OGH 9ObA191/92

OGH9ObA191/9230.9.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Zörner und Anton Hartmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****O*****, Kraftfahrer, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei *****GesmbH, ***** vertreten durch die Geschäftsführerin E*****R*****diese vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen 194.743,38 S brutto und 6.125 S netto je sA (Revisionsstreitwert 104.874 S brutto), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28.April 1992, GZ 5 Ra 37,83/92-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei und Rekurses des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 12.November 1991, GZ 45 Cga 98/91-16, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes in der Hauptsache wiederhergestellt wird, im Kostenpunkt jedoch wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 20.941 S bestimmten Prozeßkosten (darin 2.912 S Umsatzsteuer und 3.466 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 12.766,32 S bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (darin 2.127,72 S Umsatzsteuer) sowie die mit 17.657,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 942,90 S Umsatzsteuer und 12.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Dr. A*****F***** betrieb ab 1981 oder 1982 bis zur Konkurseröffnung am 8.August 1990 (am 14.September 1990 erfolgte die Einstellung mangels Deckung der Kosten des Konkursverfahrens) in Innsbruck die Einzelfirma Dr. A*****F*****, die ausschließlich zur Ausübung des Speditionsgewerbes berechtigt war. Im Jahre 1983 wurde die beklagte Partei gegründet, die eine Gewerbeberechtigung sowohl für die Spedition als auch für die Güterbeförderung hatte. Die Hauptniederlassung der beklagten Partei befand sich in Wien. Eine Zweigniederlassung wurde in Innsbruck gegründet und befand sich in denselben Büroräumlichkeiten wie die Einzelfirma Dr. A*****F*****. Diese beschäftigte eine Angestellte und ein oder zwei Arbeiter, darunter seit 1987 S*****G*****, der ausschließlich einen auf die beklagte Partei zugelassenen LKW fuhr. Der Kläger war in der Zeit vom 2. Dezember 1983 bis 31.Mai 1990 durchgehend bei der Einzelfirma Dr. A*****F*****, Internationale Spedition, beschäftigt, und zwar bis Anfang 1989 als Kraftfahrer, danach als Beifahrer. Bereits während seiner Beschäftigung bei Dr. A*****F***** wurde der Kläger im Konzessionsbereich der beklagten Partei Dr. F***** GesmbH als Kraftfahrer eingesetzt. Im Frühjahr 1990 verschlechterte sich die finanzielle Situation der Einzelfirma Dr. A*****F***** soweit, daß mit der Eröffnung des Konkurses zu rechnen war. Dr. A*****F***** und die Geschäftsführerin der beklagten Partei, E*****R*****, kamen daher überein, daß es nicht mehr sinnvoll sei, die Arbeiter bei der Einzelfirma weiterzubeschäftigen. Daraufhin übernahm die beklagte Partei S***** G***** und den Kläger, der ab 31.Mai 1990 von der Einzelfirma Dr. A*****F***** abgemeldet und am 1.Juni 1990 als Arbeitnehmer von der beklagten Partei bei der Gebietskrankenkasse angemeldet wurde. Eine Endabrechnung dieses Arbeitsverhältnisses nahm die Firma Dr. A*****F***** nicht vor. Weder die Geschäftsführerin der beklagten Partei noch Dr. A*****F***** sprachen mit dem Kläger über die Änderung in der Anmeldung zur Sozialversicherung. Auch sonst wurde mit dem Kläger nie darüber gesprochen, daß mit ihm nun ein Arbeitsverhältnis zur beklagten Partei begründet werde und jenes zur Einzelfirma Dr. A*****F***** beendet werden sollte. In der äußeren Gestaltung des Arbeitsverhältnisses änderte sich gegenüber dem Kläger ab 1.Juni 1990 nichts. Auch während des Arbeitsverhältnisses des Klägers zur beklagten Partei erteilte Dr. A*****F***** dem Kläger Anweisungen. Daß dem Kläger während seines Arbeitsverhältnisses mit der Einzelfirma Dr. A*****F*****oder der beklagten Partei An- und Abmeldungen zur Sozialversicherung ausgefolgt wurden, kann nicht festgestellt werden. Der Kläger war zumindest bis 1.Februar 1991 der Ansicht, durchgehend Arbeitnehmer der Einzelfirma Dr. A***** F***** gewesen zu sein. Ende Jänner 1991 wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers von Dr. A***** F***** mit der Aufforderung beendet, der Kläger solle zum S***** gehen. Der Kläger hatte mit der beklagten Partei zuletzt einen monatlichen Nettolohn von 14.000 S inklusive Überstunden vereinbart. Im Jahre 1990 hat der Kläger eine Woche Urlaub konsumiert; ob er zuvor Urlaub konsumiert hatte, ist nicht feststellbar. Für den Monat Jänner 1991 hat der Kläger den gesamten vereinbarten Lohn von 14.000 S erhalten. Der Kläger ist seit 1. Februar 1991 bei der S***** & Co AG, Internationale Spedition, beschäftigt. Daß dieses Unternehmen dem Kläger die Vordienstzeiten aus dem vorangegangenen Arbeitsverhältnis anrechnete, kann nicht festgestellt werden.

