betroffen, ohne daß die Antragsteller überhaupt vorgebracht hätten, sie sei mit einem Nutzen für die übrigen Miteigentümer verbunden. Damit liege überhaupt keine als Verwaltung des Miteigentums (der Liegenschaft) im Sinne des § 14 Abs 3 WEG zu qualifizierende Maßnahme vor.

Richtigerweise könne das Begehren der Antragsteller nur so verstanden werden, daß es ihnen um die Durchsetzung einer Verwaltungsmaßnahme im Sinne des § 13 Abs 2 WEG geht, doch sei auch dieser Tatbestand einer Änderung der in ihrem Wohnungseigentum stehenden Wohnung nicht erfüllt. Da es sich sowohl bei der Außenwand des Hauses als auch beim Stiegenhaus und bei der Terrassenbrüstung um allgemeine Teile des Hauses handle (Meinhart aaO, Anm. 6.1 zu § 13), könnte weder in der Durchbrechung der Außenmauer des Hauses noch im Umbau des Stiegenhauses zur Unterbringung des Aufzugsschachtes, geschweige denn in der bloßen Verbindung des Aufzugsturmes mit der Wohnungsterrasse der Antragsteller zwecks Ermöglichung des Ausstieges eine Änderung der Wohnung erblickt werden. Gegenüber den Regeln der Verwaltung des schlichten Miteigentums (§§ 833 f ABGB) habe § 13 WEG die Ausübung des verdinglichten alleinigen Nutzungsrechtes des Wohnungseigentümers konkreter festgelegt und mit Rücksicht auf die Interessen der anderen Miteigentümer begrenzt. So wie ein nutzungsgeregelter schlichter Miteigentümer nicht zu Baumaßnahmen auf allgemeinen Teilen der Liegenschaft befugt sei, ermögliche auch § 13 Abs 2 WEG solche Baumaßnahmen nicht, solange sie nicht bloß untergeordnete Folge einer Veränderung des Wohnungseigentumsobjektes sind.

Die von den Antragstellern geplante, nur in ihrem Interesse gelegene Maßnahme - womit selbst die Möglicheit einer Majorisierung im Sinne des § 14 Abs 3 WEG entfalle - , sei nur mit Zustimmung sämtlicher Miteigentümer möglich. Im Ergebnis zu Recht habe daher das Erstgericht den Sachantrag abgewiesen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies damit, daß die Abgrenzung von Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung (§ 13 Abs 2 WEG) gegenüber Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft im Interesse eines einzelnen Wohnungseigentümers einer Klarstellung durch das Höchstgericht bedürfe. Zu bedenken sei dabei, daß ein nicht verallgemeinerungsfähiger Sonderfall einer Inanspruchnahme allgemeiner Teile des Hauses durch einen einzelnen Wohnungseigentümer, nämlich die Anbringung einer Antennenanlage, durch § 13 Abs 2 Z 2 letzter Teilsatz WEG positiv-rechtlich geregelt ist.

Gegen den zweitinstanzlichen Sachbeschluß haben die Antragsteller fristgerecht Revisionsrekurs mit dem Antrag erhoben, ihn entweder im Sinne einer Stattgebung ihres ursprünglichen Begehrens abzuändern oder aber aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung zurückzuverweisen. Begründet wird dieses Begehren in erster Linie damit, daß eine Grenzziehung zwischen Änderungen an der Wohnung und Änderungen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft - wie das vom Rekursgericht selbst erwähnte Beispiel der Anbringung einer Antenne für den Hörfunk- und Fernsehempfang zeige - nicht sinnvoll sei. Auch in anderen Bereichen des Wohnrechtes würden der Errichtung von Aufzügen - vor allem der Errichtung von Behindertenaufzügen - keine Hindernisse in den Weg gelegt. Der darin zum Ausdruck kommende Gedanke einer besseren Versorgung der Wohnungsbenützer lasse sich auch aus § 13 Abs 2 Z 2 WEG herauslesen, wonach etwa die Errichtung von Licht-, Gas-, Kraft-, Wasser- und Fernsprechleitungen sowie von ähnlichen Einrichtungen nicht deswegen untersagt werden kann, weil sie auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch nimmt.

