OGH 11Os110/92(11Os111/92)

OGH11Os110/92(11Os111/92)13.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 1992 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Rzeszut, Dr. Hager und Dr. Schindler als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hadler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helmut S***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil und den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 11. Juni 1992, GZ. 33 Vr 1590/91-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Aus Anlaß der kassatorischen Entscheidung wird auch der Beschluß des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 11. Juni 1992, GZ 33 Vr 1590/91-44, mit welchem die bedingte Nachsicht der mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 22. Februar 1991, GZ 26 Vr 1942/90-51, verhängten zehnmonatigen Teil-Freiheitsstrafe widerrufen wurde, aufgehoben.

Mit seiner Beschwerde wird der Angeklagte auf diese kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut S***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB schuldig erkannt, weil er in der Nacht vom 9. auf den 10. Oktober 1991 in Linz im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten und rechtskräftig verurteilten Alfred B***** durch Aufbrechen der Eingangstür des Gebäudes Mozartstraße 43 sowie durch Aufbrechen von Bürotüren und Schreibtischen 70 S zum Nachteil der Firma P***** und weiters 35.000 S sowie ein Diktiergerät im Wert von 1.500 S zum Nachteil der Firma I*****, somit fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert, Verfügungsberechtigten der genannten Firmen mit dem Vorsatz weggenommen habe, sich oder Alfred B***** durch die Zueignung dieser Sachen unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Den Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, welcher schon aus folgenden Gründen Berechtigung zukommt:

Helmut S***** releviert - auch im zweiten Rechtsgang - zutreffend, daß seine Verantwortung, die Urteilstaten nicht begangen zu haben und von Alfred B***** "aus Rache" wegen einer Diebstahlsanzeige "verleumdet" zu werden (Seite 295), von den Tatrichtern formal unzureichend verworfen worden sei.

Es liegt in der Natur der Sache, daß in Fällen, in denen Aussage gegen Aussage steht und keine oder doch nur minder bedeutsame objektive Verfahrensergebnisse zur Beurteilung zur Verfügung stehen, welcher Darstellung die höhere Glaubwürdigkeit gebührt, auch bloß Begleitumstände der Tat betreffende Abweichungen und Widersprüche in der Sachverhaltsschilderung erhöhte Bedeutung verdienen (vgl. 11 Os 31/85). Dieser Erkenntnis Rechnung tragend hätte sich daher das Erstgericht zwecks Vermeidung eines formalen Begründungsmangels nicht nur mit den in der Nichtigkeitsbeschwerde aktengetreu zitierten mehrfachen gravierenden Widersprüchlichkeiten in der Aussage des bereits wegen des inkriminierten Diebstahls rechtskräftig verurteilten Alfred B***** über die "Mittäterschaft" des Angeklagten und dem ausdrücklich angegebenen "Verleumdungsmotiv", sondern auch mit dem von Helmut Sommer angebotenen Alibi kritisch und substantiiert befassen müssen. Abgesehen davon, daß das Schöffengericht - wenn auch vom Beschwerdeführer nicht gerügt - jenen Teil der Aussage des Zeugen Gerhard S***** unerörtert ließ (Seite 303 f), laut welchem die Möglichkeit offenbleibt (Seite 303 unten, 304 oben), daß Helmut S***** - in Übereinstimmung mit seiner Alibibehauptung - allenfalls auch vor der Polizeihaft des Scharinger (13.10.1991, 17 Uhr 45, bis 14.10.1991, 14 Uhr 45) sich gemeinsam mit diesem Zeugen bei Manfred G***** aufgehalten und dort geschlafen haben könnte, verweist der Angeklagte im gegebenen Zusammenhang mit Recht auf eine weitere aufklärungsbedürftige Ungereimtheit zwischen aktenkundigen Umständen; im Hinblick auf seine eigene Verhaftung am 15. Oktober 1991 um 17 Uhr 15 verbliebe nämlich entgegen der erstgerichtlichen Annahme, daß der Aufenthalt bei Manfred G***** "ein oder zwei Tage" nach der Polizeigewahrsame des S***** stattgefunden haben könnte, nur bereits der Tag der Entlassung des S***** aus der Polizeihaft für diese angebliche gemeinsame Übernachtung.

Bei dieser Sach- und Beweislage stellt sich die kursorische Behauptung des Erstgerichtes, die leugnende Verantwortung des Angeklagten sei "eindeutig widerlegt", als bloße Scheinbegründung dar.

Da sich im Hinblick auf die von der Nichtigkeitsbeschwerde aufgezeigten entscheidungswesentlichen Begründungsmängel somit zeigt, daß die Anordnung einer neuerlichen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen.

Mit seiner durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Aus Anlaß des kassatorischen Erkenntnisses war ferner auch der mit dem aufgehobenen Strafausspruch im sachlichen Zusammenhang stehende - im Spruch näher bezeichnete - Widerrufsbeschluß des Erstgerichtes aufzuheben.

Mit seiner diesen Beschluß betreffenden Beschwerde war der Angeklagte ebenfalls auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

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