Der Kläger begehrte die Zahlung von 194.943,38 S brutto an Urlaubsentschädigung für 90 Arbeitstage und Abfertigung auf der Basis von 6 Monatsentgelten und 6.125 S netto an restlichem Entgelt für Jänner 1991. Er brachte vor, ursprünglich habe ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Geschäftsführer der beklagten Partei Dr. A*****F***** persönlich und nach dessen Übernahme durch die beklagte Partei ein solches mit der beklagten Partei bestanden; es habe sich um ein durchgehendes Arbeitsverhältnis gehandelt. Das Arbeitsverhältnis zu Dr. A***** F***** sei weder gekündigt noch in einer sonstigen Weise abgerechnet worden. Erst nach der Ummeldung sei dem Kläger von Dr. A*****F***** bekanntgegeben worden, daß sich in der Firma etwas ändere, aber sonst alles beim Alten bleibe. Der Kläger habe davon ausgehen müssen, daß zumindest gemäß § 863 ABGB stillschweigend eine Vertragsübernahme stattgefunden habe.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, der Kläger sei bei ihr vom 1.Juni 1990 bis 31.Jänner 1991 mit einem monatlichen Bruttolohn von 9.800 S beschäftigt gewesen. Zuvor sei der Kläger bei Dr. A*****F***** beschäftigt gewesen. Eine vertragliche Übernahme dieses Arbeitsverhältnisses durch die beklagte Partei habe nie stattgefunden. Dem Kläger sei bekanntgewesen, daß das Arbeitsverhältnis zu Dr. A*****F***** am 31.Mai 1990 geendet habe und ein neues Arbeitsverhältnis zur beklagten Partei am 1.Juni 1990 begründet worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 128.709 S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von 66.034,38 S brutto sowie 6.125 S netto sA ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die beklagte Partei nicht klargestellt habe, daß mit ihr ein neues Arbeitsverhältnis unabhängig von dem zu Dr. A***** F***** begründet worden sei. Tatsächlich wäre die beklagte Partei im Rahmen einer Aufklärungsobliegenheit verpflichtet gewesen, dem Kläger gegenüber diese Umstände darzulegen. Mangels Vorliegens einer derartigen Aufklärung sei davon auszugehen, daß die beklagte Partei alle Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis übernommen habe. Ausgehend von dem jedenfalls vom Kläger nicht überhöht angenommenen Bruttolohn von 18.925 S sprach das Erstgericht dem Kläger 66.738 S an Urlaubsentschädigung für 84 Urlaubstage sowie eine Abfertigung von 61.971 S (entsprechend drei Monatsentgelten) zu und wies die Mehrbegehren von S 66.034,88 brutto und S 6.125,- netto jeweils sA (rechtskräftig) ab.

Über Berufung der beklagten Partei bestätigte das Berufungsgericht den Zuspruch mit einem Teilbetrag von 23.835 S brutto sA und änderte das Ersturteil im übrigen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es zu einem konkludenten Vertragsabschluß mit der beklagten Partei nicht gekommen sei, weil ein Verhalten der beklagten Partei gefehlt habe, aus dem der Kläger eine Änderung des Vertrages hätte erschließen können; auch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu Dr. A*****F*****sei nicht erklärt worden. Daraus ergäbe sich, daß der Kläger überhaupt keine Ansprüche gegen die beklagte Partei habe. Von den Streitteilen sei aber außer Streit gestellt worden, daß zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis vom 1.Juni 1990 bis 31.Jänner 1991 bestanden habe; aus diesem Arbeitsverhältnis stehe dem Kläger noch eine Urlaubsentschädigung für 30 Urlaubstage im Betrag von 23.835 S zu. Allerdings könne aus der Außerstreitstellung des Arbeitsverhältnisses zur beklagten Partei nicht der Schluß gezogen werden, daß die beklagte Partei in das Arbeitsverhältnis, das der Kläger zur Einzelfirma Dr. A*****F***** gehabt habe, eingetreten sei oder seine Urlaubsansprüche und Vordienstzeiten übernehmen bzw anrechnen wollte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils - unter Berücksichtigung des vom Kläger seinerzeit erhobenen Kostenrekurses - abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen verschlechterte sich die finanzielle Situation des Einzelunternehmens Dr.A***** F***** soweit, daß die beklagte Partei, in deren Konzessionsbereich der Kläger bisher ohnehin eingesetzt war, mit Dr.A***** F***** übereinkam, den Kläger und einen anderen Arbeitnehmer nicht mehr beim Einzelunternehmen Dr.A***** F*****, sondern bei der beklagten Partei zu beschäftigen. Die Weiterbeschäftigung des Klägers durch die beklagte Partei ab 1.Juni 1990 zu den bisherigen Bedingungen wäre somit als Arbeitsvertragsübernahme durch die beklagte Partei zu qualifizieren gewesen, wäre der Kläger hievon verständigt worden. In Anbetracht der engen Verbindung der beklagten Partei mit dem Einzelunternehmen Dr.A***** F***** hätte die beklagte Partei, um eine konkludente Arbeitsvertragsübernahme zu verhindern, den Kläger ausdrücklich darauf hinweisen müssen, daß sie nicht das bisherige Arbeitsverhältnis fortsetzen, sondern unabhängig davon ein neues Arbeitsverhältnis begründen wolle. Eine konkludente Arbeitsvertragsübernahme ist auch ohne Übernahme des Unternehmens des bisherigen Arbeitgebers möglich (siehe Arb 10.788 = SZ 62/109 mwH).