Vom 8. Antragsgegner liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, die zweitinstanzliche Entscheidung zu bestätigen.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig und erweist sich auch als berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekursgericht ist beizupflichten, daß das Begehren der Antragsteller eine Entscheidung im Sinne des § 13 Abs 2 WEG (§ 26 Abs 1 Z 2 WEG) verlangt und nicht als Maßnahme der Verwaltung der Liegenschaft im Sinne des § 14 Abs 3 WEG gedeutet werden kann. Insoweit bedürfen seine Rechtsausführungen weder einer Berichtigung noch einer Ergänzung. Nicht zu folgen ist dem Rekursgericht jedoch in der Auffassung, daß mangels baulicher Veränderung der den Antragstellern zur ausschließlichen Nutzung überlassenen Wohnung der Tatbestand des § 13 Abs 2 Z 2 WEG gar nicht erfüllt sein kann. Schon der Gesetzeswortlaut, der bloße Widmungsänderungen in die Regelung des Interessengegensatzes zwischen individueller Verfügungsmacht und Rechten der Eigentümergemeinschaft einbezieht, macht deutlich, daß der Gesetzgeber den Begriff der Änderung des Wohnungseigentumsobjektes nicht allein auf bauliche Umgestaltungen beschränken wollte. Dieser Begriff ist daher sehr weit auszulegen (Faistenberger-Barta-Call, Kommentar zum WEG 1975, Rz 6 zu § 13). Er umfaßt nach der Judikatur beispielsweise auch die Änderung des Gegenstandes oder der Betriebsform eines im Wohnungseigentumsobjekt betriebenen Unternehmens (vgl. MietSlg. 40/16; WoBl. 1991, 142/90; 5 Ob 1028/92).

Folgerichtig wird § 13 Abs 2 Z 1 WEG als demonstrative Aufzählung jener Kriterien verstanden, die eine Änderung einzelner Wohnungseigentumsobjekte unabhängig davon unzulässig machen, welche Teile der Liegenschaft davon nachteilig betroffen werden (MietSlg. 30/28; MietSlg. 33/29; MietSlg. 35.606; MietSlg. 38.626 ua). In diesselbe Richtung weist, daß eine Änderung des festgesetzten Nutzwertes einer Wohnung - durch welche baulichen Vorgänge auf der Liegenschaft sie auch immer herbeigeführt worden sein mag (siehe § 3 Abs 2 Z 3 WEG) - für sich allein einer Verfügung des einzelnen Wohnungseigentümers im Sinne des § 13 Abs 2 WEG zwar nicht entgegensteht (WoBl. 1991, 175/108), bei der Prüfung der Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer aber doch zu berücksichtigen ist (vgl. WoBl. 1990, 49/29). Daß der einzelne Wohnungseigentümer in Ausübung seines Verfügungsrechtes über die ihm zur ausschließlichen Nutzung überlassene Wohnung gemeinsame Teile der Liegenschaft nur dann in Anspruch nehmen könnte, wenn er zugleich auch die Wohnung baulich verändert, läßt sich daher aus § 13 Abs 2 WEG, insbesondere auch aus dem ersten Halbsatz der Z 2 leg cit nicht herauslesen. Schon das Rekursgericht hat darauf hingewiesen, daß diesfalls die Anbringung von Antennen an der Außenfassade oder auf dem Dach eines Hauses mit dem individuellen Verfügungsrecht des einzelnen Wohnungseigentümers nicht zu rechtfertigen wäre. Ähnliches trifft auf die gleichfalls im § 13 Abs 2 Z 2 WEG erwähnte Errichtung von Fernsprechleitungen zu. Die Judikatur hat daher auch schon entschieden, daß etwa die Anbringung von Geschäftsschildern an der Außenfassade des Hauses oder der Hinweis auf eine Arztordination an der Balkonbrüstung dem § 13 Abs 2 WEG zu unterstellen ist (vgl. MietSlg. 35.610). Auch die Versetzung des Eingangs in ein Geschäftslokal von der Straße in den Hausflur wurde als Änderung des Wohnungseigentumsobjektes im Sinn des § 13 Abs 2 WEG qualifiziert, ohne daß näher untersucht worden wäre, ob die Umbaumaßnahmen über eine Durchbrechung bzw. Verschließung der Außenmauer des Gebäudes hinausgegangen sind (vgl. MietSlg. 38.627).

Im gegenständlichen Fall wollen die Antragsteller ein Bauvorhaben verwirklichen, das bei der gebotenen weiten Auslegung des fraglichen Gesetzesbegriffes ebenfalls mit einer Änderung ihres Wohnungseigentumsobjektes einhergeht: Ihre Wohnung erhält einen weiteren Zugang über die Terrasse, was angesichts der geltend gemachten Gehbehinderung der 2. Antragstellerin die Nutzbarkeit des Objektes auch ohne dessen bauliche Umgestaltung deutlich erhöht und damit ändert. Es liegen damit Voraussetzungen vor, wie sie der Gesetzgeber auch für die bereits angesprochene Herstellung eines Fernsprechanschlusses oder Anbringung einer Außenantenne genügen läßt. Ob die Antragsteller für die Errichtung des Aufzuges die der allgemeinen Nutzung gewidmete Grünfläche vor dem Haus D*****straße 59/II in Anspruch nehmen dürfen, wird daher nach Maßgabe des § 13 Abs 2 WEG noch zu prüfen sein. Da dies wegen abweichender Rechtsansichten der Vorinstanzen bisher nicht geschehen ist, war wie im Spruch zu entscheiden.

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