Da der Kläger jedoch von der zwischen Dr.A***** F***** und der beklagten Partei getroffenen Vereinbarung nicht verständigt wurde, wurde die vereinbarte Arbeitsvertragsübernahme dem Kläger gegenüber zunächst nicht wirksam, sondern hatte gemäß § 1405 ABGB mangels schlüssiger Zustimmung auch des anderen Vertragspartners bezüglich der Haftung nur die Wirkung einer Erfüllungsübernahme im Sinne des § 1404 ABGB. Gemäß § 1405 Satz 2 ABGB wirkt die Vereinbarung zwischen Überträger und Übernehmer solange nicht gegenüber dem Gläubiger, bis dieser einwilligt (der Gläubiger kann daher auch nachträglich einwilligen); gemäß § 1405 Satz 3 ABGB kann diese Einwilligung dem bisherigen Schuldner oder dem Übernehmer erklärt werden.

Die Inanspruchnahme der beklagten Partei mit der vorliegenden Klage ist nun als zumindest konkludente Zustimmung des Klägers zu der zwischen Dr.A***** F***** und der beklagten Partei vereinbarten Arbeitsvertragsübernahme zu werten. Der Einwand der beklagten Partei, sie habe ab 1.Juni 1990 unabhängig vom bisherigen Arbeitsverhältnis ein neues Arbeitsverhältnis begründen wollen, ist verfehlt. Dies läßt sich nämlich weder aus der festgestellten Vereinbarung der beklagten Partei mit dem bisherigen Arbeitgeber des Klägers noch aus dem Verhalten der beklagten Partei gegenüber dem Kläger erschließen.

Der Revision war daher im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles in der Hauptsache Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1 und 50

ZPO.

Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz war auf die wegen Wiederherstellung des Ersturteils wieder aktuelle Bekämpfung der Kostenentscheidung durch einen Kostenrekurs des Klägers Bedacht zu nehmen (Fasching Kommentar III 354; JBl 1978, 433; 9 Ob A 129/90 ua). Hiebei war der gemäß § 258 ZPO zulässige, eine Erwiderung auf das im Schriftsatz der beklagten Partei ON 4 erstattete Vorbringen enthaltende und damit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Schriftsatz des Klägers ON 8 zu honorieren; weiters war darauf Bedacht zu nehmen, daß der Kläger im Verfahrensabschnitt bis zur Ausdehnung des Klagebegehrens zu Beginn der Tagsatzung vom 12.November 1991 nur mit rund 15 % seines Begehrens von insgesamt 151.010,02 S sA unterlegen ist, so daß ihm für den ersten Verfahrensabschnitt 70 % seiner auf diesen Abschnitt entfallenden Kosten von 18.690 S, das sind 13.083 S, zuzüglich Umsatzsteuer, zuzuerkennen waren. Hingegen ist das für den Zuspruch der Pauschalgebühr gemäß § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO maßgebliche Ausmaß des Obsiegens durch einen Vergleich des ausgedehnten Klagebegehrens mit dem Zuspruch zu ermitteln, weil im Falle der Ausdehnung grundsätzlich die Differenz zwischen der entrichteten und der dem ausgedehnten Begehren entsprechenden Gebühr als zusätzliche Pauschalgebühr zu zahlen ist.

Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz waren auch die Kosten des teilweise erfolgreichen Kostenrekurses des Klägers zu berücksichtgen.

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